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Freitag, 2. Januar 2015

Besprochen: DAVID BOWIE - "NOTHING HAS CHANGED"


Auf "Nothing Has Changed" lädt uns David Bowie auf eine Reise durch 50 Jahre Musikgeschichte ein: mit seiner bislang umfangreichsten und wohl auch gelungensten Best-of-Compilation.

Zum Jahresende sind Best-of-Compilations ja fast schon Tradition geworden. Nur wird der Markt leider mit viel zu vielen lieblos zusammen geklatschten Zusammenstellungen überschwemmt, stets wohl nur in der einzigen Hoffnung der Plattenfirmen, dass sie möglichst zahlreich unter den Weihnachtsbäumen landen. Es gibt aber auch immer wieder einige Lichtblicke - und David Bowie wäre wohl kaum einer der größten, wichtigsten und besten lebenden Legenden im Pop, wenn er nicht zu eben diesen Lichtblicken zählen würde. Zwar sind seit seiner letzten ausführlicheren Bestandsaufnahme mit "Best of Bowie" im Jahr 2002 nur zwei weitere Studioalben des Briten erschienen, aber trotzdem macht die neueste Compilation "Nothing Has Changed" Sinn, die seit Ende November in den Läden steht. Zum einen hat der Herr erst vor 2 Jahren sein fulminantes Comeback nach 10 Jahren Pause bestritten und schien seitdem auch aus der zeitgenössischen Musik nicht mehr weg zu denken - und das, wo man nach so langer Zeit eigentlich gar nicht mehr mit einer aktiven Wiederkehr von Bowie gerechnet hat. Und: so ausführlich hat er seine Karriere noch nie in einer Platte zusammen gefasst, als in diesen insgesamt 59 Songs auf 3 CDs, die sich über 50 Jahre Musikgeschichte erstrecken! Angeführt wird das ganze erst einmal von einem brandneuen Stück, das aber bei weitem mehr ist, als der übliche obligatorische neue Song, der so viele Best-of's begleitet. Und der oft nicht mehr als eine lauwarme Angelegenheit darstellt, um auch dem Fan, der schon alles hat, noch einen kleinen Kaufanreiz zu bieten. Nein, denn zumindest in meinen Ohren ist das leidenschaftliche "Sue (Or Season of Crime)" ein großartiger und eindringlicher, düster-schillernder Jazz-Epos von 7 Minuten Spieldauer, der direkt unter die Haut geht. 


David Bowie - Sue (Or In A Season Of Crime) on MUZU.TV.


Und danach gibt es dann eine (großzügige) Auswahl der größten, wichtigsten und besten Songs des Briten -  im Rückwärtsgang!  So legt er doch mit seinen neuesten Songs los und arbeitet sich in umgekehrter chronologischer Reihenfolge zurück zu den Anfängen seiner Karriere. So geht es gleich mit den Singles seines 2012er Comeback-Albums "The Next Day" weiter: mit der nachdenklichen Ballade "Where Are We Now?", dem großartigen "The Stars (Are Out Tonight)" oder dem ebenfalls famosen "Love Is Lost", welches in dem als Single veröffentlichten elektronischen Hello-Steve-Reich-Mix vorliegt. Danach folgen dann erst mal die 00er, in denen sich Bowie künstlerisch durchaus solide bis gut anstellte: das führt über so jüngere Pop-Klassiker wie "Everbody Says Hi" oder "Slow Burn" (♪♫♪), bis hin zu bisher nur online bzw. überhaupt nicht offiziell erhältlichen Songs wie "Let Me Sleep Beside You" oder "Your Turn To Drive"  (welche 2001 für das unveröffentlichte Album "Toy" entstanden, auf denen er einige seiner frühesten Songs neu aufnahm). Und dann geht es durch die 90er Jahre, zu Songs wie dem mit Industrial-Elementen gewürzten "I'm Afraid of Americans", zu der von Jungle- und Noise-Rock-Einflüssen infizierten kleinen Perle "Little Wonders", dem famosen Pet-Shop-Boys-Remix von "Hallo Spaceboy" (♪♫♪) (als welcher der Song auch als Single veröffentlicht wurde) oder dem passablen Früh-90er-Pop-Song "Jump They Say".

David Bowie - LOVE IS LOST / Hello Steve Reich Mix (official video) from denial of service on Vimeo.

