♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

Sonntag, 27. Dezember 2015

Special: DIE 33 BESTEN PLATTEN 2015!


Seit dem Bestehen dieses Blogs (also seit 2009) ist es alle Jahre wieder zum Jahresende dasselbe Spiel: Zeit für die (in meinen Augen bzw. Ohren) besten Platten des Jahres. Und auch 2015 hatte wieder einiges zu bieten. So hätten auch bestimmt noch einige Alben mehr in dieser Liste Platz finden können. Aber der elende Zeitmangel ist hier Schuld, das es nicht wieder mal eine Top-50 geworden ist (was in diesem Jahr in meinen Augen durchaus drin gewesen wäre). Im Jahr 2015 ist es stattdessen eine Schnapszahl geworden: so gibt es hier diesmal die für mich 33 besten Platten des Jahres. Und so gilt für mich hier diesmal ganz besonders: selbst die weiter hinten platzierten Platten haben bei mir noch einen recht hohen Stellenwert - und auch mit den Platzierung fiel es mir nicht immer leicht, ist manch ein Album dem anderen auch gelegentlich nur um Haaresbreite über- bzw. unterlegen. Doch so wie jetzt fühlt es sich für mich richtig an. Aber nun Butter bei die Fische: viel Spaß beim durchforsten der meiner Ansicht nach 33 besten Platten des Jahrgangs 2015.


33. CHVRCHES - "EVERY OPEN EYE"

Es ist nun 2 Jahre her, als mich das schottische Elektro-/ Synthpop-Trio Chvrches mit seinem Debüt "The Bones Of What You Believe" erstmals überzeugen und streckenweise auch hellauf begeistern konnte. Aus welchem Grund auch immer - und auch trotzdem dessen  famose erste Vorab-Single "Leave a Trace" auf Anhieb bei mir fruchtete - näherte ich mich dem diesjährigen Nachfolger mit einer gewissen distanzierten Vorsicht. Doch bei näherer Betrachtung war das gar nicht nötig, denn auch "Every Open Eye" ist wieder einmal vor allem von waschechten Synthpop-Hits mit zartschmelzenden Melodien geprägt. So wie  etwa das schillernde, mitreißende und sich irgendwo grob zwischen 80s-Synthpop und 90s-Dance  abspielende "Keep You On My Side", das nach seinem beinahe schlagerhaften Einstieg zum waschechten Synthie-Ohrfänger mutierende "Make Them Gold", die unwiderstehliche kleine Hymne "Never Ending Circles" (♪♫♪) oder das sich langsam aufbauende und letztendlich zum Dance-Kracher ausbrechende "Clearest Blue". Aber solch einen Sound, mit all diesen in vielen Farben strahlenden Synthie-Hooklines, diesen zuckersüßen und eingängigen Melodien und diesen herrlich warmen Harmonien, kann man auch nur allzu leicht voll gegen die Wand fahren. So kann im Handumdrehen auch ein Haufen kitschiger und süßlicher Schlager dabei heraus kommen. Doch Chvrches beweisen mit "Every Open Eye", dass sie ihr Handwerk auf Album No.2 immer noch beherrschen - und das sie immer noch selbstsicher auf der Grenze zwischen Kunst und Kitsch zu balancieren vermögen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren.




32. LANA DEL REY - "HONEYMOON"

Und wie schon im letzten Jahr mit ihrem dritten Album "Ultraviolence", hat die amerikanische Musikerin Lana Del Rey auch in diesem Jahr einen Platz in der Jahresbestenliste dieses Blogs verdient. Nur das er in diesem Jahr nicht ganz so hoch ausfällt ("Ultraviolence" schaffte es auf Rang 5). Was zum einen daran liegt, dass sie die stilistische Weiterentwicklung ihres letzten Werks auf ihrem neuen Album "Honeymoon" weitestgehend wieder zurück genommen hat - um in etwa da weiterzumachen, wo sie zuvor mit dem Album "Born To Die" und der EP "Paradise" aufhörte. Und doch blieb hier nie Zeit oder Anlass für Ernüchterung - denn wollte man es so pessimistisch wie man nur will ausdrücken, so könnte man dieses Album einen künstlerischen Rückschritt auf höchstem Niveau nennen. Und optimistisch betrachtet, ist ihr einfach ein ganz wunderbares Album gelungen, das wieder so manche wie aus der Zeit gefallene Perle zu bieten hat. Allen voran wohl der bezaubernde und cineastische Titelsong "Honeymoon" (♪♫♪), der eine Atmosphäre wie in den romantischen Hollywood-Klassikern vergangener Zeiten versprüht. Allerdings dicht gefolgt von anderen Stücken wie dem sinnlich-schwebenden und den Bowie-Klassiker "Space Oddity" zitierenden "Music To Watch Boys To", der großartig düsteren Hymne "The Blackest Day" oder der leidenschaftlichen, sich zeitweilig episch aufrichtenden Ballade "24". Hätte sie "Honeymoon" und "Ultraviolence" in umgekehrter Reihenfolge veröffentlicht, wäre es die perfekte künstlerische Entwicklung gewesen. So bleibt ihr neues Album zwar definitiv ein gutes bis sehr gutes, es kann aber dennoch nicht ganz an die Klasse des Vorgängers heran reichen.




