♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Sonntag, 29. September 2013

Besprochen: JUSTIN TIMBERLAKE - "THE 20/20 EXPERIENCE - 2 OF 2"

 Der König ist tot, es lebe der König - Klappe, die Zweite:
Mit dem zweiten Teil seiner "The 20/20 Experience" kann Justin Timberlake das hohe Niveau des Vorgängers fast vollständig halten - und verlangt nun quasi endgültig nach dem offiziellen Titel des neuen King of Pop.

Es war ja zurecht eine große Aufregung, als Justin Timberlake im März diesen Jahres mit "The 20/20 Experience" sein 3. Album vorlegte. Nicht nur, dass er es nach seinen Anfängen bei N'Sync mit seinen ersten beiden Solo-Alben "Justified" (2002) und "Futuresex/Lovesounds" (2006) geschafft hatte, sich den Ruf als exzellenter und ernst zu nehmender Sänger, Songwriter und Produzent zu erarbeiten. Denn zudem war es seit Jahren still um ihn als Musiker geworden, während er sich mehr auf seine Schauspielkarriere konzentrierte ("The Social Network") - und so wurde der Hunger nach neuem Material fast ins unermessliche gesteigert. Ganze 7 Jahre sollte es bis zu neuem Solomaterial des jungen Mannes dauern - doch diese Wartezeit sollte sich lohnen. Denn was er da im Frühjahr vorlegte, war nichts geringeres als sein bisher bestes Album! Und es war eben deshalb so gut, weil er nicht - wie zuletzt auf dem Vorgänger - versuchte, den Sound des Pop der Zukunft zu kreieren, sondern sich auf Inhalt, Tiefe und Zeitlosigkeit konzentrierte. Aber das war dann auch noch lange nicht alles - denn schon kurz nach Veröffentlichung kam heraus, dass im Herbst ein weiteres neues Album kommen sollte: "The 20/20 Experience - 2 of 2" heißt das neue Album, dass nun den Vorgänger als großes Gesamtwerk komplettiert - passend dazu wird es mit Erscheinen der neuen Platte auch ein Paket geben, welches beide Alben enthält, und den Titel "The 20/20 Experience: The Complete Experience" tragen wird. Vorab gab es ja bereits die erste Single daraus zu hören, die ohne Zweifel wieder eine hervorragende war: der verdammt schicke und stark discoide RnB-Kracher "Take Back The Night", der deutlich an Michael Jacksons "Off The Wall"-Phase erinnert. Und er zeigt ganz klar, die diese Fußstapfen für ihn keineswegs zu groß sind!


Und hat man erst einmal das Album in ganzer Länge genossen, stellt sich eine vergleichbare Begeisterung ein, die auch schon den Vorgänger begleitete. Doch Obacht: auch hier ist für manch einen das mehrmalige Hören empfohlen, wodurch die unterschiedlichen Elemente der Musik, sowie ihre wahre Größe erst richtig zur Geltung kommen. Auf "The 20/20 Experience - 2 of 2" setzt Timberlake konsequent und erhobenen Hauptes eben den Weg fort, den er mit dem 1. Teil einschlug - und das ist auch verdammt nochmal die genau richtige Entscheidung gewesen. Wieder einmal verweigert er sich auch auf dem zweiten Teil überwiegend der radiofreundlichen Song-Spieldauer. Die kürzesten Stücke drehen sich um die 5-Minuten-Marke, während sich der Rest zwischen 7 und 10 Minuten abspielt! Und dennoch hört man gerade hier doch mehr oder weniger deutliche Bezüge zu seinen ersten beiden Werken, ohne sich dabei zu wiederholen, als vielmehr bewusste Bezüge zum eigenen Schaffen zu übernehmen, und für die Gegenwart neu aufzubereiten. So nehme man etwa die neue Single "TKO" (♪♫♪), welche einen fabelhaften Pop-Song darstellt, der doch recht deutlich an "Cry Me a River"-Zeiten erinnert. Währenddessen orientiert sich der funky und poppige Opener "Gimme What I Don't Know (I Want)" (♪♫♪) stärker an die "Futeresex/Lovesounds"-Phase, was man auch dem hervorragenden "True Blood" (♪♫♪) nachsagen kann: èin groovig produzierter Brocken von einem Song, der sich über fast 10 Minuten erstreckt. Doch das nutzt Justin mal wieder für etwas, was für ihn ja mittlerweile zum Markenzeichen wurde: wie schon auf beiden letzten Platten des häufigeren geschehen, arbeitet er auch hier wieder mit Breaks, sowie Stimmungs- und Stilwechseln. 

