♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Dienstag, 29. September 2015

Besprochen: RYAN ADAMS - "1989"

Songs covern kann ja jeder. Aber weil Ryan Adams bekanntlich nicht wie jeder ist, nimmt er sich einfach mal ein ganzes Album vor - und lässt Taylor Swift's letztjähriges Album "1989" in seiner Interpretation weit über sich selbst hinaus wachsen.

Wer den amerikanischen Musiker Ryan Adams kennt, der weiß auch was für ein äußerst umtriebiger Künstler er ist. Neben vor allem zahlreichen eigenen Songs (denn auch mehrere Alben in einem Jahr sind für ihn nicht unbedingt ungewöhnlich), ist er auch bereits für einige sehr wunderbare Coverversionen bekannt. Und nachdem der Herr sich erst im letzten Jahr mit seinem bislang letzten Album "Ryan Adams" immer noch in Höchstform zeigte, hat er sich dieses Jahr nun für ein ganz besonderes Projekt entschieden, das einem einerseits gehörig Respekt abverlangt und das  andererseits auch mächtig erstaunt. Denn sein neues und 15. Studioalbum ist nichts anderes als ein vollständiges Cover von Taylor Swift's letztjährigem Millionen-Seller "1989". Zwar stammt Swift bekanntlich aus Country-Pop-Wurzeln (wenn auch in ziemlich seichtem Gewand) aber "1989" war ihr erstes wahrhaftes Pop-Album, das so Pop war, wie es nur sein konnte. So entstammen auch fast alle Songs des Albums der Zusammenarbeit mit dem schwedischen Songwriter/Produzenten Max Martin, der in den letzten 20 Jahren unzählige Welthits für u.a. Ace of Base, die Backstreet Boys, N'Sync, Celine Dion, Britney Spears, Pink oder Katy Perry besorgte. Dementsprechend eine vollkommen andere Baustelle, als eben jene, auf denen sich Adams für gewöhnlich so austobt und die von Indiepop über Rock'n'Roll und bis hin zu Alternative-Country reichen. Und so macht sich der gute Mann hier das Album der Swift einfach mal vollständig zu eigen, indem er es auf seine ganz eigene Weise neu interpretiert. So wird schon gleich der Opener "Welcome To New York" (♪♫♪), der im Original eine eher mittelmäßige Synthpop-Nummer war, in Adams Händen zu einem leidenschaftlichen Rock-Hit. Der schmachtend melodische Pop-Ohrfänger "Blank Space" verwandelt sich hier zur emotionalen und minimalistischen Folk-Ballade, die schillernde Disco-Funk-Pop-Nummer "Style" (♪♫♪) mutiert zur fantastischen und atmosphärischen Indierock-Hymne mit leichtem 80's-Touch, und das in seiner Urfassung recht neutral popige "Out of the Woods" kommt nun noch melancholischer, emotionaler und irgendwie auch eine Spur "barocker" daher. 



Laut Adams selbst, wollte er das Album im musikalischen Stil der britischen Band The Smiths inszenieren - was einem auch besonders bei seiner großartigen Interpretation des ursprünglichen Dance-Pop-Ohrwurms "All You Had To Do Was Stay" (♪♫♪) auffällt, welcher nun ziemlich deutlich an den Indie-Pop der legendären britischen Band zu erinnern vermag. Bei seiner Version des Welthits "Shake It Off" (♪♫♪) blitzen diesbezüglich ebenfalls leichte Erinnerungen auf, doch auch vage Alternative-Country-Andeutungen und ein paar minimalistische Synthies kommen zum Einsatz. Trotz manch hörbarer Einflüsse, klingt das meiste hier jedoch vor allem ganz nach ihm selbst - und das ist auch gut so. Das im Ursprung in eine Pop-Richtung á la Lana Del Rey pendelnde "Wildest Dreams" (♪♫♪), hätte in Adams' nachdenklicher und warmer Indie-Pop-Fassung etwa auch ganz großartig auf sein Meisterwerk "Love is Hell"  gepasst. Das lockerflockige und melodisch tänzelnde "How You Get The Girl" (♪♫♪) denkt er dann kurzerhand zu einer beinah traurigen Singer/Songwriter-Ballade um, während er dann "This Love" (♪♫♪) seiner Ausgangsfassung ähnlich auch im balladigen Umfeld ansiedelt, den Song aber in derartige emotionale Höhen katapultiert, wie man es beim Original nicht mal hätte erahnen können. Und "Bad Blood", angeblich so etwas wie Talyor Swift's musikalische Kriegserklärung an Katy Perry, lässt Ryan Adams aus seiner Sichtweise nun als zeitlos famose Indie-Pop-Perle erstrahlen - und lässt dabei auch gleich das eh schon tolle Original weit hinter sich.   



