♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Dienstag, 30. Oktober 2012

Besprochen: JAKE BUGG - "JAKE BUGG"

Ein Hype der es verdammt nochmal wert ist: 
Jake Bugg ist ein hervorragendes Debütalbum gelungen, das dem jungen Mann noch einigen (verdienten) Ruhm einbringen wird.

Großbritannien ist ja immer wieder für einen waschechten Hype gut. Manchmal durchaus zurecht, manchmal wiederum auch nicht. So zeigten sich zwar manche in den letzten Jahren stark gehypte Musiker wie die Arctic Monkeys oder Bloc Party als bis heute beständige Größen. Doch die Kehrseite der Hype-Medaille machte sich dann bei Kollegen wie den Kaiser Chiefs, Maximo Park oder sogar Franz Ferdinand bemerkbar: famose Debütalben, aber danach wurden sie irgendwie....ein bisschen egal. Der neueste Hype made in England ist der gerade einmal 19 Jahre junge Singer/Songwriter Jake Bugg - der mit seinem gleichnamigen Debüt bereits die Pole Position der britischen Albumcharts stürmte. Und hört man sich dieses erst einmal an, wundert einen das auch nicht im geringsten. Denn trotz seines jungen Alters, hat Jake Bugg viel von den Größen der Vergangenheit gelernt. Zwar hört man ab und an Querverweise an jüngere Band wie Oasis, und man denkt auch immer mal wieder an Alex Turner, den Sänger der bereits erwähnten Arctic Monkeys. Doch vor allem sind es die Geister von Alt-Helden wie Bob Dylan, The Beatles oder auch Nick Drake, die der junge Mann hier mit äußerster Authentizität und vor allem mit unfassbar herrlichen Melodien herauf beschwört. Denn auch wenn er stilistisch im Grunde genommen sehr solide bleibt und keine großen Experimente wagt, bleibt sein Debüt über die gesamte Länge hinweg spannend und einnehmend. Es sind eben diese fabelhaften Melodien und der Ernst mit dem der Künstler an seine Musik heran geht, die das gehörte hier so wunderbar machen. Allein schon der Opener und zweite Single "Lightning Bolt" ist für sich schon einen Hype wert: ein herrlich mitreißender Britpop-Ohrwurm mit starkem 60s-Einschlag.

Jake Bugg - Lightning Bolt from Michael Holyk on Vimeo.

Hach, doch es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Nehmen wir etwa den ausgelassen melodischen Ohrfänger "Two Fingers" (♪♫♪), das gar zeitlos großartige "Seen It All" (♪♫♪), die herzerwärmend schöne Singer/Songwriter-Perle "Simple As This" (♪♫♪), die melancholisch schwebende und zu Herzen gehende Ballade "Broken", der deutlich an Bob Dylan erinnernde Folk-Kracher "Trouble Town" (♫♪), das wundervolle, emotional einnehmende und tief berührende "Slide" (♪♫♪), oder die erhabene Ballade "Someone Told Me" (♪♫♪). Man könnte nahezu jeden Song der Platte besonders hervorheben. Denn einen schlechten oder auch nur ansatzweise uninteressanten Song, kann man hier weit und breit nicht finden. Vielmehr macht Jake Bugg einen mit seinem ersten Album nahezu süchtig - ist der letzte Song verklungen, will man das Album gleich wieder von vorne hören...und wieder, und wieder! Ja, man will gar jetzt schon attestieren, das er mit solch einem Talent auch in Zukunft den Hype von heute überleben wird. Einziger Wermutstropfen ist die Veröffentlichungspolitik seines Labels: Nachdem das Album bereits am 15. Oktober diesen Jahres in den UK erschienen ist, wird der deutsche Fan, insofern er nicht auf den Import der Platte zurück greift, bis zum Januar 2013 warten müssen, wenn das Album offiziell auch bei uns in den Läden steht. Und ob man sich nun für den Import oder für das Warten entscheidet: es lohnt sich in jedem Fall. Und auch wenn man als Musikkenner und -liebhaber am liebsten solch ein Talent ganz für sich behalten will, dem Gedanken abgeneigt ist, dass bald Millionen von Menschen auf der ganz Welt zu seiner Musik dahin schwelgen könnten, so muss man den offensichtlichen Tatsachen in die Augen sehen: denn schon bald wird kaum noch jemand um diesen höchst talentierten jungen Musiker herum kommen können
A star is born....



Mittwoch, 24. Oktober 2012

Besprochen: KYLIE MINOGUE - "THE ABBEY ROAD SESSIONS"

 Kylie Minogue wirft eine Compilation mit Orchester-Versionen ihrer Hits auf den Markt, die zumindest halbwegs Sinn macht.

Woran merkt man das bald Weihnachten ist? Nun, das ich mit "The Abbey Road Sessions", dem neuen "Album" von dem australischen Pop-Püppchen  Kylie Minogue, bereits die 3. (!) Platte in diesem Monat rezensiere, die ausschließlich aus neu aufgenommenen Stücken des jeweiligen Musikers besteht, ist schon mal ein ziemlich deutliches Zeichen. Doch selbst wenn nicht die Feiertage quasi vor der Tür stehen würden (bei denen sich solch eine Platte ja hervorragend unterm Weihanchtsbaum macht), wäre diese Idee auch nicht einfallsreicher. Nachdem in diesem Monat bereits Patrick Wolf mit Akustik-Versionen seiner Klassiker daher kam, geht Kylie einen ähnlichen Weg wie Tori Amos, und nimmt die großen Hits ihrer Karriere noch einmal mit Orchester auf. Und wer die Rezensionen zu eben genannten Alben gelesen hat, der weiß: mit solcherlei Sperenzchen tue ich mich dann doch etwas schwer. Und da Kylie Minogue nun auch nicht zu meinen erklärten Lieblingskünstlern zählt, dürfte man hier eigentlich einen gehörigen Verriss erwarten. Doch: dies ist bei "The Abbey Road Sessions" nicht der Fall. Denn in der eben genannten Riege ist das "Experiment" von Kylie dann doch das im Vorwege vielleicht interessanteste gewesen. Denn sie zählt eher zum Fach des netten und massentauglichen Dance-Pop, der keinen höheren künstlerischen Anspruch verfolgt. Und ihre Songs dann in einem ernsthafteren Gewand zu hören - was die Songs in diesem Fall natürlich meist gehörig verändert - macht dann wenigstens halbwegs Sinn. Einen neuen Song gibt es aber auch, der bereits seit 2008 zu ihrem Live-Repertoire zählt und zu einen Fan-Liebling avancierte: "Flowers" heißt die Nummer, die eigentlich für ihr 2007er Album "X" gedacht war, es aber doch nicht auf die Scheibe schaffte. Und diese kann als warme und romantische, wenn auch etwas kitschige Ballade durchaus gefallen. 


Was sie ansonsten so aus ihren alten Hits macht, klingt manchmal doch recht interessant. Vor allem ein paar Highlights stechen heraus. So etwa "Slow", das sich von einer minimalistischen Elektro-Pop-Nummer zu einer sinnlich bluesigen Ballade wandelt. Oder auch "Confide In Me", das in der neuen Version dem Original zwar relativ treu bleibt, aber doch eine ganz eigene Ausstrahlung besitzt. Das in der neuen Version von stimmungsvollem Streichorchester angefeuerte "Can't Get You Out Of My Head", wird nach dem tot gedudelten Original, wenigsten kurzweilig wieder sehr gut hörbar. "Where The Wild Roses Grow", der Klassiker mit Nick Cave, wurde hier auch mit demselben Herrn neu aufgenommen, wobei es sich aber eher um eine Akustik-Version handelt - die aber durchweg gelungen ist. Und das fabelhafte "Come Into My World" macht hier als Piano-Ballade ebenfalls eine sehr gute Figur. Aber: dies waren auch im Original alles fabelhafte Pop-Songs. Doch die Abgründe ihres Backkatalogs kann auch Orchesterbegleitung kaum aufwerten. So bleibt etwa "The Loco-Motion" auch in der neuen Version durchweg widerlich,  und auch "Better The Devil You Know" hat nichts von seiner Schmalzigkeit eingebüßt. Und mit "I Believe In You" wird in der neuen Fassung deutlich, was beim Original eh schon auffällig war: ohne eine entsprechend Produktion ist der Song einfach ziemlich schwach. Nur "I Should Be So Lucky", dieser unerträgliche Schlager-Pop aus der Schmiede der 80er-Schmalzpop-Terroristen Stock/Aitken/Waterman, kann in einem anderem Gewand schon eher überzeugen. So ist "The Abbey Road Sessions" zwar keine wirklich ausgesprochen gute Platten geworden - aber dennoch deutlich besser als anfangs befürchtet. 