31. FLORENCE & THE MACHINE - "HOW BIG, HOW BLUE, HOW BEAUTIFUL"

Das die britische Musikerin Florence Welch und ihre Band Florence & The Machine großes Potential besitzen, stand auch für mich stets außer Frage. Und dennoch machten sie es mir nicht immer einfach. Mit ihrem wilden, bunten, teilweise gar ungestümen und unvorhersehbaren Debüt "Lungs" konnte mich die Band zwar einst auf Anhieb überzeugen - doch ihr zweites und bislang letztes Album "Ceremonials" macht es mir dagegen doch ungleich schwerer. Ein schlechtes oder ausgesprochen schwaches Album war es freilich nicht. Und doch lief die Band auf ihrem Zweitwerk Gefahr, sich jederzeit im Gleichklang zu verlieren. In einzelnen Dosen genossen, konnte und kann man dort viele Perlen finden. Am Stück verzehrt wird die Sache hingegen aber deutlich zäher. Doch das haben sie dafür auf ihrem diesjährigen dritten Album "How Big, How Blue, How Beautiful" dafür umso besser gemacht. Ihrem dramatischen und eher dunklen Klangcharakter, der mittlerweile zum unverkennbaren Merkmal der Band geworden ist, bleiben sie sich auf auf ihrem neuen Werk treu, setzen diesen aber wesentlich besser um als zuletzt. Nicht nur das hier wieder stärker rockige Elemente in die Musik einfließen, was man schon an der famosen Vorabsingle "What Kind Of Man" (♪♫♪) hören konnte. Auch ganz allgemein klingt der Stil von Florence & The Machine hier wieder etwas "erdiger", handgemachter und klassischer. Und dabei auch zeitloser. Und nicht nur das - auch wirklich überzeugende Songs hat die Band hier zu bieten. Angefangen mit dem leicht 60s-inspirierten Ohrfänger "Ship To Wreck" (♪♫♪), über den feierlichen und in den buntesten Farben strahlenden Titelsong "How Big, How Blue, How Beautiful" , oder die mit leidenschaftlichen Streichern und epischen Bläserfanfaren gewürzte Hymne "Queen of Peace", bis hin zum getragenen, melancholischen und von geisterhaften Chören durchwachsenen "Various Storms & Saints". Ein wirklich überzeugendes Album, das man vielleicht sogar das bislang beste der Band nennen muss. 




30. DEERHUNTER - "FADING FRONTIER"

Es war ja schon immer spannend, die musikalische Entwicklung der amerikanischen Band Deerhunter zu beobachten. Vor 10 Jahren legten sie auf ihrem Debüt "Turn It Up Faggot" mit Indie-Rock und Post-Punk los, arbeiteten sich bis zu Alben wie "Microcastle" oder "Weird Era Cont." (beide 2008) zu Noise-Pop und Shoegaze vor, gingen dann ab "Halcyon Digest" (2010) mit leicht eingängigeren Klängen zu Werke, die sie zuletzt mit "Monomania" (2013) in ein wieder etwas kantigeres Garage-Rock-Gewand hüllten. In diesem Jahr setzte die Band dann ihr neuestes Album in die Welt - und auch hier unterzogen sie ihrem Sound wieder einmal einem hörbaren Update. Auf "Fading Frontier" entwickeln sich Deerhunter hin zu Indierock, Dreampop und psychedelischen Einflüssen, wobei ihnen meist fast schon ganz außerordentlich feine und zündende Melodien aus den Ärmeln purzeln. Schon mit dem eingängigen  Indie-Rock-Opener "All The Same" (♪♫♪) legen sie gut vor, nur um dem aber umgehend weitere hochklassige Stücke wie das verträumt melodische "Living My Life", das anfänglich harmonisch getragene und zusehendes zur fesselnden Psychedelic-Rock-Hymne anwachsende "Take Care", das in einer besseren Welt gar zum Hit taugende "Duplex Planet" (♪♫♪), das melancholische und atmosphärische "Leather & Wood", oder das  psychedelisch verwehte "Ad Astra" folgen zu lassen. So zeigten sich Deerhunter in diesem Jahr auch auf ihrem nunmehr siebten Album wieder stilistisch von einer anderen, aber künstlerisch von derselben gewohnt hochwertigen Seite. Nur das sie hier nun gar so melodische Wege beschreiten, das man bei "Fading Frontier" nahezu von einem ihrer eingängigsten und in rein positiver Hinsicht massentauglichsten Platten überhaupt sprechen kann.