Als weiteres Highlight wäre vor allem "Amnesia" (♪♫♪) zu nennen, welches sich schnell als exzellenter Pop-Song zeigt, der durchaus Zeug und Klasse hätte, zu einem zukünftigen Klassiker zu avancieren - ein Single-Release wäre daher dringend erwünscht! Und auch "Only When I Walk Away" (♪♫♪), welches eine Spur "roher" inszeniert ist, und vermehrt von E-Gitarren ausgeschmückt wird (und sich nach dem Break zu einem groovigen und minimalistischen RnB-Meisterstück entwickelt), gibt ebenso einen echten Hingucker ab. Ach, und wenn das romantische Pop-Herz noch mehr braucht, kann es gen Ende wunderbar zum warmherzigen "Not a Bad Thing" (♪♫♪) dahin schmelzen - dem dann fast nahtlos als Hidden Track die nicht minder schöne, in zärtliche Akustikgitarren und Streichern gebettete Ballade "Pair of Wings" folgt.

Wenn man allerdings unbedingt Kritikpunkte sucht, findet man diese höchstens im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger. So kann "The 20/20 Experience - 2 of 2" zwar ein durchweg hohes Niveau liefern, aber es wirkt möglicherweise nicht ganz so in sich geschlossen, wie dies sein Vorgänger tat - der Gesamtsound klingt vielleicht etwas relaxter als zuletzt, und womöglich nicht immer so unmittelbar zwingend. Doch damit soll seine Leistung in keinster Weise schlecht geredet werden - denn ohne die direkte Gegenüberstellung, die anhand des hier zugrunde liegenden Konzepts ja nur ganz natürlich ist, würde all dies vermutlich überhaupt nicht auffallen. So ist Justin mal wieder ein fabelhaftes Album, und zusammen genommen ein schlichtweg großartiges Gesamtwerk gelungen, mit dem er sich erneut weit von seiner (männlichen) Konkurrenz im zeitgenössischen Pop abhebt.


Besprochen; CASPER - "HINTERLAND"

 Casper gibt sich auf seinem neuen Album ganz der Weiterentwicklung hin - und schafft dabei einen weiteren kreativen Meisterstreich, der mehr als einfach nur HipHop ist.

Mit der Erwartungshaltung ist das ja immer so eine Sache! Gerade nach einem hoch umfeierten, und bestenfalls zudem auch sehr erfolgreichen Album, läuft fast ein jeder Künstler erst einmal Gefahr, den hoch gesteckten Erwartungen von Kritikern und Fans nicht gerecht werden zu können. Grob gesprochen geht es für den Künstler um die zentrale Frage, wie es danach weitergehen soll: Beständigkeit oder Weiterentwicklung? Beide Szenarien bergen eigene Risiken. Geht der Künstler den zuvor eingeschlagenen Weg nahtlos weiter, werden die einen loben, dass er sich selbst treu bleibt, während andere von künstlerischem Stillstand predigen. Geht er allerdings neue Wege, und schlägt den Pfad der Weiterentwicklung ein, werden manche ihm voll begeisterter Neugier folgen, während andere am Wegesrand hocken bleiben, und den "guten, alten Tagen" nachtrauern. Eines ist sicher: allen recht machen kann man es nie! Und dieses Schicksal wird vermutlich auch das neue Album "Hinterland" von Casper ereilen. Schon jetzt - erst kurz nach Veröffentlichung der neuen Platte - kann man alle nur denkbaren Meinungen von Fans und Hörern vernehmen. Denn Casper entschied sich hier eindeutig für die Weiterentwicklung. Wobei der junge und hoch talentierte Musiker auch mit seinem letzten, und sowohl umfeierten als auch höchst erfolgreichen Album "XOXO" in keine Schublade zu passen schien - zumindest nicht, ohne das Arme, Beine, Kopf und Arsch in alle Richtungen hinaus ragen sollten. Casper vereinte seine ganz eigene, unnachahmliche Art und Weise des Rappens mit größtenteils lebendigen bis tiefgründigen Texten, und kräftigen Bezügen zur Indie-Musik - und bündelte all dies zu einem hervorragenden Album, das auf gewisse Weise die Vorstellung von zeitgenössischem deutschen Rap neu definierte. Das war neu, frisch und in höchstem Maße sympathisch. Eindringlichkeit und Authentizität, statt falschen Posen und großkotzigen HipHop-Klischees. Ja, man war und ist gar gewillt, sich hier der Genre-Bezeichnung "HipHop" gänzlich zu verweigern. Denn "XOXO" war so viel mehr als das. Und auf "Hinterland" entwickelt er sich noch eine ganze Ecke weiter - und ich kann zumindest für mich sprechen, wenn ich sage: man möchte ihn in den Arm nehmen, und ihm unablässig für die Entscheidung danken! Hätte er genauso weiter gemacht wie zuletzt, hätte er es schwer gehabt, dem direkten Vergleich zum Vorgänger zu bestehen. So entgeht "Hinterland" dem auf gewisse Weise, indem er neue Wege erforscht, und dennoch gleichzeitig ganz er selbst bleibt. Er flirtet auch hier wieder deutlich mit Elementen des Indie, wie er das schon auf der ersten Single "Im Ascheregen" verdeutlichte: ein famoses und eindringliches Meisterstück, dass nicht allzu weit vom einem Klangkosmos á la Coldplay & Co. entfernt ist, und der inhaltlich durchaus Raum für Interpretationen lässt.


