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Sonntag, 6. Juni 2010

Besprochen-Special: THE ROLLING STONES - "EXILE ON MAIN ST." (1972)

Seinerzeit von Kritikern und Hörern weitestgehend verschmäht und im Laufe der Jahre als wertvolles Stück Musikgeschichte rehabilitiert: Das letzte Konsens-Meisterwerk der rollen Steine - nun neu aufgelegt!

Nicht selten spielt der Faktor Zeit in der Kunst eine wichtige Rolle - so manch ein heutzutage als Meisterstück gefeiertes Kunstwerk, wurde seinezeit übersehen, oder schlicht und ergreifend nicht erkannt und seines Genies nicht gewürdigt. Gerade in der Musik ist es häufig der Langzeitwirkung zu verdanken, das sich so manche Platte als wesentlich essentieller und einflussreicher herausstellte, als sie bei ihrer Veröffentlichung wahrgenommen wurde. "Exile On Main St." der Rolling Stones, gehört definitiv dazu. Als es 1972 erschien, waren Kritiker förmlich entsetzt: Die tighten, souligen und bluesigen Kracher, die die Stones in den vorangegangenen Jahren veröffentlichten, wichen hier einer wüsten, fiebrigen, teils unfertig wirkenden, eckigen und kantigen Jam-Session. Viele verschmähten das Doppel-Album seinerzeit - doch im Verlaufe der folgenden Jahre, zementierte es seine Bedeutung als eines der besten Alben der Rock-Geschichte und als bis heute, laut Konsensmeinung der Musikgeschichtsschreiber, letztes Meisterwerk der Rolling Stones.
Allein die Aufnahme-Sessions der Platte sind bis heute legendär und wird nahezu mystifiziert. Anfang der 70er Jahre packte die Band Freunde und Geliebte und kehrte England (aus Steuergründen) den Rücken. Sie ließen sich zeitweilig in Keith Richards' Villa Nellcôte an der Côte d'Azur nieder, wo sie eine einizige große Party feierten - stets bewusstseinserweiternde Substanzen griffbereit. Und so stieg man Nachts hinab in die feuchten Katakomben des ehemaligen Nazi-Anwesens, um an Stücken des neuen Albums zu arbeiten. Es sind weniger die einzelnen der 18 Stücke des Doppelalbums, als viel mehr das Gesamtwerk, das es so faszinierend macht. Es sind auch keine nennenswerten Hits aus dem Album hervorgegangen, lediglich "Tumbling Dice" und "Happy" sind seinerzeit als Singles erschienen. Auch wenn all der schräge Soul, das Jam-Session-artige gegniedel, der furztrockene Blues, Mick Jagger's häufig in den Hintergrund gemischte Vocals, das stoische gerocke und die Anfangs kaum prägnanten Melodien etwas quer und kantig in die Gehörgänge gehen, so wächst dieses Werk mit jedem hören, bis es irgendwann geschieht: Der ganze Haufen unterschiedlischster, verspielter, ineinandergreifender Soundschichten und Stile, entwickeln ein Eigenleben und bilden ein in sich geschlossene Einheit, die "Exile On Main St." zu einem wahren Juwel heranwachsen lassen. Man entdeckt mit jedem Hören neue Kostbarkeiten, Facetten, Bezüge und Eindrücke in dem, was zuvor noch wie ein wüster Songbrei anmutete. Und so steigenr sie sich letztendlich in eine wahren Rausch aus starightem, von Bläsern verzierten Rock ("Rocks Off"), jazzig hingerotzten Uptempo-Blues ("Rip This Joint"), zurückgelehntem und wunderbarem Country-Blues ("Sweet Virginia", "Torn And Frayed"), mitreissendem Gospel-Blues ("Tumbling Dice"), bedrogten Blues- und Gospel-Ausgeburten, folkigem, politisch Stellung beziehenden Perlen ("Sweet Black Angel") und großartigen Klassikern für die Ewigkeit ("Shine A Light", "Let It Loose"). Dieses wahnwitzige, unter von Legenden umrankten Umständen schierer Rock'n'Roll-Dekadenz entstandene Meisterwerk, wurde in diesem Jahr neu remasterd aufgelegt - und um eine zweite CD mit 10 Raritäten der einstigen Aufnahmesessions erweitert. Darunter befinden sich etwa der abgehangene, mit Gospel-Anleihen versetzte Blues-Schleicher "Pass The Wine (Sophia Loren)", die daraus veröffentlichte Single "Plundered My Soul", das mit teilweise alten Arrangements und neu eingesungenen Vocals daher kommt, die schmachtende, von Piano und Gospelbackground verzierte Ballade "Following The River", das entspannt bluespopige "So Divine (Aladdin Story)" oder "Good Time Women", die für das Album "Sticky Fingers" aufgenommene Urversion von "Tumbling Dice". Die neuen Songs sind ein netter und durchaus interessanter Bonus, der vor allem für Fans eine kleine Fundgrube mit exklusiven Raritäten darstellen wird. Dem Album als solches kann es zwar nichts essentielles hinzufügen. Doch das fällt bei einem solchen Meisterstück nicht weiter ins Gewicht. Hat man sich erst einmal einige Male in Dauerrotation mit diesem schweißtreibenden, unvorhersehbaren und sich sämtlicher Erwartungen verweigernden Brocken beschallen lassen, wandelt es sich immer weiter zu einem wahrhaft berauschenden Opus Magnum. Und so Reihe ich mich (als keine allzu großer Stones-Fan) gerne ein in die lange Schlange derer, die mit voller Überzeugung sagen: Die Rolling Stones haben hier ein wahres Meisterwerk geschaffen, das zurecht seinen zwar späten, aber festen Platz in der Rock-Historie hat.

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