 

Freitag, 19. Oktober 2012

Besprochen: BUSHIDO - "AMYF"

Der selbsternannte Staatsfeind No.1 hat ein neues Album gemacht, das er vor allem mit seinem gewaltigen Ego füllt - aber am Ende bleibt dann doch nur heiße Luft.

Es gibt so manche Platte, für die sich auch ein Musik-Blogger zu schade ist. Prinzipiell zählt eigentlich auch Bushido dazu - doch was macht man nicht alles, um seinen Lesern einen Gefallen zu tun. So entsteht diese Rezension eigentlich nur auf einen direkten Wunsch - nicht das noch irgend jemand auf den Gedanken kommt, dass ich mir solche Musik freiwillig anhören würde. Man hat ja schließlich einen Ruf zu verlieren und so. "AMYF" heißt also das neue Album von Bushido, welches die Initialen seines bürgerlichen Namens Anis Mohammad Youssef Ferchichi darstellt. Und wie der Titel schon vermuten lässt, gibt es für Bushido auch hier vor allem ein Thema: natürlich er selbst. Erneut nutzt der Rapper tunesischer Herkunft das Album als Projektionsfläche für sein offenbar gewaltiges Ego. Das kann manchmal durchaus Sinn machen. Man nehme etwa seinen amerikanischen Rapper-Kollegen Kanye West. Auch er besitzt ein ohne Frage monströses Ego - doch wer so grandiose Arbeit leistet wie er, der hat sich solch ein Ego auch vollauf verdient. Das allerdings Bushido den deutschen Rap gerettet haben will, das glaubt wohl vor allem nur er selbst. Doch das ist Grund genug für ihn, sich auf "AMYF" immer wieder selbst abzufeiern. Mal weiß er in "Selbst ist der Mann" schon gestern was am Freitag in der Bravo steht (was ja nun mal auch von immenser Relevanz ist), verklärt sich gleich darauf selbst als "Lebende Legende", macht in "Ihr habt mich gemacht" ein wenig auf wehleidig, nur um sich gleichzeitig zum Spiegel unserer Gesellschaft zu erklären, macht auf "Untergrund 2" in Tateinheit mit Eko Fresh wieder mal einen auf gewaltig dicke Hose, oder sieht auf den Straßen nur noch sonnenbankgebräunte "Kleine Bushidos", die alle so sein wollen wie er (Gott bewahre!!!).   


Das er sich in "Hass" dann mal mit etwas wichtigeren Themen wie der Neonazi-Szene auseinander setzt, ohne dabei allerdings nur den Ankläger zu spielen, sondern wenigstens versucht die Wurzeln des Problems zu finden, stimmt einen dann kurzweilig optimistischer. Aber solche ziemlich schmierigen Pseudo-Balladen wie "Euer bester Feind", in der er sich lautstark über eben das Medien-Image aufregt, das er sich in den vergangenen Jahren selbst systematisch und absichtlich erarbeitet hat, machen das Dilemma perfekt. Ach ja, und der nächste Bürgermeister von Berlin wird er natürlich trotzdem. Musikalisch ist das ganze zwar oberflächlich gesehen solide umgesetzt, aber einer genaueren Betrachtung hält dieser Eindruck nicht stand. Innovative Ideen jedweder Art sucht man hier vergebens - aber nicht das man etwa mit derartigem gerechnet hätte. "AMYF" ist wieder einmal konservativer Massen-HipHop, der vor allem versucht authentisch und sozialkritisch zu sein. Doch es bleibt bei dem bloßen Versuch, und er bedient sich stattdessen nur ständig der gängigen Klischees, die er mit recht einfallslosen Wortspielen zu kaschieren versucht. Das ist dann perfekte Musik für den pubertierenden RTL-Junkie - sozusagen eine Vertonung von "Mitten im Leben". Und das er hier auch tatsächlich einen Song über selbige pseudo-dokumentarische RTL-Freakshow verewigt hat, ist dann wenigstens konsequent. Und sagt über das Album mehr aus als tausend Worte.


Dienstag, 16. Oktober 2012

Besprochen: TAME IMPALA - "LONERISM"

Vorsicht Suchtgefahr: Mit ihrem zweiten Album liefern Tame Impala den Stoff, aus dem LSD-Träume sind.

Die australische Band Tame Impala, die ja im Grunde genommen ein Ein-Mann-Projekt von Bandleader Kevin Parker darstellt, welcher eine lose Ansammlung von Gastmusikern um sich scharrt, hat schon vor 2 Jahren mit ihrem famsoen Debüt "Innerspeaker" unter Beweis gestellt, dass sie modernen und doch vergangenheitsbewussten Psychedelic-Rock aus dem Effeff beherrschen. Und auch eine ihnen immer wieder unterstellte Nähe zu den Beatles und besonders John Lennon, ist nicht von der Hand zu weisen. Letzteres macht Parker mit seiner Crew nun auch auf dem gemeinsamen zweiten Album "Lonerism" deutlich - ohne dabei aber ein Album provoziert zu haben, dass auch den Schaffensphasen besagter Künstler entsprungen sein könnte. All das was hier passiert, wäre seinerzeit natürlich nicht möglich gewesen - und auch ob es selbigen in einer fiktiven Zukunft hätte möglich sein können, wäre eher ein Fall für hartnäckige Musikphilosophen. Die Einflüsse von Beatles/Lennon sind hier jedoch unüberhörbar, von Tame Impala um allerlei wunderbare, bedrogte und herrlich bekloppte Ideen erweitert - bis am Ende so etwas erhabenes wie "Lonerism" dabei heraus kam. Und ihr zweites Werk funktioniert gar noch tadelloser als ihr eh bereits gelungenes Debüt - noch runder, noch fesselnder und eindringlicher kommt die neue Scheibe daher. Gespickt mit noch brillanteren Melodien, verpackt in noch exzellentere Songs. Hungrig auf das neue Material machten bereits vorweg bekannte Stücke, wie etwa das psychedlisch verwunschene "Apocalypse Dream" (♪♫♪), oder die von schillernden 60s-Orgeln durchdrungene Psych-Rock-Single "Elephant".


Sie legten erstes Zeugnis davon ab, was mit "Lonerism" nun folgt: eine bewusstseinserweiternde Psychedelic-Wundertüte, die allerlei herrliche Überraschungen zu bieten hat. Schon mit dem Opener "Be Above it" (♪♫♪) heben sie sofort ab, und scheinen eine Art Beatles aus einer anderen Galaxie anzusteuern. Mit "Endors Toi" (♪♫♪) unternehmen sie einen Trip in melodische, aber dennoch ordentlich bedrogte Sphären, "Mind Mischief" (♪♫♪) gleitet auf leicht bratzenden Gitarren und wunderbar harmonischem Gesang des Weges, "Feels Like We Only Go Backwards" (♪♫♪) gibt ein weiteres melodieverliebtes und im Detail hübsch schräges Highlight zum Besten, wie aus dem Nichts starten sie dann direkt in das famos orgelnde "Keep on Lying" (♪♫♪), und krönen das Album mit der melancholischen Psych-Pop-Ballade "Sun's Coming Up" (♪♫♪). Ein nahezu tadelloses Album ist der Band hier wieder einmal gelungen, das man sich aber einfach besser anhören sollte, anstatt lange und ausschweifend darüber zu philosophieren. Denn Kevin Parker & Co. laden hier zu einem kunterbunten Trip ein, der sich allemal lohnt. Aber Vorsicht: es besteht akute Suchtgefahr!

Montag, 15. Oktober 2012

Besprochen: LENA MEYER-LANDRUT - "STARDUST"

Da geht was: Wider Erwarten werden Lena und ihre Musik auf Album No.3 endlich erwachsen.  