29. THE LIBERTINES - "ANTHEMS FOR DOOMED YOUTH"

Was war das doch für eine turbulente Geschichte rund um die Libertines. Anfang der 2000er mit ihrem Debüt "Up The Brackett" gekommen um die britische Indierock-Szene wieder auf Vordermann zu bringen, nur um dann schon nach ihrem famosen 2004er Zweitwerk "The Libertines" im Zwist mit Pete Doherty - einem ihrer beiden Frontmänner - wieder auseinander zu gehen. Und nachdem vor allem Pete in den Jahren darauf sowohl solo, als vor allem mit seiner neuen Band Babyshambles Erfolge feierte, aber auch ihr zweiter Frontmann Carl Barat mit den Dirty Pretty Things und ebenfalls solo eigene Wege ging, hielt man eine Reunion der ursprünglichen Band zunehmend für unwahrscheinlicher. In diesem Herbst sollte es dann aber endlich soweit sein und die Libertines kamen mit ihrem 3. Album zurück - ihrer ersten gemeinsamen Platte seit 11 Jahren! Schon die großartige erste Single "Gunga Din" (♪♫♪) schickte das Versprechen einer gelungenen neuen Platte voraus, welches sie dann mit "Anthems For Doomed"Youth" auch einlösten. Denn hier kommt noch so einiges feines auf den Hörer zu. Etwa der melodische Opener "Barbarians", der schon ein wenig von einem Klassiker hat. Das 60s-infizierte "Fame and Fortune" ist dann ebenso großes Kino, wie auch der nachdenklich-atmosphärische Titelsong "Anthems For Doomed Youth" oder die ein wenig an Doherty's famoses Soloalbum erinnernde Ballade "You're My Waterloo" (♪♫♪). Das fabelhafte "Iceman" entwickelt eine nahezu psychedelische Atmosphäre, "Heart of the Matter" gibt wieder einen unwiderstehlich melodischen Indierock-Ohrwurm ab, der nach einem klassischen Hit der Band schmeckt und "Dead For Love" beendet das Album mit einer tief melancholischen und großartigen Hymne. Ihr drittes Album mag zwar nicht gänzlich an das schwindelerregend hohe Niveau der beiden Vorgänger anknüpfen, aber "Anthems For Doomed Youth" kann dennoch als hervorragendes Album glänzen, das der Band ein gelungenes Comeback verschafft.




28. HOT CHIP - "WHY MAKE SENSE?"

Hot Chip waren ja schon immer eine ganz wunderbare Band. Das britische Kollektiv aus einem Haufen sympathischer Elektro-Pop-Nerds, kochte dabei aber immer wieder sein ganz eigenes Süppchen, welches sie auch stets mit anderen musikalischen Zutaten abschmeckte. So lotete die Band auf ihren früheren Alben mal minimalistischere Klangsphären aus, wurden mitunter auch mal deutlich stärker elektronisch und auf den letzten paar famosen Werken marschierten sie immer weiter auf noch massentauglicheren, aber dabei nicht minder qualitativ hochwertigen Elektro-Pop zu. Daraufhin ließen Hot Chip dann in diesem Jahr ihr nun 6. Studioalbum "Why Make Sense?" folgen, auf dem sie wieder einmal eine leicht variierte Facette ihres Schaffens zur Schau stellten. Wobei natürlich im Grunde genommen fast alles beim Alten ist: die wunderbaren Melodien entgleiten der Band noch immer mit Leichtigkeit, nur der Sound, in den sie selbige betten, erfährt hier ein leichte, aber deutlich hörbare Überarbeitung, fällt dieser doch im Gesamtbild eine ganze Spur analoger aus. So wollte die Band hier nach eigener Aussage näher an ihren Live-Sound heran rücken und mit den Songs ein stärkeres Bandgefühl transportieren. Und das hört man "Why Make Sense?" auch fast durchgehend an. Ob nun im getragenen und warmen "Love Is The Future", im melodischen und minimalistischen Elektro-Pop-Ohrwurm "Cry For You" oder dem großartigen, housig veranlagten und soft mit Disco und Synthpop flirtenden "Dark Night" (♪♫♪). Wenngleich es aber auch hier wieder mal ein paar Floorfiller gibt, die einen vollautomatisch auf die Tanzfläche zerren - und zu denen wohl vor allem die ersten beiden Singles zählen: der optimistisch-melodische Elektro-Pop-Ohrwurm "Huarache Lights"  und der von 90er House- und Dance-Elementen getragene Hit "Need You Now" (♪♫♪). Letztendlich hat sich die Band zwar auf ihrem neuen Album wahrlich nicht neu erfunden, aber das soll sie ja auch gar nicht. Stattdessen liefern sie wieder eine leicht abgewandelte Variante dessen, was sie am besten beherrschen. Und können damit auch erneut vollkommen überzeugen.