Die 80er hingegen waren bedeutend schwieriger - was man sicherlich auch weiß, wenn man näher mit dem Backkatalog Bowie's vertraut ist. Vor allem zwischen Mitte und Ende der 80er befand sich der Brite auf dem Tiefpunkt seines Schaffens. Doch erstaunlicherweise merkt man das dieser Zusammenstellung kaum an, weil man sich hier auf die größten Hits und die besseren Momente dieser Karrierephase beschränkte. Angefangen mit "Time Will Crawl", dem vielleicht einzigen wirklich hörbaren und memorablen Song seines ziemlich üblen '87er Albums "Never Let Me Down". Aber auch Beiträge wie "Absolute Beginners" (♪♫♪), "Loving The Alien" oder "This Is Not America" machen sich hier sehr gut, gehören sie doch definitiv zum Besten, was Bowie in den mittleren 80ern vollbrachte. Und auch wenn ich mich immer noch nicht so recht mit den Singles seines '83er Albums "Let's Dance" anfreunden kann, so haben der berühmte Titelsong, sowie das etwas kitschige "China Girl" und das in meinen Ohren fast unerträglich gut gelaunte "Modern Love" hier durchaus ihre Existenzberechtigung - gehören sie doch mit zu seinen größten Hits. Dagegen war Bowie in den frühen 80ern noch in unbestreitbarer Höchstform - was hier durch eine Reihe unsterblicher Klassiker unmissverständlich klar gemacht wird: etwa mit dem grandiosen New-Wave-Meisterstück "Ashes To Ashes", dem vom Post-Punk infizierten Kracher "Scary Monsters & Super Creeps", dem herrlich mitreißenden New-Wave-Rocker "Fashion" oder dem schlicht und ergreifend fantastischen Queen-Duett "Under Pressure" (♪♫♪).

"Ashes to Ashes" 1980 from David Bowie on Vimeo.

Das größte und saftigste Filetstück kommt in dieser Compilation dann zum Ende: mit den 70er Jahren, der wohl unbestritten kreativsten und innovativsten Phase in Bowie's Karriere. Das geht hier los mit dem beherzt mitreißenden Rocker "Boys Keep Swinging" (in dessen Video Bowie in Drag-Aufmachung zu sehen ist!) - und danach glaubt man in einem einzigen Meer aus Klassikern der Pop-Geschichte zu waten: so folgen u.a. sein fantastischer Berliner-Mauer-Song "Heroes" (♪♫♪), der fraglos einen der besten Songs aller Zeiten darstellt; das relaxte und melodisch einnehmende "Sound & Vision"; die famose und schillernde Funk-Bombe "Fame", welche er gemeinsam mit Ex-Beatle John Lennon komponierte; das mitreißend melodische und auf einem genialen Gitarrenriff reitende "Rebel Rebel"; die grandiose Glam-Rock-Hymne "Ziggy Stardust" oder der schillernde und blumig-leidenschaftliche Klassiker "Starman" (♪♫♪), welche beide aus seinem fantastischen Konzeptwerk "The Rise and Fall of Ziggy Stardust & The Spiders from Mars" stammen; die zeitlose und melodieverliebte Glam-Pop-Perle "Life on Mars?" oder der famose und unwiderstehliche Pop-Ohrwurm "Changes"...

"Life on Mars" 1973 from David Bowie on Vimeo.

Und dann kommen noch kurz die 60er ins Spiel, die hier fulminant mit einem seiner größten Klassiker beginnen: dem psychedelisch hypnotisierenden "Space Oddity", von dem sich später Peter Schilling die Story seines NDW-Hits "Major Tom" klauen sollte. Ziemlich großartig dann auch der 60's-Ohrwurm "In The Heat Of The Morning" (♪♫♪), der bis auf ein paar Compilations unveröffentlicht blieb. Mit "Silly Boy Blue" wurde dann wohl einer der besten Songs seines eher mauen 1967er Debütalbums bedacht, während auch mit den durchaus ein wenig an die Beatles erinnernden Nummern "Can't Help Thinking About Me" und "You Got a Habbit of Leaving" die hohe Qualität nicht abreißt. Und das Finale der Compilation bestreitet dann ganz konsequent der erste Song, der je von David Bowie erschienen ist - einst allerdings noch unter dem Namen Davie Jones: die energische und melodische Beat-Nummer "Liza Jane" (♪♫♪)  aus dem Jahr 1964.



Alles in allem eine wirklich hervorragende Zusammenstellung, die ziemlich gut den Spagat zwischen Hits, Klassikern, Raritäten und vergessenen Perlen schafft. Dabei dann so konsequent vom Hier und Jetzt bis in seine frühesten Künstlertage zurück zu spulen, um dabei sämtliche Facetten  seines künstlerischen Wirkens abzudecken, und selbst seine schwächeren Phasen in einem erstaunlich guten Licht erstrahlen zu lassen, macht hier schon einen enormen Reiz aus. Und das massig hervorragende Songmaterial von David Bowie erledigt natürlich den großen Rest. Zudem ist die physische Version auch optisch sehr schön und liebevoll gestaltet, wirkt hochwertig, geschmackvoll und bietet Dank einiger Fotos auch einen visuellen Querschnitt von Bowie's diversen Metamorphosen. All das macht "Nothing Has Changed" zu seiner bislang stärksten Best-of-Compilation, die für Liebhaber und Einsteiger gleichermaßen interessant ist.