Und ähnlich fabelhaft ging es dann auch sogleich auf der zweiten Vorab-Single weiter: der großartige Titelsong "Hinterland" (♪♫♪), der einen nachdenklichen Text mit Folk-Pop-Anleihen anreichert. Das machte ja allein schon großen Hunger - den Casper aber mit dem restlichen Album vortrefflich zu stillen vermag, indem er uns ein reichhaltiges und abwechslungsreiches 11-Gänge-Menü serviert, das ein wahrer Gaumenschmaus für Musikliebhaber sein kann. So geht er auf "...Nach der Demo ging's bergab!" äußerst stimmungsvoll mit irgendwie beatlesk anmutenden, beherzten Pianos und Bläsern zu Werke, und auf "Jambalaya" legt er ein schickes, mitreißend party-taugliches Tempo auf's Parkett, während eine Art Cheerleader-Chor ein paar herrliche Reime skandiert. Im tief melancholischen und ebenso famosen "Lux Lisbon" lässt er sich SEHR gelungen von Editors-Frontmann Tom Smith begleiten, mit "Ariel" gibt er ein nachdenkliches, eindringliches und fast schwebendes Highlight zum Besten, gemeinsam mit Kraftclub gestaltet er "Ganz schön okay" zu einem weiteren potentiellen Hit, und mit "La Rue Morgue" versprüht er eine herrlich angestaubte Art von Nachtclub-Atmosphäre, die sich u.a. aus summenden und singenden Chören, Akustikgitarren, Retro-Orgeln und erhabenen Bläsern zusammen fügt.  Und wenn man denkt, das man das Beste schon gehört hat, entlässt er uns zum Finale mit dem tadellosen Closer "Endlich angekommen" aus dem neuen Album, in dem er auf melancholisch-schöne Weise, und über eine Spiellänge von fast epischen 6½ Minuten, seinen eigenen rasanten Aufstieg reflektiert.

Man kann sich eigentlich nur freuen über dieses Album, in dem er noch mehr verschiedene Zutaten als zuletzt zu einem äußerst schmackhaften Indie-HipPop-Süppchen zusammen rührt, und noch konsequenter die eigentlich so eng abgesteckten Grenzen seines musikalischen Umfeldes ignoriert. Man kann allerdings natürlich auch weiterhin dem Sound früherer Tage nach jammern, und "Hinterland" in die hintersten Winkel des musikalischen Langzeitgedächtnisses verbannen - nur verpasst man dann auch leider ein tolles Album, das qualitativ die deutsche HipHop-Szene mal wieder kräftig aufmischen wird. 

Donnerstag, 19. September 2013

Besprochen: ARCTIC MONKEYS - "AM"

Nachdem die Band auf ihrem letzten Album fast schon von sich selbst gelangweilt schien, finden die Arctic Monkeys auf ihrem neuesten Werk endlich wieder zu ihren alten Stärken zurück!