Ach ja, die gute "alte" Lena Meyer-Landrut. Eigentlich hatte ich keine allzu große Lust, mich für die zwar nicht unsympathische, aber auch nicht gerade übermäßig talentierte Lena Meyer-Landrut zu einer Rezension aufzuraffen. Ja gut, sie hat uns 2010 nach 28 Jahren wieder mal einen (haushohen) Sieg beim Eurovision Song Contest einbegracht - und sie offenkundig NICHT zu mögen, kam eine Zeit lang für die Mehrheit der Deutschen fast einem größeren Vaterlandsverrat gleich, als das öffentliche verbrennen unserer Nationalflagge. Aber auf den direkten Wunsch einer Leserin hin, werde ich mich nun einmal ihrem neuen und 3. Album "Stardust" widmen. Ja, und schon die erste Single selben Titels, zeigte sich als eine gar nicht so üble Nummer. Klingt nicht allzu deutsch, und hätte auch durchaus international Chancen - würde einem hier nicht ihr doch recht dünnes Stimmchen auffallen. Das macht "Stardust" zu einem schön Liedchen, aber auch nicht viel mehr.


Lobend erwähnen ließe sich hier jedoch, dass es ihr erstes Album darstellt, mit dem Stefan Raab nichts zu tun hat. Hatte ihr musikalischer Ziehvater nahezu die kompletten beiden Vorgänger produziert, fand hier ein deutlicher Wechsel statt. Auf "Stardust" teilten sich Swen Meyer, der in der Vergangenheit viel mit Tomte, Kettcar oder den Kilians arbeitete, und Sonny Boy Gustaffson der schwedischen Rockband Captain Murphey, die Arbeit hinter den Reglern. Und das macht ihren Sound auch gleich einen Deut reifer. Und die beteiligten haben hier auf Albumlänge gar keine schlechte Arbeit geleistet. Es fällt eigentlich nichts negativ auf, es begegnen einem hier immer wieder hübsche Melodien, eingebettet in stets stimmungsvolle und warme, aber nie zu einfalls- oder lieblose Arrangements. Positiv stechen dabei vor allem der wahrhaft hittaugliche (irgendwie an Florence & The Machine erinnernde) Piano-Pop "I'm Black" (♪♫♪), das melodische und stimmungsvolle "ASAP" (♪♫♪) im Duett mit der schwedischen Sängerin Miss Li, die warme und vom Country geküsste Ballade "Goosebumps" (♪♫♪), das soft jazzig-bluesige "Neon (Lonely People)" (♪♫♪), oder das Kate Nash nicht unähnliche "Better News" (♪♫♪) hervor. Und gerade das mehrmalige Hören überzeugt noch ein wenig mehr von dem was hier so passiert. Lena wird auf ihrem neuen Album wider Erwarten vor den Ohren des Hörers erwachsen. Und vor allem das Fehlen von Stefan Raab scheint der jungen Dame musikalische Dimensionen zu eröffnen, mit denen die meisten Hörer (den Autor dieser Zeilen eingeschlossen) nicht gerechnet hätten. Denn Lena macht hier eine erstaunlich gute Figur, was durchaus Neugierig darauf macht, was da in Zukunft noch möglich sein könnte. Dadurch ist "Stardust" zwar noch kein ausgesprochenes Highlight des Jahres 2012, aber definitiv ein wesentlich besseres Album als man erwartet hätte. Da geht was.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Besprochen: BRANDY - "TWO ELEVEN"

 Brandy's erstes Album nach 4 Jahren ist durchaus nicht zu verachten - zielt am Ende aber doch zu sehr auf den amerikanischen Massengeschmack.

Was hatte die Karriere von Brandy doch einst für viel versprechende Dimensionen angenommen: Ende der 90er gelang ihr gemeinsam mit Monica der weltweite No.1-Hit "The Boy Is Mine", was das Interesse an der Dame auch hierzulande enorm steigerte. Anfang der 00er gelang ihr dann mit ihrem Cover des Phil Collins-Song "Another Day In Paradise" ein weiterer Hit - aber dann war erst mal Ruhe im Karton. Zumindest was ihren Erfolg in Deutschland angeht. Das änderte auch ihr famoses 2004er Album "Afrodisiac", oder ihr tolles letztes Album "Human" (2008) nicht grundlegend. Was äußerst schade ist, entgingen den meisten hiermit zwei äußerst gelungene RnB/Pop-Platten, gegen die manch erfolgreichere Kollegin qualitativ einpacken konnte. 4 Jahre später ist nun auch endlich ihr neues und 7. Studioalbum "Two Eleven" erschienen - und das war keine leichte Geburt. Kurz nach ihrem letzten Album verließ sie ihr Label Epic und wechselte zu RCA. Die Arbeiten am Album begannen bereits 2009, wurden aber erst nach 3 Jahren zu Ende gebracht, worauf hin das Veröffentlichungsdatum vom März diesen Jahres öfters aufgeschoben wurde- doch nun hat sie es ja endlich geschafft. Und es ist auch vom Sound ein recht deutlicher Wandel gegenüber dem Vorgänger zu bemerken. Der popige Grundton von "Human" weicht hier einer verstärkten Rückkehr zum RnB. Allerdings nicht ganz von der Sorte und Qualität, wie man dies etwa auf "Afrodisiac" zu hören bekam. Aber: Brandy stellt sich dennoch alles andere als blöd an. Der erste Vorbote des Albums mag auf den ersten Blick noch etwas zwiespältige Gefühle provoziert haben, doch "Put It Down", das im Duett mit Chris Brown entstand, ist ein durchaus catchy RnB-Floorfiller, der zwar nicht für die Ewigkeit gemacht ist, aber im Hier und Jetzt durchweg Spaß macht, und in den westlichen RnB-Charts einige Erfolge aufweisen kann. 



Und auch die zweite Single "Wildest Dreams" (♪♫♪) mag einem zu Anfang nicht gerade den Schalter raus hauen, mausert sich jedoch bald zu einer warmen und mit einer feinen Melodie ausgestatteten Midtempo-RnB-Ballade. Das Album hat aber noch ein paar andere kleine Highlights zu bieten. Das schafft sie vor allem mit den ruhigeren Klängen. So etwa mit der warmen, vom RnB geküssten Ballade "No Such Thing As Too Late" (♪♫♪), der romantischen, melodischen und soft an die späte Whitney Houston gemahnenden Perle "Without You" (♪♫♪), dem getragenen und atmosphärisch-schönen "Hardly Breathing" (♪♫♪), dem wunderbaren und von Frank Ocean mit komponierten "Scared of Beautiful" (♪♫♪), oder dem auf schicken Beats daher treibenden "Paint This House" (♪♫♪). Die schnelleren Nummern sind hier sehr rar gesät, und werden (neben der ersten Single) am ehesten mit dem eher mittelmäßig produzierten "Let Me Go" (♪♫♪) bedient. Im allgemeinen ist "Two Eleven" keine üble Angelegenheit. Nur hört man dem Album leider trotzdem seine schwierige und langwierige Entstehung an. Natürlich ist es ein Mainstream-Album, wo zu hoch gesteckte Erwartungen eh fehl am Platz sind. Wie man sehen kann, bringt es ja so manch gelungenen Song mit. Und dennoch ist es der Gesamteindruck, der hier nicht so recht zünden will. Nur ein knappes Jahr nach der Veröffentlichung ihres letzten Album "Human" sagte Brandy in einem Interview über selbiges: "To hell with that album." Schade, denn es war im direkten Vergleich das bessere Album. "Two Eleven" ist hingegen eine wirklich solide Leistung, mit der sie aber streckenweise zu sehr darauf bedacht ist, dem amerikanischen Massengeschmack zu entsprechen - ein bisschen mehr Mut hätte man sich dann doch gewünscht.



Samstag, 13. Oktober 2012

Besprochen: TORI AMOS - "GOLD DUST"

Mit ihrem neuen Orchester-Album liefert Tori Amos solides Material für den Weihnachtsbaum - aber nicht unbedingt viel mehr.