Doch diese letzte Bemerkung lässt sich auch ganz wunderbar auf das gesamte Album anwenden. Zwar war auch das Original von Taylor Swift ein tolles und mitreißendes Pop-Album, das auch zurecht solch einen Erfolg einfuhr - aber was Ryan Adams daraus gemacht hat, fällt auf seine Weise nochmal eine ganze Spur atemberaubender und eindringlicher aus. Letztendlich stellen beide Versionen - trotz identischer Songs, aber durch komplett unterschiedliche Herangehensweisen - im Grunde für sich völlig eigenständige Platten dar. Und auch in jeder Plattensammlung können die beiden problemlos friedlich nebeneinander koexistieren. Aber Ryan Adams hat aus "1989" nun ein so erstaunlich zeitloses Meisterstück heraus gekitzelt, dass seine Interpretation  in Zukunft ohne jeden Zweifel meine erste Wahl sein wird.


Freitag, 25. September 2015

Besprochen: LANA DEL REY - "HONEYMOON"

Irgendwie paradox, aber doch vor allem wunderbar: auf ihrem 4. Album "Honeymoon" zelebriert Lana Del Rey den künstlerischen Rückschritt auf überraschend hohem Niveau!

Lana Del Rey hatte dem zeitgenössischen Pop ja gerade noch gefehlt - und das ist auch ganz ohne die Ironie gemeint, die dieser Redensart sonst oft innewohnt. Denn trotz all der anfänglichen und nicht ganz unberechtigten Skepsis gegenüber dem Hype um die Dame, sowie um ihr insgesamt relativ durchwachsenes Durchbruchsalbum "Born To Die" aus dem Jahr 2012, konnte man der Amerikanerin nie den beliebten und oft auch berechtigten Vorwurf machen, sie würde nur auf einen rollenden Zug aufspringen. Lana machte es sich stattdessen in einer Nische gemütlich, die bis dahin im Pop vollkommen unbesetzt war. So flirtete sie seit eh und je ausgiebig und leidenschaftlich mit dem romantisierten Zeitgeist  eines  längst vergangenen Amerikas, bei dem man unweigerlich an die Ära von James Dean, Marilyn Monroe oder Jim Morisson denken muss. Auf ihrem Zweitwerk "Born To Die" war das durchaus schon recht gut zu erkennen, doch war hier einiges einfach noch zu "billig" produziert. Doch schon kurz darauf konnte sie das mit der famosen "Paradise"-EP spielend ausgleichen, die das eigentliche Album weit überstrahlte. Und was sie dann im letzten Jahr fantastisches auf ihrem 3. Album "Ultraviolence" anstellte, sitzt einem immer noch in den Knochen. Zusammen mit Produzent Dan Auerbach von The Black Keys zauberte sie dort nicht nur eine deutlich spürbare künstlerische und stilistische Weiterentwicklung, sondern auch gleich ein so kunstvolles, einnehmendes, düsteres und doch wunderschönes Meisterstück, dass es für mich bis heute zurecht eines der besten Platten seines Jahrgangs darstellt. Bis hierher konnte man bei Lana Del Rey eine kontinuierlich ansteigende musikalische Qualität und künstlerische Entwicklung beobachten, sodass es auch alles andere als verwunderlich erschien, dass man sie immer mehr als eigenständige Künstlerin akzeptierte. Und auch was schon im Vorwege über ihr neues Album bekannt wurde, ließ an der Fortführung dieser Entwicklung kaum einen Zweifel aufkommen. Allen voran etwa der Titelsong "Honeymoon" selbst: eine ganz wunderbare, von Streichern und Piano eingerahmte, cineastisch-emotionale Ballade, die einem sofort  Bilder wie aus den klassischen Hollywood-Dramen früherer Tage vor das innere Auge projiziert. 