Es war einmal die sogenannte "England-Welle", wie sie seinerzeit gerne genannt wurde. Musikliebhaber werden diese kurze, aber äußerst fruchtbare Phase in der jüngeren Musikgeschichte noch gut in Erinnerung haben, in dem junge britische Bands plötzlich wieder so voller Elan, Inspiration und Dynamik zu Werke gingen, dass man schon fast glauben wollte, dass da irgendetwas im Trinkwasser sein musste. Gerne werden die betreffenden Bands auch als die "Class of 2005" bezeichnet - wobei es sich nicht allein auf dieses eine Jahr beschränkte. Denn die erste heftige Woge kam schon 2004 mit ordentlich Wucht herüber geschwappt, als Franz Ferdinand ihr zurecht umfeiertes Debüt vorlegten - und quasi den ersten Vorboten dessen darstellten, was da noch kommen sollte. Denn die massivste Flut folgte in der Tat im Jahr 2005, als nahezu im Takt von wenigen Wochen hervorragende Debütalben junger Bands das Licht der Welt erblickten: Bloc Party legten ihr Debüt vor, Pete Doherty erlebte ein grandiose künstlerische Wiedergeburt mit seinen Babyshambles, und auch Maximo Park, The Dead 60s, die Editors, Art Brut oder die Kaiser Chiefs mischten kräftig mit. Doch eine junge Band sollte noch kommen - denn im Jahr 2006 erschienen die einst pickeligen Milchgesichter von den Arctic Monkeys auf der Bildfläche, und stellten mit ihrem Debüt "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" fast alles in den Schatten, was im Jahr zuvor passiert war. Die Musikwelt stand Kopf in Anbetracht der Genialität, der songschreiberischen Raffinesse und dem jugendlichen Sturm und Drang dieses Meisterwerks. 
Nach und nach sollten sich aber viele der einstigen Hoffnungsträger zunehmend in die Bedeutungslosigkeit verabschieden - bei manchen ging das recht schnell, verkamen doch etwa die Kaiser Chiefs schon auf Album No.2 zur Freibier-Kombo. Bei anderen dauerte es etwas länger, scheiterten Franz Ferdinand und Maximo Park doch erst an ihren jeweils 3. Alben. Die Arctic Monkeys nahmen aber auch diese Hürde mit Leichtigkeit, und standen als eine der wenigen da, die von der einstigen Hype-Welle noch übrig waren. Noch! Denn ihr 4. und bislang letztes Album "Suck It And See" (2011) sollte ihr erstes wahrhaft schwieriges Album werden. Nicht das es schlecht gewesen wäre - aber trotz aller Qualitäten, die ohne Frage auch dieses Album besaß, wurde man dennoch den faden Beigeschmack nicht los. Irgendwie klang die Band hier streckenweise eher fad, ideenlos und uninspiriert. Es wirkte beinah so, als wäre die Band von sich selbst gelangweilt. Doch lange ließ die Band das nicht auf sich sitzen - denn schon im Februar letzten Jahres erschien mit "R U Mine" die erste Single des nun erscheinenden fünften Albums "AM" (die ursprünglich aber als Stand-Alone-Single gedacht war, dann aber doch in den Kontext des Albums übernommen wurde). Und das sollte wieder ein Kracher werden. Ein dynamischer Indie-Rock-Ohrfänger, der beinah die Energie ihrer ersten beiden Alben reanimieren konnte, und ein deutliches Zeichen setzte: man sollte die Jungs nicht vorzeitig abschreiben!

Arctic Monkeys - R U Mine? from blcktrcl on Vimeo.


Bis zum nächsten offiziellen musikalischen Lebenszeichen dauerte es dann zwar noch ein wenig, aber in diesem Sommer war es dann soweit, und die eigentliche Vorab-Single "Do I Wanna Know?" (♪♫♪) erschien - und auch dieser Song konnte durchweg überzeugen, auch wenn er nicht mit einer so mitreißenden Energie protzt, wie sein direkter Vorgänger. Ein Hit ist es aber dennoch. Und nun schieben die Jungs auch ihr 5. Studioalbum "AM" hinterher, von dem man ganz klar schon vorweg sagen muss: endlich ist es wieder ein WIRKLICH gutes Album geworden! Die Arctic Monkeys scheinen wieder ganz bei sich zu sein - was aber nicht bedeuten soll, dass sie eine Neufassung ihres Debüts aufgenommen haben. Wer das erwartet muss enttäuscht werden - oder eben auch nicht, denn wäre es nicht ein bisschen armselig, die eigenen Erfolge einfach nur zu kopieren? Doch ein schwächelndes Album hin oder her: mit Frontmann Alex Turner hat die Band wohl einen der besten und talentiertesten Songwriter, die die jüngere britische Musikgeschichte hervor gebracht hat. Und das zeigt er hier auch endlich wieder zu Genüge. So etwa mit dem atmosphärischen, leicht melancholisch-psychedelisch gefärbten  Indie-Popper "One For The Road" (♪♫♪), "Arabella" (♪♫♪) gibt einen sehr feinen, melodischen, und zudem äußerst dynamisch zu Werke gehenden Ohrwurm ab, und mit "Party Anthem No.1" (♪♫♪) ergehen sie sich entgegen der Aussage des Titels an keiner Party-Nummer, sondern an einer schwelgerischen Ballade, die ein wenig an die besseren Momente ihrer letzten Platte erinnert. Mittels "Fireside" (♪♫♪) beglücken sie uns mit einer warmen, melodischen, und dennoch nachdenklichen Psychedelic-Pop-Perle, die auch wunderbar auf ihr 3. Album "Humbug" gepasst hätte - eines der klaren Highlights der neuen Platte! Die neue Single "Why'd You Only Call Me When You're High?" (♪♫♪) trifft erneut als fabelhafter Indie-Pop-Ohrwurm direkt ins Schwarze, das genüsslich in die Beine gehende "Snap Out Of It" (♪♫♪) steht dem auch in kaum etwas nach, und "I Wanna Be Yours" (♪♫♪) gräbt sich als schwebende und erhabene Ballade auf Anhieb ins Langzeitgedächtnis. 