Es ist ja immer eine recht leidliche Angelegenheit, wenn alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit von der Musikindustrie erneut perfektes Material für unterm Weihnachtsbaum in die Musikwelt geblasen wird. Wenn sie sich gerade mal nicht zu lieblos zusammen gestellten Best-Of's, diversen Box-Sets oder Editionen erfolgreicher Alben herab lassen, dann müssen eben oft auch Platten mit neu aufgenommenen Versionen der eigenen Klassiker für das Weihnachtsgeschäft herhalten. Ob nun bei jedem Release dieser Art immer nur der wirtschaftliche Faktor überwiegt, darüber kann man sich mit Sicherheit streiten. Auffällig ist aber dennoch die Masse jener Platten, die ausgerechnet stets im letzten Jahresquartal den Markt überspülen. In dieser Weihnachtssaison mit dabei: die Fanta 4 mit ihrem zweiten Unplugged-Album, Patrick Wolf mit Akustikversionen seiner Klassiker, und selbiges Schema als Orchesterversionen von Kylie Minogue - und Tori Amos. Letztere hat gerade "Gold Dust" auf den Markt geworfen. Hier hat sie 14 selbst ausgewählte Klassiker ihrer bisherigen Karriere mit Orchester neu aufgenommen. Der Sinn dahinter soll der sein, dass sie sich durch ihr erstes rein orchestrales Konzert dadurch inspiriert fühlte - was aber auch schon mehr als 2 Jahre zurück liegt. Doch distanzieren wir uns mal vom Zeitpunkt der Veröffentlichung, und kümmern uns lieber um das, was am Ende ganz alleine zählt: die Musik! Und die ist - wie von Tori Amos wohl nicht anders zu erwarten - von beständig hoher Qualität. Handwerklich, stimmlich und emotional sitzt hier alles. Und auch das Orchester geht einem nie auf die Nerven - was ein gehöriges Plus bei einer solchen Angelegenheit darstellt. Zu oft beglücken uns derartige Alben mit klebrigen Orchester-Klängen aus der Dose - was man aber von Tori Amos schon im Vorfeld nicht erwarten konnte und durfte. Dabei sind sogar ein paar Kontraste zu den Originalen drin, auch wenn diese eher zaghaft, aber gelungen ausfallen. So das wunderbare "Yes, Anastacia", welches etwa um die Hälfte seiner ursprünglichen Länge beschnitten wurde, und mit ein paar mehr majestätischen Spitzen versehen wurde. 


Ein paar seltene weitere Beispiele dafür kann man noch ausmachen. "Precious Things" (♪♫♪) erlebt einen Hauch mehr Dramatik, und "Star of Wonder" zeigt sich mit zeitweilig etwas pompöserer Ausstattung. "Gold Dust" ergibt im Ganzen eine vorhersehbar runde und  stimmige Platte, die das Konzept der orchestralen Umdeutung ihrer Klassiker durchweg sehr solide umsetzt. Doch am Ende einer jeden Platte dieser Art, stellt man sich dann doch die stets quälende Frage: wie viel Sinn macht so etwas nun wirklich? Da sich hier vieles nur im Detail von seinen Originalen unterscheidet, hätte man sich stattdessen wohl lieber einen Mitschnitt eines orchestralen Live-Konzertes gewünscht, das mit der zusätzlichen Magie der Live-Aura hätte punkten können. Trotz der qualitativ hochwertigen Neuinterpretation muss auch hervorgehoben werden, dass für ungeübte Hörer der großen Dame, der Besitz der Originale von weitaus größerer Bedeutung wäre. Aber eine Fehlinvestition stellt "Gold Dust" deshalb trotzdem nicht zwingend dar. Ob man jetzt sein Geld unbedingt darin investieren möchte, das muss jeder für sich entscheiden - aber unterm Weihnachtsbaum würde man es wohl dennoch gerne wieder finden.



Sonntag, 7. Oktober 2012

Ausgegraben: SOLANGE KNOWLES - "SOL-ANGEL & THE HADLEY ST. DREAMS"

Aus Vorfreude auf ihr kommendes drittes Album hier ein Rückblick darauf, wie Solange Knowles - von der Welt nahezu unbemerkt - mit ihrem 2008er Zweitwerk ihre ältere Schwester Beyoncé locker in die Tasche steckte.

Man hat es nicht immer leicht, wenn man als Musiker stets im Schatten eines berühmten Verwandten steht. Das musste schon so manch einer erfahren - so auch Solange Knowles, die kleine Schwester der US-RnB-Queen Beyoncé Knowles. Hatte das bei ihrem 2002er Debüt "Solo Star" noch durchaus seine Berechtigung, so sollte sich dies mit ihrem 2008er Zweitwerk "Sol-Angel And The Hadley St. Dreams" schlagartig ändern. Zwar verdingt sie sich bis heute in einer  künstlerischen Existenz, die wohl eher einer recht überschaubaren Gruppe bekannt sein dürfte, doch was sie hier musikalisch ablieferte, war um Längen besser als alle Alben ihrer großen Schwester zusammen genommen. Das hört sich übertrieben an? Nun gut - betrachten wir mal die musikalischen Leistungen von Beyoncé genauer: Zwar ist sie immer wieder für waschechte Hits zu haben, doch auf Albumlänge konnte sie bisher höchstens auf ihrem letzten Album "4" überzeugen, welches aber auch noch deutlich hinter dieser zweiten Platte ihrer kleinen Schwester zurück bleibt. Denn der künstlerische Ansatz ist bei Solange ein völlig anderer. Auf "Sol-Angel & The Hadley St. Dreams" fixiert sie sich nicht wie ihre Schwester auf eine Ansammlung unterschiedlicher Songs, auf der sie eine handvoll Hits mit durchschnittlichem Füllmaterial auf Albumlänge streckt. Nein, das gesamte Album durchzieht ein roter Faden, der sich deutlich am Motown, Soul und R&B der 60er und 70er orientiert. Und Elemente dieser musikalischen Phasen, verbindet sie hier spielerisch mit modernen Auszügen aus Pop, RnB und Dance - spart sich aber gänzlich die Ausflüge in den HipHop. Hier versucht niemand seiner großen Schwester nach zu eifern, sondern versucht auf den eigenen Füßen zu stehen. Und etwas besseres hätte ihr fürwahr nicht einfallen können. Schon die erste Single dieses Albums verdeutlichte dies, und hätte eigentlich ein Welthit werden müssen: "I Decided" heißt die Nummer, und begeistert auch 4 Jahre später noch immer als fabelhafter und stark 60s-infizierter Soul-R&B-Ohrwurm, der Handclaps aus "Where Did The Love Go" von The Supremes sampled, und zudem auf der Melodie aus "(Love is lke a) Heatwave" von Martha and the Vandellas basiert. 


Solange -- I Decided - MyVideo


 "T.O.N.Y." (♪♫♪), die dritte Single der Platte, empfiehlt sich als catchy Soul-Perle, die den Hörer unnachgiebig, aber behutsam auf die Tanzfläche lockt. "Dancing In The Dark" (♪♫♪) beschert uns federleichten, und dennoch funky in die Glieder fahrenden Soul-Pop, der sich hervorragend an einem Sample aus Heinz Kiessling's 1960er "Feeling Young" bedient. "Would've Been The One" (♪♫♪) sorgt mit hervorstechender Melodie und leidenschaftlichem Stimmeinsatz für ein stimmungsvolles Highlight, das sich vor Größen der 60er und 70er nicht verstecken muss. Auch "Sandcastle Disco" (♪♫♪) - welch herrlicher Titel allein schon - punktet als fabelhafter und souliger 60s-Pop, der so unwiderstehlich daher kommt wie mundwarmer Karamellpudding. Und mit "This Bird" (♪♫♪) taucht sie in sphärische, psychedelische und gewohnt großartige Soul-Sphären ein, die auch einer Erykah Badu nicht unbekannt sind. Ganz andere, sich hier aber erstaunlich genial einfügende Saiten, schlägt sie dann in "Cosmic Journey" (♪♫♪) an, das sie im Duett mit Bilal vorträgt: angefangen als schillernde, von hypnotischen Klängen und soften Beats getragene Pop-Perle, die sich etwa ab der Hälfte in eine mitreißende und spacige Dance-Hymne wandelt. Wie sie hier dem guten alten Soul, Funk und R&B der 60er und 70er Jahre abklappert, und all dem mit "Sol-Angel & The Hadley St. Dreams" eine modernes Denkmal setzt, das kann einen auch heute noch immer ein wenig sprachlos machen. So ist ihr hier etwas gelungen, was ihrer Schwester noch nie glückte: ein großartiges Album, das noch sehr, sehr lange begeistern wird. Lange war es seitdem ruhig um die Dame geworden - doch gerade erschien die erste Single "Losing You" (♪♫♪) ihres für Anfang 2013 geplanten 3. Albums - und damit ist sie nun erfolgreich in den 80ern angekommen, hat dabei eine Menge von Madonna gelernt, haucht dem Song aber mehr Anspruch ein, als der Pop seinerzeit gemeinhin zuließ. Und das macht Hoffnungen, dass auch ihrer nächster Streich wieder ein Volltreffer werden könnte. Doch bis es endlich soweit ist, ergötzen wir uns noch ein wenig an "Sol-Angel & The Hadley St. Dreams" - und das am besten immer und immer wieder.