 
Und betrachtet man nun das gesamte Album, so merkt man, dass sich soundtechnisch wieder etwas merkbar gegenüber dem Vorgänger verändert hat. Nur diesmal vielleicht nicht so ganz in die Richtung, in die ich es erhofft hatte. Oder wollte man es kritischer ausdrücken: wenn "Ultraviolence" ein künstlerischer Schritt nach vorne war, so ist "Honeymoon" nun ein halber Schritt zurück. So bewahrheitet sich hier auch offiziell das, was die Sängerin zuvor verriet: der Sound entfernt sich hier hörbar von dem des letzten Albums und bezieht sich wieder stärker auf die "Born To Die"/"Paradise"-Phase. So hat sie hier auch wieder Rick Nowels als Co-Songwriter und -Produzent verpflichtet, der ja bereits an dieser Phase beteiligt war. Aber das ist alles in allem natürlich kein Grund zur Sorge. Denn diese frühere Phase war ja mitunter durchaus fruchtbar. Und auch auf "Honeymoon" hat uns Lana wieder einige ganz wundervolle, wie aus der Zeit gefallene Songperlen gezaubert. So zeigte sich schon die offizielle erste Single "High By The Beach" als ein überaus fähiger Popsong, aber auch die neue und zweite Single "Music To Watch Boys To" (♪♫♪) erweist sich als sinnlich-getragene Pop-Perle, die noch wesentlich stärker hängen bleibt. Einige Albumtracks bieten aber noch mehr Potential. So etwa die großartige, emotionale und verträumte Ballade "Terrence Loves You" (♪♫♪), die mit getragener Atmosphäre und Jazz-Einflüssen spielt - und letzteres betrifft so ähnlich dann auch das atmosphärisch-schillernde "Art Deco" (♪♫♪), welches auch unbedingt als eines der Highlights der Platte anzusehen ist. Welche aber doch recht zahlreich vertreten sind. Denn auch das leidenschaftliche und beinahe schon erhabene "Religion" (♪♫♪), dass großartige, düster schattierte und in Auszügen fast epische "The Blackest Day" (♪♫♪) oder die zeitlose, schwermütig-schöne und getragene Ballade "24" (♪♫♪) sind ziemlich großes Kino. Ebenso wie aber auch ihre Version des Klassikers "Don't Let Me Be Misunterstood" (♪♫♪), der ja schon in vielen berühmten Versionen dargeboten wurde. Lana Del Rey orientiert sich hier zwar schon ein klein wenig in die Richtung des Originals von Nina Simone aus dem Jahr 1964, arbeitet aber dennoch mit der berühmten (in ihrem Fall allerdings von einer Orgel gespielten) Hookline, welche The Animals dem Song in ihrer 1965er Version in dieser populären Form zu ersten Mal hinzufügten. Aber dennoch klingt der Song am Ende hauptsächlich wieder ganz nach Lana selbst - und vor allem ganz wunderbar.



Gesamt betrachtet hat uns Lana Del Rey mit "Honeymoon" ein zeitloses und bezauberndes Album gebastelt, das wieder mit so manch einer schmachtenden Perle aufwarten kann. Und doch hat es wie bereits erwähnt gegenüber seinem Vorgänger knapp das Nachsehen. So war es doch gerade der spürbare soundästhetische Wandel, der für mich den ganz besonderen Reiz auf "Ultraviolence" ausmachte. Ihre nun schnelle Rückkehr zum bislang gewohnteren Stil mutet da vielleicht anfangs ein wenig banal an - denn künstlerische Weiterentwicklung sieht ja nun einmal anders aus. Aber hört man genau hin, kann man nur in jeder denkbar positiven Hinsicht sagen, dass "Honeymoon" so etwas wie einen kleinen künstlerischen Rückschritt auf hohem Niveau darstellt. Und damit kann man wohl auch durchaus gut leben.