So machen die Arctic Monkeys deutlich klar, dass sie ihr Pulver noch längst nicht verschossen haben - und es passt ganz in den Geist der Zeit: Dank guter bis hervorragender neuer Platten von den Babyshambles, Franz Ferdinand oder Bloc Party, scheint die einstige "Class of 2005" gerade einen zweiten Frühling zu erleben. Und die Arctic Monkeys sind an vorderster Front mit dabei. 




Mittwoch, 18. September 2013

Besprochen: MGMT - "MGMT"

Am Anfang herrschte die Ratlosigkeit mit aller Macht, doch am Ende siegte die Kunst: das 3. Album von MGMT erweist sich nicht nur als Grower, sondern schnell auch als ein kleines, psychedelisches Meisterwerk!

Man kann bzw. sollte sogar Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser von MGMT, als DAS dynamische Duo des modernen Indiepop begreifen. Denn was die beiden Herren aus New York seit den vergangenen Jahren künstlerisch so veranstalten, spielt seit eh und je in einer ganz eigenen Liga. So konnten die beiden Herren mit ihrer Kunst nicht nur hartgesottene Musikliebhaber und weltweite Kritiker restlos überzeugen, ja sogar zu Lobhmynen und Begeisterungsstürmen verleiten, sondern auch den Mainstream für sich einnehmen - was sie einst mit "Time To Pretend" und vor allem "Kids" eindrucksvoll unter Beweis stellten. Diese beiden Hits stammten aus ihrem Debüt "Oracular Spectacular" aus dem Jahr 2008, dass zurecht hoch gelobt wurde. Und mit ihrem 2010er Zweitwerk "Congratulations" konnten sie diese künstlerische Leistung dann sogar noch toppen - und machten zudem ihre in Wirklichkeit eher unkommerziellen Interessen deutlich. Ein wenig genervt von der Tatsache, dass viele Leute sich nur mit den Hitsingles, aber nicht mit dem Album als Gesamtwerk beschäftigten, gaben die beiden schon im Vorfeld zu verstehen, dass es auf ihrem zweiten Album keinen Hit á la "Kids" geben werde - und man zudem keine Singles veröffentlicht, damit das Album von dem Hörer als eben das Gesamtwerk betrachtet würde, als welches es von ihnen erdacht war. Doch auch MGMT können wohl nicht aus ihrer Haut - denn hörte man das Album nur ein paar Mal, wurde schnell klar: es war in Wirklichkeit voll von Hits! Seitdem ist es etwas ruhiger geworden, und weitere 3 Jahre zogen ins Land - doch nun ist es endlich soweit, und MGMT legen uns ihr mit Spannung erwartetes drittes Album vor, dass sie schlicht und ergreifend nach sich selbst "MGMT" benannten. Und schon nach dem erstmaligen Genuss des neuen Albums wird einem klar, dass ihnen hier das gelungen ist, was sie eigentlich für ihr letztes Album geplant hatten: denn wirkliche Hits sucht man hier vergeblich! Sicherlich gibt es ein paar Hingucker, die dem nahe kommen. So etwa das durchweg großartige, von Kindergesang eingeleitete, und in den schönsten Psychedelic-Farben gemalte "Alien Days" (♪♫♪), welches bereits Anfang des Jahres als erste Single erschien - im Format der Musikkassette!!! In einer besseren Welt hätte es auch ein Hit werden können. Und auch die zweite vorab veröffentlichte Single "Your Life Is a Lie" - ein etwas "rotziger" veranlagter, aber dennoch höchst melodischer Indie-Pop-Ohrwurm - entwickelt mit jedem Hören mitreißendere Wirkungen.


MGMT - Your Life Is A Lie on MUZU.TV.