Freitag, 5. Oktober 2012

Besprochen: ELLIE GOULDING - "HALCYON"

Nach ihrem gefeierten Debüt vor 2 Jahren, schickt Ellie Goulding nun ihr wahrhaft gelungenes Zweitwerk hinterher, das ihren guten Ruf im zeitgenössischen Pop noch fester zementieren wird.

Vor 2 Jahren war Ellie Goulding mit ihrem Debüt "Lights" eine kleine Pop-Sensation in Großbritannien sicher. Ein äußerst schickes Erstlingswerk, das so manch ein Kritiker in die Sphären des Folktronica schmiss, und auch über die einst laufende Pop-Saison hinaus überzeugen konnte. 2 Jahre sind seitdem vergangen, da steht nun Miss Gouldings 2. Album ins Haus. Nachdem sie beim Vorgänger mit Produzent Starsmith arbeitete, nahm sie bei der neuen Platte "Halcyon" nun Jim Eliot von der britischen Elektropop-Band Kish Mauve bei der  Hand. Stilistisch verändert dies manches, wenn auch nicht gravierend. Die soft folkigen Klänge sind nahezu verschwunden, wobei diese beim Debüt schon nicht allzu stark heraus gearbeitet waren. So bietet sich für "Halcyon" nun nicht mehr der Ausdruck "Folktronica" an, sondern wäre mit Synth- oder Dance-Pop besser benannt. Doch das sind nur Details. Denn auch bei ihrem zweiten Versuch stellt sich Ellie Goulding alles andere als blöd an. Sie verschreibt sich hier dem was sie am besten kann (genannt "Pop"), vermischt dies aber mit verschiedenen sanften oder auch stärkeren Einflüssen der zeitgenössischen Musikkultur, ohne sich aber damit anzubiedern. Eher erweckt es den Eindruck, als wenn sie hier den Zeitgeist der Pop-Musik der Gegenwart einfängt, und daraus ein paar knackige, oft auch nicht unspannend produzierte Hits dreht. Als erster Vorbote kam bereits im August die Single "Anything Could Happen" daher. Ein ohne Frage guter Dance-Pop-Song, der aber keine zu großen Versprechungen macht. Aber eine gute Taktik: mit einer eher "okayen" Single keine zu hohen Erwartungen schüren, um dem ein im Ganzen deutlich besseres Album folgen zu lassen.


Und eben dieses "deutlich bessere" Album ist "Halcyon" durchaus geworden. Betrachten wir nur einmal den Opener "Don't Say a Word" (♪♫♪): die ersten 1 1/2 Minuten hat man das Gefühl es mit einen typischen (und guten) Album-Intro zu tun zu haben. Doch dann kriegt das Stück mehr Substanz, ehe es sich zum echten und fabelhaften Song entwickelt, der gen Ende nochmal mit soften Synthesizern  geschmückt wird. "My Blood" (♪♫♪) kann sich als soft-bombastische und leidenschaftliche, von Florence & The Machine nicht allzu weit entfernte Pop-Perle behaupten, die man sich allzu gerne gefallen lässt. "Only You" (♪♫♪) bietet einen elektronisch angereicherten, flotten Pop-Ohrwurm, der auf simplen, aber wirkungsvollen Gesangssamples reitet; im fabelhaften und mitreißend melodischen "Figure 8" (♪♫♪), meint man in den explodierenden Refrains beinah eine leise Ahnung von dem zu erhaschen, was die Welt seit Skrillex unter Dubstep versteht. Aber eben auf die sanfte Art und Weise, die dem Song wunderbar zu Gesicht steht. "JOY" (♪♫♪) weist sich als ganz zarte, warme und romantische Ballade aus, in der sie sich mehrheitlich von Piano, Streichorchester, Chor und pulsierenden Beats begleiten lässt - kann man so stehen lassen. Mit "Hanging On" (♪♫♪) hingegen kann man hier auch ein Cover finden, das ursprünglich von der britischen Band Active Child stammt, und im vergangenen Jahr erschien. Sicherlich kann Goulding dem atemberaubenden Original hier nicht bei kommen, doch sie interpretiert ihn mehr als solide, und schneidert ihn sich auf ihre eigenen Maße zurecht. Und "Explosion" (♪♫♪) ist wieder so eine Ballade der jungen Dame, die man anfangs noch als eher durchschnittlich schelten will - ehe einem der Refrain aber dann mitten ins Herz kriecht. 
Die Musik von Ellie Goulding ist halt oft mehr, als sein erster flüchtiger Eindruck preisgeben mag. Natürlich sollte man nicht anfangen, all das künstlerisch größer und wichtiger zu reden, als es in der Tat ist - und "Halcyon" ist nun mal eine POP-Platte, nicht mehr und nicht weniger. Aber eben eine wirklich gute.


Mittwoch, 3. Oktober 2012

DISKOGRAFIE: BJÖRK

Ursprünglich der Alternative-Band Sugarcubes entsprungen, machte sich Björk seit 1993 daran, mit ihrer Musik die Popwelt zu spalten: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Mit welch einer ungebrochenen Konstanz sie sich nicht nur musikalisch, sondern auch optisch stets abstrakt und exzentrisch darstellt, ist in der (jüngeren) Musikgeschichte so nur selten anzutreffen. Und ob sie nun zukunftsweisend, minimalistisch, experimentell oder poppig klang: es war immer große Kunst. Und deshalb widme ich mich nun endlich ihrer Diskografie!




"DEBUT" (1993)

 Um die Bedeutung und Wichtigkeit von "Debut" ganz zu verstehen, muss man die Zeit verstehen, in der es erschien. In den frühen 90er Jahren zog sich eine Dance-Welle über den halben Globus, Techno entwickelte sich zum Flächenbrand, und der House eroberte langsam aber sicher die Clubs. Dies war die Zeit, in der das Debüt der Dame aus Island entstand - und durchaus seine Spuren hinterließ. Obwohl der Titel hier eher irreführend ist. Ihr eigentliches Solodebüt erschien schon 1977, im Alter von 12 Jahren, unter dem Titel "Björk". Und doch kann man durchaus "Debut" als ihr eigentliches Debüt betrachten, hatte das einstige (durchweg isländisch gesungene) Album doch herzlich wenig mit dem gemein, was hier zu hören war. Einen wirklichen roten Faden kann man hier zwar nur schwer erkennen, aber dieser erste Solo-Versuch im Erwachsenenalter zeigte ein paar erstaunliche, spinnerte und geniale Ansätze, die einst bei manchen Jubelschreie und bei anderen Stirnrunzeln zur Folge hatte. Irgendwo findet sich hier aber immer ein Song, der jeden kriegt. "Human Behaviour" (♪♫♪) ist und bleibt ein großartiges Stück Pop mit hohem Weirdness-Faktor; "Venus As A Boy" (♪♫♪) präsentiert sich als nachdenklicher Pop mit Streichern und softelektronischer Untermalung; das zum Teil auf einer Toilette aufgenommene "There Is More To Life Than This" (♪♫♪) kommt mit einem flotten Dance-Groove daher; beim housigen Kracher "Big Time Sensuality" (♪♫♪) konnte selbst der größte Kritiker nicht die Füße still halten, und "Play Dead" (♪♫♪) zeigt sie von einer düsteren, aber sehr wohl melodischen und einnehmenden Seite. Der Gesamteindruck des Albums ist aufgrund seiner stilistisch sehr unterschiedlichen Ausrichtungen vielleicht ein wenig schwammig - aber der Wichtigkeit im Pop der frühen 90er und in der künstlerischen Entwicklung Björk's, tut dies keinen Abbruch. Ein gelungener Einstand, an dem der Zahn der Zeit in Björks Backkatalog allerdings am meisten genagt hat.