Aber dennoch hinterlässt einen der erste Durchlauf ein wenig verwirrt und unentschlossen. Findet man das hier nun deshalb gut, weil man es einfach gut finden will, oder weil es wirklich gut ist? Nun, bei vielen wird sich diese Frage mit Sicherheit erst nach einigen Hördurchläufen geklärt haben. Denn einfach macht es uns die Band hier wirklich nicht - doch gerade dies ist es, was schon von Anfang an eine Art unbestimmten Reiz ausmacht. Man weiß, dass man hier ohne Frage etwas besonderes in den Händen hält...nur direkt mit dem Finger darauf zeigen, das kann man irgendwie doch noch nicht. Das besondere an "MGMT" ist eben: man hört der neuen Platte in jedem Moment deutlich an, dass es ihnen niemals an Kreativität oder Inspiration mangelte. Sie hätten auch Welthits schreiben können, wenn sie das gewollt hätten. Doch das ist nicht ihr Ziel - und allein dafür gebührt dem Duo eine Menge Respekt. Man muss sich schon hinein hören, in diesen psychedelischen und verwinkelten, in seiner Grundstimmung etwas mehr zum düsteren neigenden Song-Zyklus, der aber mit jedem Mal mehr von seinem schillernden Innenleben preisgibt. Die leicht abgedunkelte und psychedelisch brodelnde neue Single "Cool Song No.2" (♪♫♪) mausert sich beständig zu einem der ohrwurmigsten Anti-Hit des Jahres, und "Mystery Desease" (♪♫♪) entpuppt sich letztendlich als ein schwebendes und atmosphärisch dichtes Indie-Pop-Highlight mit Tiefenwirkung, das von schwerfälligen, triphopigen Beats untermalt wird. "A Good Sadness" (♪♫♪) bietet uns hingegen einen psychedelisches, soft düsteres und elektronisch unterwandertes Sound-Universum, durch welches der nahezu hynpotische Gesang von Sänger Andrew VanWyngarden schwebt. Und "A Plenty Girls In The Sea" (♪♫♪) beginnt mit imaginären Jacko-Beats, ermächtigt sich dann bald einer Art verwunschenen Beatles-Atmosphäre, und ergibt letztendlich einen herrlich bedrogten, vom Geist der 60er Jahre erfüllten Indie-Pop-Hingucker.

Und so haben MGMT wieder mal hervorragende Arbeit geleistet - nur ist es beim neuen Album so schwer wie noch nie, tatsächlich auch dahinter zu kommen. So ist es durchaus möglich, dass es sich zu einem der umstritteneren Alben seines Jahrganges entwickelt - Lob und Ratlosigkeit scheinen sich schon jetzt die Waage zu halten. Aus meiner Sicht ist "MGMT" allerdings wieder mal ein großartiges Album - auch wenn durchaus viele Hördurchläufe nötig waren, um schlussendlich bis zu diesem Punkt zu gelangen. Und gerade dies soll dem vielleicht noch unentschlossenen Hörer etwas Mut machen: die anfängliche Ratlosigkeit weicht schon bald immer mehr einem psychedelischen Indie-Pop-Trip, den man nicht einfach hören, sondern ganz und gar erleben muss. Bis sich dann irgendwann aus all dem ein kleines Meisterwerk heraus schält.



Sonntag, 8. September 2013

Besprochen: JANELLE MONÁE - "THE ELECTRIC LADY"

 Auf Album No.2 führt Janelle Monáe nicht nur konsequent das Metropolis-Konzept ihres Debüts fort, sondern ebenso dessen hohe musikalische Qualität!

Man kann Janelle Monáe gar nicht hoch genug loben. Die US-amerikanische Musikerin ist ja allgemein dem R&B und Soul zuzuordnen, wurde von OutKast's Big Boi entdeckt und gefördert, und kam schließlich bei Sean "Puff Daddy/P.Diddy/Diddy" Combs Label "Bad Boy Records" unter. Klingt nicht übel, aber die Erfahrung lehrt einem, dass in etwa so auch der Beginn für eine Karriere als austauschbare RnB-Chanteuse klingen könnte. Doch mit derartigem hat Janelle Monáe zum Glück so rein gar nichts zu tun. Denn sie bewies: Massenkompatibilität und Kreativität können auch in ihrer musikalischen Sparte bestens gemeinsam funktionieren. So erstreckt sich ihr bisheriges musikalisches Schaffen über ein gigantisches Konzeptwerk: die Metropolis-Serie! Teilweise inspiriert durch den gleichnamigen Film von 1927, schlüpft Monáe hier in die Rolle der Androidin Cindi Mayweather - eine Art Erlöserfigur, die aus der Zukunft in der Zeit zurück geschickt wurde, um die Bürger von Metropolis vor einer Geheimgesellschaft namens The Great Divide zu retten, welche Zeitreisen nutzt um Freiheit und Liebe zu unterdrücken. 
2007 begann die Geschichte mit ihrer EP "Metropolis", welche die erste Suite der Reihe darstellte, und bereits von Kritikern gelobt wurde. Ihr Debütalbum folgte dann im Jahr 2010 mit dem Titel "The ArchAndroid" (Suiten 2 + 3) - und spätestens hier musste einem förmlich die Kinnlade in die Knie krachen! Ein großartiges Album, ein Meisterwerk nahezu, das mit den unterschiedlichsten Genres spielte, Soul, RnB, Pop, elektronische Einflüsse und sogar rotzige Rock-Einlagen zu einem fantastischen Neo Soul-Gesamtkunstwerk verband. Und nun - 3 Jahre später - steht endlich das brandneue und 2. Studioalbum der Dame in den Startlöchern: "The Electric Lady" erzählt nun die Geschichte der Androidin weiter, und bildet die Suiten 4 + 5 der Konzeptreihe (von insgesamt 7 Suiten). Und das tut sie mal wieder mit gewohnt großartiger Musik. Davon kündete schon im Frühjahr die erste Single "Q.U.E.E.N.": ein funky und vom 80s-Synthpop geküsster Soul-Ohrwurm, den sie unter Beihilfe der großartigen Erykah Badu bestreitet.


Janelle Monáe - Q.U.E.E.N. (feat. Erykah Badu) von javierlobe

Und damit hebt sich Monáe auch mal wieder von vielen anderen Sängerinnen ihres Fachs ab: sie holte sich hier zwar auch ein paar Gastvokalisten zur Hilfe, doch keinesfalls die üblichen Verdächtigen. Nehme man etwa gleich zu Beginn das herrliche "Give Em What They Love" (♪♫♪), das direkt der einführenden Ouvertüre folgt: eine unwiderstehliche, bluesig veranlagte und von beherzten Bläsern unterstützte Soul-Perle, bei der sie von niemand geringerem als Prince begleitet wird. Beim famosen Titeltrack "The Electric Lady" (♪♫♪), einem stimmungsvoll melodischen Soul-Pop-Song mit softem Synthie-Einschlag, ist Solange mit dabei - die jüngere und musikalisch wesentlich überzeugendere Schwester von Beyoncé. Und in der warmen, soft beatigen und atmosphärischen Neo-Soul-Ballade "Prime Time" (♪♫♪) ist Miguel mit von der Partie, der zuletzt als Duettpartner auf Mariah Carey's aktueller Single "#Beautiful" auffiel. Doch Janelle benötigt gar keine große Hilfe, stellt sie sich doch schon allein ganz großartig an. Und das beweist sie auch auf den restlichen Tracks. So etwa im einnehmenden und auf gewisse Weise mitreißenden "We Were Rock'n'Roll" (♪♫♪) - welches aber musikalisch mit selbigem nicht viel zu tun hat. Die aktuelle und zweite Single "Dance Apocalyptic" (♪♫♪) macht dann als unbarmherziger Ohrwurm mächtig Stimmung - und seine stimmungsvollen "Smash-Smash-Bang-Bang-Don't-Stop-Chalanga-langa-lang"-Chöre laden zum ausgelassenen einstimmen ein. Das famose und romantische, von sanftem Orchester und akustischen Gitarren untermalte "Look Into My Eyes" (♪♫♪) steht dann ganz in der Tradition einiger großer Damen der 60er Jahre, der einst sogar einer Barbra Streisand gut zu Gesicht gestanden hätte. "Can't Live Without Your Love" (♪♫♪) macht ebenfalls eine außerordentlich gute Figur, und hat das unbedingte Zeug zum modernen Soul/RnB-Klassiker, der auf Anhieb ins Ohr geht. Und "What An Experience" (♪♫♪) eröffnet uns eine sanfte uns samtige, von soften Beats versehene, wunderbar melodische Pop-Perle, die in der zweiten Hälfte allmählich von Raggae-Einflüssen heimgesucht wird.
Zudem füllt sie die Albumtracks mit mehreren Interludes auf, welche Radiosendungen imitieren, in denen die Moderatoren mit Hörern reden, und so der fiktiven Geschichte um Metropolis noch zusätzliche Authentizität verleihen.

Die meisten da draußen werden sie aber wohl leider nur durch ihre Arbeit an Fun's Hit "We Are Young" in Erinnerung haben - doch haben diese nun die Gelegenheit sich davon zu überzeugen, dass sie so etwas eigentlich nie nötig hatte. Denn im Falle Monáe kann man ohne Übertreibung von einer echten Künstlerin sprechen, der man in der Form im US-RnB nur sehr, sehr selten begegnet.

 

 

Mittwoch, 4. September 2013

Besprochen: BABYSHAMBLES - "SEQUEL TO THE PREQUEL"

 Als wäre das Musikjahr 2013 bisher nicht eh schon ein großartiges gewesen, kommen nun auch endlich Pete Doherty und seine Babyshambles zurück, und schenken uns mit ihrem 3. Album einen weiteren potentiellen Klassiker!