 






"POST" (1995)

 Das zweite Album von Björk (fortan werde ich ihr 1977er Kindheits-Debüt "Björk" der Einfachheit halber nicht mehr mit zählen) sollte ein kleiner Quantensprung werden, im Vergleich zu ihrem Erstlingswerk. Auf der einen Seite wurden die Songs noch deutlicher greifbar, und der rote Faden noch erkennbarer, aber auf der anderen Seite wurden auch ihre Experimente noch ausgeprägter. Stilistisch tanzt sie auch hier wieder auf den verschiedensten Hochzeiten, was im Großen und Ganzen aber sogar noch besser miteinander harmonieren sollte, als das beim vorangegangenen Versuch der Fall war. Da hätten wir etwa den grandiosen und genial abgefahrenen Elektropop-Bastard "Army Of Me" (♪♫♪), der sich auf Anhieb in die Hirnwindungen fräst. "Hyper-Ballad" (♪♫♪) macht als fabelhafte und melancholisch-elektronisch schwebende Perle eine hervorragende Figur; "It's Oh So Quiet" (♪♫♪) zeigt sich als tadelloser und mitreißend stimmungsvoller Big-Band-Kracher; "Enjoy" (♪♫♪) empfiehlt sich als düster dräuender Elektropop mit Tiefenwirkung; "Possibly Maybe" (♪♫♪) kommt ganz zerbrechlich und nachdenklich daher geschwebt, und "I Miss You" (♪♫♪) entwickelt sich zur schicken, von zeitweilig tribalen Beats und fiebrigen Bläsern unterstützten Dance-Perle. Zwar hatte sie auf "Post" noch immer nicht ganz zu ihrer künstlerischen Perfektion gefunden, aber der Grundstein für folgende Großtaten war gelegt. Ein äußerst gelungenes Album, das dem Zahn der Zeit diesmal deutlich besser widerstehen konnte. 









"TELEGRAM" (1996) 

Eines sei Neulingen gleich vorweg gesagt: Nein, "Telegram" ist kein offizielles Studioalbum der isländischen Sängerin. Es war ihr erstes Remix-Album. Hier sammelte sie Remixe zu fast allen Songs ihres vorangegangenen Albums "Post", zusammengestellt mit dem Hintergedanken "fuck what people think". Bearbeitet von diversen Remixern entstand hier eine Platte, welche die bekannten Originale vermehrt nackter und minimalistischer präsentierte - wie dies etwa bei "Possibly Maybe", welches auf atmosphärischer Elektronik daher geistert, sowie dem nun nur noch von leidenschaftlichen Streichern umschwärmten "Hyperballad" zu hören ist. "I Miss You" wird mit relaxten oldschool-HipHop-Klängen entschleunigt, was sogar einen Rappart des britischen MC's Rodney P einschließt. "You've Been Flirting Again" erinnert in seiner hypnotisch elektronischen Färbung an spätere Großtaten der "Vepsertine"-Phase, ehe es von nahezu romantischen Streichern erobert wird. "Cover Me"  wird hier auf das dreifache seiner ursprünglichen Länge gestreckt, und zusätzlich mit Elektro-Elementen und stampfenden Beats angereichert. Und von "Army of Me" bleibt in seiner hier zu hörenden Fassung fast gar nichts mehr übrig, was noch an das Original erinnern würde - selbst der Gesang ist fast vollständig verschwunden. Zudem gab es hier den herrlichen "neuen" Song "My Spine"(♪♫♪) zu hören, der ursptünglich für "Post" gedacht war, doch zugunsten von "Enjoy" von dem Album entfernt wurde. Im Ganzen ist "Telegram" eine sehr interessante Angelegenheit - aber der Griff zu Original-Album "Post" ist dann doch weitaus verlockender.









"HOMOGENIC" (1997)

 Das dritte Album von Björk sollte einen Wendepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen darstellen. "Homogenic" wurde ihr erstes vollwertiges Meisterwerk, das den weiteren Verlauf ihrer Karriere maßgeblich prägen und beeinflussen sollte. Beinah ausnahmslos hervorragende Songs und futuristisch-elektronische Klänge, vereinten sich im Jahr 1997 hier zu einem der herausragendsten (Elektro-)Pop-Alben der 90er Jahre - das so manchem vor Staunen die Kinnlade herunter krachen ließ. Noch nie zuvor klang ein Album von Björk so schlüssig, gradlinig und experimentell zugleich. Und zum ersten mal konnte man so etwas wie einen deutlichen roten Faden erkennen, der sich durch das gesamte Album zieht - ohne dabei aber auch nur ansatzweise dem Gleichklang zu erliegen. Zwar kommen auch hier, ähnlich wie bei den beiden Vorgängern, die unterschiedlichsten Zutaten zusammen, aber Björk hatte sich zu einer hörbar gereiften Künstlerin gewandelt, die ihre Kräfte besser zu bündeln verstand. Zum Einstieg fesselt einen bereits "Hunter" (♪♫♪), ein düster getragenes und meisterhaftes Stück Elektropop, das von minimalistisch puckernden Beats, Marschtrommeln und Björk's zwischen sanft bis leidenschaftlich oszillierender  Stimme zusammengehalten wird. Großartig geht es dann auch sofort mit "Jóga" (♪♫♪) weiter, auf dem sich elegische Streicher, emotionale Vocals und futuristisch ungerade Elektrobeats, die klingen, als hätte man das Knacken und Splittern des Polareises in digitale Klänge gebannt, zu einem wahrhaften Meisterstück vereinen. "Bachelorette" (♪♫♪), das Herzstück der Platte, manifestiert sich mit dramatischem Gesang, schwelenden James-Bond-Streichern und experimentellen Beats, zur weit in den Himmel empor ragenden Pop-Kathedrale. Mit krachend-verzerrten Beats und minimalistischen Synthieklängen gibt sie "5 Years" (♪♫♪) zum besten, "Pluto" (♪♫♪) jagt einem als verstörendes Acid-Elektro-Rumpelstilzchen einen wohligen Schauer über den Rücken, und das grandiose "All Is Full Of Love" (♪♫♪) gibt sich als nahezu perfekte Hymne die Ehre.
"Homogenic" wurde schon zur Zeit seines Erscheinens von Kritikern vollkommen zurecht umjubelt, und ist wohl bis heute eines ihrer mit Abstand besten und überzeugendsten Werke, dem die Zeit rein gar nichts anhaben konnte. Ein Meilenstein im Elektro-Pop - und nicht weniger!









"SELMASONGS" (2000)

Im Grunde genommen ist "SelmaSongs", dass im Jahr 2000 erschien, kein reguläres Studioalbum von Björk. Die hier vertretenen 7 Songs bilden den Soundtrack zum düsteren Independent-Musical-Film "Dancer In The Dark" von Lars von Trier, in dem Björk zudem auch die Hauptrolle spielte. Ein dunkelgraues und aufwühlendes Drama, in dem Björk eine aufgrund einer Erbkrankheit fast blinde Frau mimt, die täglich hart in einer Fabrik arbeitet, um ihrem Sohn eine Operation zu ermöglichen, die ihm ihr eigenes Schicksal ersparen soll. Als sie heraus findet, dass ihr ein Freund das ersparte Geld gestohlen hat, erschlägt sie ihn im Affekt - und wird zum Tode durch den Strang verurteilt. Keine leichte Kost also - was man den von Björk vorgetragenen Songs (welche sie im Film in ihren zahlreichen Tagträumen singt) zum Glück nicht anhört. Passend zu seiner Funktion als Soundtrack, ist auf "SelmaSongs" vermehrt Orchester zu hören - dem Björk allerdings immer wieder elektronische Beats und Soundspielereien entgegensetzt. Das großartige "Cvalda" (♪♫♪), dass im Duett mit Catherine Deneuve entstand, beginnt mit Sounds aus Bohrern, Hammerschlägen und Geräuschen diverser Fabrikmaschinen, die bald einen ganz eigenen Groove bilden, ehe sich im weiteren Verlauf Glockenspiel, Streicher und Bläser hinzu gesellen. Unterlegt von Geräuschen einer Lokomotive, gibt sie dann zusammen mit Radiohead-Sänger Thom Yorke die sehnsüchtige und melancholische Perle "I've Seen It All" (♪♫♪) zum besten. Das nachdenkliche und fein elektronisch arrangierte "Scatterhaert" (♪♫♪) sollte einen ersten Eindruck davon geben, was einem auf ihrem nächsten regulären Studioalbum erwarten würde. Während des dramatisch-schönen "107 Steps" (♪♫♪) zählt sie im Film singend ihre letzten Schritte zum todbringenden Galgen, und das finale "A New World" (♪♫♪), welches sie im Film a cappella kurz vor der Vollstreckung der Todesstrafe darbietet, präsentiert sich hier als von Orchester und soften Elektrobeats unterlegte Hymne. Eine großartige Songsammlung, die den Film (für den Björk heute selber keine guten Worte mehr findet) bei weitem überstrahlt.