Ein neues Album der Babyshambles ist ja mittlerweile eine kleine Sensation im Indie, konnte doch Frontmann Pete Doherty bereits zu Genüge seine musikalische Genialität unter Beweis stellen - ob nun mit den Libertines seit Anfang der 2000er, und seit Mitte selbiger Dekade mit seinen Babyshambles. Die Wahrnehmung der Masse war und ist aber wohl vor allem durch die Boulevardmedien der Vergangenheit geprägt, durch welche Doherty den meisten wohl eher als drogenabhängiger Ex von Kate Moss bekannt ist, der von einem Rausch in den nächsten Entzug stolperte. Doch das ist nur die eine Seite des Pete Doherty. Oder könnte man sagen: war? Denn in den letzten Jahren wurde es ruhig um ihn...keine Skandalmeldungen, keine Drogeneskapaden und keine verpatzten Auftritte waren mehr zu vernehmen. Fast schon hatte man gar das Gefühl, er sei verschwunden. Doch nun meldet er sich mit dem neuen und 3. Album seiner Band zurück. 
Doch werfen wir - für die "Unwissenden" - einen kurzen Blick zurück. Nach dem Split seiner zuvor höchst erfolgreichen und gelobten Band The Libertines, mit er gemeinsam 2 Alben veröffentlichte, die mit zur Renaissance des 2000er-Rocks beitrugen, erschien 2005 das Debüt seiner kurzerhand frisch formierten Babyshambles. "Down In Albion" hieß das gute Stück, und es wurde ein verstörend-wunderbares Werk, das fast eher Songskizzen als wirklich fertige Song barg. Doch gerade das unfertige, das ungeschliffene, das chaotische, und die dazu im Kontrast stehende Melodik und songschreiberische Perfektion, machten hier einen ganz besonderen Reiz aus. Man konnte und kann es als nichts geringeres als einen Rock-Meilenstein der 00er begreifen. 2007 folgte dann das Zweitwerk "Shotter's Nation", welches deutlich geordneter daher kam - es wirkte durchdachter, die Songs waren wesentlich stärker heraus gearbeitet und den kratzbürstigen und manischen Charakter der Vorgängers besaß es nicht mehr - aber nach wie vor den typischen Charakter des Pete Doherty. Ein fabelhaftes Album. Nun, ganze 6 Jahre und ein zwischenzeitliches (großartiges) Soloalbum Doherty's später, beglücken sie uns also endlich mit dem neuen Album "Sequel To The Prequel". Angeführt wird dies von der ersten Single "Nothing Comes To Nothing" - was sich als sehr melodischer und eingängiger Indie-Ohrwurm erweist, der insgeheim ein Pop-Hit sein will.


Und es ist auch keine große Überraschung, wenn man schon beim ersten Durchlauf feststellen muss, dass Doherty und seinen Jungs hier wieder mal etwas ganz großes gelungen ist. Es geht schon mal kurz und knackig los, wenn sie uns auf dem Opener "Fireman" (♪♫♪) mit einem feinen, hübsch indierockenden Ohrwurm  kommen, der in weniger als 2 Minuten alles sagt, was gesagt werden muss. Es folgen aber weitere zahlreiche Higlights, die sogar noch um einiges heller strahlen. So etwa das anfangs sehr relaxed anmutende "Farmer's Daughter" (♪♫♪), welches dann aber spätestens in den Refrains vollends zur Hymne ausbricht, und einen ungemein mitreißenden Charakter entwickelt. Mit "Fall From Grace" (♪♫♪) legen sie eine melodische und relaxte Britpop-Perle nach, die sich als weiterer Hingucker erweist, während sie uns gleich darauf mit "Maybelline" (♪♫♪) einen famosen Indie-Ohrwurm in die Ohren gießen, der kräftig Stimmung macht. Mit dem großartigen "Dr. No" (♪♫♪) betreten sie dann auf gewisse Weise chillig bedrogte und dubbige Gefilde, die schon ziemlich stark an die Gorillaz erinnern. Das hervorragende "Penguins" (♪♫♪) erstrahlt als Indie-Perle, die zwischen sanfter Ballade und beherztem Indierock changiert, "Picture Me In Hospital" (♪♫♪) manifestiert sich als wundervoller Folk-Pop mit Evergreen-Niveau, und "Minefield" (♪♫♪) rundet zum finale das Album mit einem ernsten, atmosphärischen und eindringlichen Indierock-Meisterstück ab. 

Wer Doherty schon zuvor als Musiker kannte und schätzte, den werden die Skandalmeldungen der Klatschpresse wohl kaum beeindruckt haben. Nur leider gibt es noch viel zu viele Menschen da draußen, die eben nur dieses öffentliche Bild von ihm kennen. Es wäre nun dringend an der Zeit, diese Vorstellung endlich abzulegen, und stattdessen seiner Musik eine echte Chance zu geben. Und wer ganz ehrlich ist (und im besten Fall auch Ahnung von guter Musik hat), der wird "Sequel To The Prequel" als das erkennen, was es in der Tat auch ist: ein potentieller Klassiker!