 







"VESPERTINE" (2001)


Wer dieses Album nicht kennt, aber im Vorwege erfährt, dass Björk hier diverse ungewöhnliche Klangquellen zusammengetragen und unzählige Soundschichten übereinandergelegt hat, um den gewünschten Sound zu extrahieren, der würde wohl etwas ganz anderes erwarten, als hier tatsächlich dargeboten wird. "Vespertine" ist eine dunkles Album, zerbrechlich und widerspenstig zugleich, aber immer auf seine eigene düstere Weise ganz und gar bezaubernd. Sie wollte ein Album für den Winter erschaffen, was ihr auch vortrefflich geglückt ist. Unterkühlte Soundscapes treffen auf experimentelle Beats und melancholische Gesänge, atmosphärische Klangwelten, und geisterhafte und doch liebevolle Song-Kunstwerke. Und so ruhig der Gesamteindruck des Albums auch sein mag, so passiert in den Details doch eine Menge - was sich vor allem bei mehrmaligem Hören heraus kristallisiert. Die erste Single "Hidden Place" (♪♫♪) stand bereits exemplarisch für den Klang des ganz Werkes: minimalistische Soundlandschaften treffen auf flüsternden Gesang und düster schwebende Chöre, untermalt mit herzschlagartigen Beats. Aus dem wunderbaren und feingliedrig arrangierten "It's Not Up To You" (♪♫♪), schälen sich klackernde Sounds, Harfen, engelsartige Chöre, leidenschaftliche Streicher und softe Beats heraus. Die berauschende Art-Pop-Perle "Pagan Poetry" (♪♫♪) bildet mit bezaubernden Spieldosen-Klängen, tief verzerrten Beats und einer himmlischen Melodie, das Herzstück dieser Platte. Und das großartige und einnehmend emotionale "Aurora" , dass mit hypnotischen Gesängen, fein frickelnder Elektronik und Harfen bezirzt, basiert auf einem Sound-Sample von Fußschritten im Schnee. Ihr ist hier wahrlich ein dunkles, aber ebenso fabelhaftes Album gelungen, das sich - wenn man ihm erst einmal die Chance gibt - fest in den Hirnwindungen verankert, und einen weiteren berauschenden Höhepunkt in Björks beispielloser künstlerischer Karriere markiert.









"GREATEST HITS" (2002) 

Knapp 10 Jahre nach dem Solo-Debüt von Björk, war es an der Zeit für einen vorläufigen Karriererückblick. Auf dem 2002 erschienenen "Greatest Hits" versammelte Björk 14 ihrer größten Hits, die alle ihre Soloalben seit "Debut" umfasste. Und das dies zu einer unschlagbaren Songsammlung führen musste, wird jedem klar sein, der die Musik der Dame zu schätzen weiß. Angeführt wird diese Compilation von dem großartigen "All is full of Love" (♪♫♪), das hier nun auch in der abgeänderten Single-Edit enthalten ist. Danach folgt ein musikalisches Feuerwerk, das sich von "Human Behaviour" und "Army of Me", über "Jóga" oder "Hunter", bis hin zu "Hidden Place" und "Pagan Poetry" erstreckt. Eine erstklassige Zusammenstellung, ganz ohne Zwiefel. Und auch die hierfür aufgenommen neue Single "It's In Our Hands" (♪♫♪) liefert ein neues Highlight, das stilistisch nahtlos an den Stil ihres letzten Album "Vespertine" anknüpft. "Greatest Hits" stellt somiz einen sehr guten Querschnitt durch ihr bisheriges Schaffen dar, welche die wichtigsten Singles von Björk auf einer Disc versammelte.

 






"FAMILY TREE" (2002)  

Zeitgleich mit der regulären "Greatest Hits", erschien ebenso eine aufwändige 6-Disc-Box, die den Namen "Family Tree" trug. Und diese macht als Alternative zum regulären Release durchweg Sinn. Jedes Disc hatte hier sein eigenes Motto. Die erste CD "Roots 1" widmete sich der Musik vor ihrem '93er Solodebüt "Debut". So hören wir hier etwa das wunderbare ""Síðasta Ég" aus ihrer Zeit mit The Elgar Sisters, das leicht strange und düster anmutende "Fuglar" ihrer 80er Jahre Anarcho-Punk-Band KUKL, oder die wunderbare erst Single "Ammæli" mit ihren Sugarcubes. Die zweite Disc mit dem Titel "Roots 2" versammelt B-Seiten und alternative Versionen einige ihrer Album-Tracks, was u.a. die zauberhafte "Hidden Place"-B-Seite "Mother Heroic" (♪♫♪) einschließt. Die dritte Disc "Beats" fokussierte Songs mit elektronischerem Einschlag, wie etwa auch das famose und futuristische "Nature is Ancient" (♪♫♪). Die vierte und fünfte Disc, "Strings 1" und Strings 2", bestanden dann wiederum aus Live- und Studio-Aufnahmen diverser Album-Tracks mit Begleitung des Streicher-Quartetts Brodsky Quartet. Und die letzte und sechste Disc stellt eine alternative "Greatest Hits" dar, die im Gegensatz zur regulären, parallel  erschienen Compilation, von Björk selbst zusammengestellt wurde, und sich so zum Teil von der Tracklist unterschied. So bedachte sie etwa auch 2 Stücke aus dem "Dancer in the Dark"- Soundtrack "SelmaSongs", welches auf der herkömmlichen Version komplett außen vor gelassen wurde. Einziger Wermutstropfen: den auf der regulären Fassung enthaltenen neuen Song "It's In Our Hands", sucht man hier vergebens. Dennoch stellt "Family Tree" eine hervorragendes Box-Set dar, welches noch ausführlicher die Geschichte der Sängerin erzählte. 










"MEDÚLLA" (2004)


Mit diesem Album war der Moment gekommen, in dem sich Björk endgültig von Formatradio und Musikfernsehen los sagte. Denn was sie der Welt mit "Medúlla" lieferte, sollte die Gemüter endgültig spalten. Zu verkopft und experimentell empfanden sie die einen - während die anderen staunend vor diesem Meisterstück hockten, noch unfähig all die seltsamen und überwältigenden Strukturen und Sounds einzuordnen, die scheinbar unentwegt auf einen einströmten. Dabei war der Ursprung aller hier gehörten Klänge, in einer einfachen und allgegenwärtigen Quelle auszumachen: der menschlichen Stimme! Eben daraus hat Björk hier alle nur erdenklichen Klänge destilliert. Vom Heulen, Jaulen, Jauchzen, Keuchen und Stöhnen, von Chören, über Beatbox, bis hin zu am Computer bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Tönen, ist hier die volle Bandbreite des menschlichen Kommunikationsorgans zu hören. Und das erstaunlichste bei all dem: Wenn man es nicht wüsste, man würde meinen Synthesizer und diverse undefinierbare Instrumente wahrzunehmen. Denn was Björk hier schuf war ganz große Kunst, die sie mit einem Schlag wieder mal ganz an die kreative Spitze im Pop katapultierte. Oder um es mit den Worten des Musikexpress auszudrücken, in dessen Leserpoll Björk im selben Jahr die Liste der besten Solokünstlerinnen anführte: "Auf dem ersten Platz kommt Björk - und danach lange nichts!" Und den Grund dafür, konnte und kann man noch immer in praktisch jedem einzelnen Song hören. Im melancholischen, von dunklen Chören und verzerrtem Keuchen unterlegten Opener "Pleasure Is All Mine". Oder im düsteren, von manischen und futuristisch-markanten Beatbox-Effekten, sowie schwerelosen Chorgesängen begleiteten "Where Is The Line" (♪♫♪). Hinter den johlenden und flötenden Stimmsamples und dem triphopigen Beatboxing von "Who Is It"(♪♫♪), hält sich in Wirklichkeit nicht anderes als ein nahezu catchy Ohrwurm versteckt. "Desired Constellation" (♪♫♪) offenbart sich als melancholisch-emotionales Meisterstück, dessen atmosphärisches und den gesamten Song dominierendes Flirren, aus einem Stimmsample von Björk's Song "Hidden Place" entstand. "Oceania" (♪♫♪) präsentiert eine fabelhafte und unmittelbar einnehmende Art-Pop-Perle, das ruhige "Sonnets/Unrealities XI" nimmt hingegen gar wahrhaft sakrale Formen an, und auf "Ancestors" bilden Stöhnlaute und krudes Knurren eine geschlossene Einheit mit Björk's überirdischen Gesängen. Ein wahrlich erhabenes und zugleich dunkles Meisterwerk hat Björk hier geschaffen, dessen emotionale und künstlerische Tiefe sich unmöglich nach wenigen Hördurchläufen erschließen lassen. Dieses Album braucht Zeit um sich ganz zu entfalten. Doch hat es einen erst einmal ganz gepackt (und das wird es zweifellos), lässt es einen nicht wieder los. Ein Triumph!










"DRAWING RESTRAINT 9" (2005) 

Aus dieser Diskografie sticht "Drawing Restraint 9" wohl am stärksten heraus. Denn ebenso wie beim 2000er "SelmaSongs" handelt es sich auch hier um kein offizielles Studioalbum. Auch dies ist ein Soundtrack, von Björk erarbeitet für den gleichnamigen Experimentalfilm  ihres Lebensgefährten Matthew Barney. 'Ähnlich experimentell wie in dem Film, der auf einem japanischen Walfänger spielt, und in seinen gut 130 Minuten Spieldauer nur einen einzigen (japanischen) Dialog enthält, geht es hier auch musikalisch zu - so kommt hier etwa auch oft das japanische Instrument Shō zum Einsatz, welches der Musik einen ganz eigenen Klangcharakter verleiht. Auch vergangene Experimente werden hier erneut aufgegriffen - so kann man im düster getragenen und diabolisch anmutenden "Pearl" ähnliche Stimmexperimente wahrnehmen, die ihr vorangegangenes Album "Medúlla" prägten, während das bezaubernde "Ambergis March" Erinnerungen ihres 2001er Albums "Vespertine" mobilisiert. Und solche von dramatischen Bläsern dominierten Stücke wie "Hunter Vessel" oder "Vessel Shimenawa",  sollten einen deutlichen Einfluss auf einige Stücke ihre folgenden Studioalben "Volta" und "Biophilia" ausüben.  Doch wo der vorangegangene Soundtrack "SelmaSongs", der im Grunde als eigenständiges Album durchgehen kann, durchweg neue famose Songs von Björk hochpersönlich darbot, hält sie sich gesanglich auf dieser Arbeit geflissentlich zurück. Nur in wenigen Stücken dieses Soundtracks ist sie zu hören. So etwa im fragilen, aber wunderbaren "Bath" (♫♪), dem grandios atmosphärischen "Storm" (♪♫♪), oder dem leidenschaftlich verträumten "Cetacea" (♪♫♪). Trotzdem ein kunstvoller Soundtrack, den es durchaus zu entdecken lohnt - wenn auch wohl am ehesten für Fans der Künstlerin brauchbar.








"VOLTA" (2007)


Es ging schon ein erstauntes und oft auch empörtes Raunen durch die Reihen der Musikkenner, als noch vor Release von Björks 2007er Album "Volta" bekannt wurde, dass der unvermeidliche Timbaland an der Produktion ihrer neuen musikalischen Kopfgeburt teilhaben würde. Eben jener Produzent, der zur selben Zeit die gefühlte Hälfte der westlichen Chartswelt mit Mainstream-Hits bestückte. Eigentlich ein Kreis, in dem sich die exzentrische Isländerin weniger bewegt. Doch eine gewisse Erleichterung machte sich breit, als sich herausstellte, dass die Liaison sich über nur knapp 3 Songs erstrecken sollte. Jedoch wurde schon beim ersten Hören klar, dass alle Sorgen unbegründet waren: auf dem famosen Opener "Earth Intruders" (♪♫♪) sind zwar Timabaland-ähnliche Strukturen deutlich zu erkennen, die Björk aber mit genügend eigenwilligen elektronischen Eigenheiten sabotiert, um ihren eigenen Stil nicht zu verwässern, oder gar endgültig dem Mainstream preiszugeben. Ähnliches ist auch beim großartigen "Innocence" (♪♫♪) zu vermerken, auch wenn selbiges noch mal zusätzlich eine kräftige Schippe Exzentrik zulegt. Und im deutlich ruhigere Saiten anschlagenden "Hope" (♪♫♪), ist sein Einfluss sehr gedämpft, der sich hier aber auch nur auf das Co-Songwriting beschränkt. Und auch sonst hat "Volta" so einige Perlen in petto. So gerät "Wanderlust" (♪♫♪) zur atmosphärischen, von ungeraden Beats getragene Hymne; auf dem wundervollen und emotionalen, von majestätischen Bläsen angeführten "The Dull Flame of Desire" (♪♫♪), sowie der zärtlich fragilen Ballade "My Juvenile" (♪♫♪), macht sie gemeinsame Sache mit Antony Hegarty (von Antony & The Johnsons); "Pneumonia" erklärt sich als grandiose und vor Emotionen nur so berstende Ballade, in der sie ein paar einsame Bläser hoch hinauf in den Himmel tragen; und mit dem radikal kratzbürstigen "Declare Independence" (♪♫♪) gibt sie uns in Form von Elektro-Rock-Elementen und fiesen Acid-Sounds, ordentlich einen auf die Mütze. Ein äußerst gelungenes Album - welches allerdings das erste seit langer Zeit darstellt, das einen greifbaren roten Faden, oder ein übergeordnetes Konzept vermissen lässt. Es ist vielmehr ein Querschnitt aus ihrern poppigeren Tagen der 90er Jahre, und ihrer experimentelleren Phase in den 00ern. Und auch wenn das ganze am Ende nicht so schlüssig klingt wie seine Vorgänger, so gelang ihr doch auch ihr ein famoses Werk, das noch heute zu begeistern weiß.








"BIOPHILIA"  (2011)

Manch einen Fan von Björks Experimenten der vorangegangenen Alben, dürfte ihr bis hierher letztes Album "Volta" ein wenig verunsichert haben. Trotz seiner hohen Qualität, vermissten selbige allzu schmerzlich das übergeordnete Konzept, das seit Jahren ihre Kunst prägte. Doch mit ihrem 7. Studioalbum aus dem Jahr 2011, sollte sie ihre Fans voll und ganz entschädigen. Denn "Biophilia" sollte ein Konzeptalbum in mehrerer Hinsicht werden. Zum einen stellt es das erste App-Album der Welt dar: natürlich gab und gibt es das Album als regulären physischen Tonträger und Download, doch der ursprüngliche Gedanke war ein Release in Form einer Reihe von interaktiven Apps, die für das iPad von Apple kreiert wurden, und auf die der Nutzer selbst einwirken und so zum Teil die Songs sogar verändern kann. Zum anderen trieb sie hier der Anspruch, stilistisch als auch inhaltlich Naturphänomene mit  Musik zu verbinden - was wiederum auch optisch in den dazugehörigen Apps verdeutlicht wird. Die wunderbare Ballade "Moon" (♪♫♪) etwa, scheint durch verschiedene sich wiederholende Klang-Zyklen, die Rotation des Erdtrabanten zu symbolisieren. Das atmosphärische, von Sequenzer-Klängen dominierte "Thunderbolt" (♪♫♪) enthält Arpeggios, welche die Zeitspanne zwischen Blitz und Donner darstellen sollen. Die erste und grandiose Single "Crystalline" (♪♫♪) beschäftigt sich thematisch mit Kristallstrukturen, und bewegt sich als experimentell veranlagter, aber hochmelodischer Elektro-Pop im Terrain der "Verspertine"-Ära, bis es am Ende von einer famosen Drum'n'Bass-Einlage sabotiert wird. "Dark Matter" (♪♫♪), welches in der von Björk bekannten Kunstsprache Glibberish vorgetragen wird, setzt sich mit dunkler Materie auseinander, und kommt passend dazu als düster getragener Art-Pop daher. Das dunkle, von bedrohlich orgelnden und elektronischen Klängen durchsetzte "Hollow" (♪♫♪), setzt sich mit der menschlichen DNS auseinander, während das musikalisch in zauberhaft schöne Klänge gebannte "Virus" (♪♫♪) von einer parasitären Liebesbeziehung kündet, wie sie zwischen Virus und Zelle herrscht. "Mutual Core" (♪♫♪) ist eine wahrhaft berauschende Elektro-Art-Pop-Hymne, die zwischen bedächtig orgelnden Versen, und explosiv mitreißenden Refrains pendelt, und die Bewegung der tektonischen Platten versinnbildlicht. Und die warme, minimalistisch aufgebaute, aber emotional eindringliche Ballade "Solistice",  nimmt in seiner Klangstruktur Bezug auf die Bewegung der Planeten und die Erdrotation. "Biophilia" ist ein höchst inspiriertes und wundervoll experimentierfreudiges Gesamtkunstwerk, mit dem Björk ein weiteres Meisterstück ablieferte. Und zudem versehen mit einem genialen Konzept, auf das Darwin mit Sicherheit stolz gewesen wäre.