27. ERYKAH BADU - "BUT YOU CAINT USE MY PHONE"

Nachdem die seit eh und je fantastische US-Musikerin Erykah Badu zuletzt mit ihren "New Amerykah"-Konzeptwerken "4th World" (2008) und "Return Of The Ankh" (2010) begeistern konnte, hoffte man eigentlich auf eine Fortführung der Reihe - doch bis auf ein oder zwei Feature-Auftritte wurde es in den Jahren danach musikalisch still um die Dame. Bis sie dann Ende diesen Jahres mit "But You Caint Use My Phone" endlich wieder neues Material nachlegte. Nur das es sich dabei streng genommen nicht um ein reguläres Album handelt, sondern als Mixtape veröffentlicht wurde. Doch das macht einfach mal gar nichts, weil es dennoch ganz wie ein eigenständiges Album klingt und Mixtapes zudem ja gerne immer Einzug in diverse Bestenlisten dieser Art finden. Darüber hinaus ist es einfach zu gut, was Erykah Badu hier veranstaltet, als das ich es bei einem musikalischen Rückblick unerwähnt lassen dürfte. So stellt "But You Caint Use My Phone" wieder eine Art Konzeptwerk dar, auf dem sich inhaltlich vieles um Kommunikation dreht - was sich hier in Gestalt des Telefons in seinen verschiedensten thematischen Facetten manifestiert. Und von einem für Badu nicht untypisch getragenen, in seinen Details oft aber dennoch frisch und inspiriert anmutenden Sound aus Soul, R&B und Electronica zusammen gehalten wird. Das geht los mit dem famosen und psychedelisch schwebenden R&B-Opener "Caint Use My Phone (Suite)", der sich anfangs aus einem Grundgerüst aus Telefon-Tastentönen aufbaut. Und es führt über das knapp 7-minütige, relaxt melodische und atmosphärische "Cel U Lar Device", das leicht düster und nachdenklich anmutende "Phone Down", das irgendwie leicht sommerlich verchillte "Mr. Telephon Man", oder die famose Medley "What's Yo Phone Number/Telephone" - und mündet letztendlich in die wunderbare, samtige und gefühlvolle Soul-Pop-Perle "Hello" (♪♫♪) im Duett mit André 3000. Auch wenn es wie gesagt für diese Liste keinen Unterschied macht, so ist es dennoch ein wenig schade, dass "But You Caint Use My Phone" kein reguläres neues Album von Erykah Badu darstellt. Doch an der Qualität dieser kreativen und experimentierfreudigen Platte ändert dies natürlich nichts. Oder anders betrachtet: genügend andere schaffen es nicht einmal mit regulären Alben ansatzweise an die Qualität und Relevanz heran zu reichen, die Badu auf diesem Mixtape mit Leichtigkeit aufbringen kann. 




26. EVERYTHING EVERYTHING - "GET TO HEAVEN" 

Gut 2 Jahre ist es nun her, als die britische Indierock-Band Everything Everything mit ihrem zweiten Album "Arc" zum ersten Mal auf meinem Radar auftauchte  - und auch recht schnell bei mir einen Stein im Brett hatte, war sie doch einerseits eingängig, aber trotzdem auch eigen und unvorhersehbar. Denn weil klassischen Indierock eh jeder macht, hat sich das Quartett aus Manchester schon immer experimentierfreudig, auf gewisse Weise fast schon ein wenig verschroben, aber dennoch trotzdem auch erstaunlich melodisch gezeigt. Denn trotzdem Everything Everyting auf den ersten Blick wie eine relativ klassiche Indierock-Band mit einem stets unschlagbaren Gespür für zündende Pop-Hooks anmuten mag, steckt doch etwas mehr dahinter - verwenden sie doch allzu häufig rhythmische und zum Teil asymmetrische Songstrukturen, manchmal sogar an R&B erinnernde Klangelemente, als auch oft verschachtelte und kryptische Lyrics. Gekrönt wird der daraus resultierende eigene Sound der Band durch den charismatischen Gesang ihres Frontmannes Jonathan Higgs, der sich mit Leichtigkeit in einen Falsett steigern kann. All diese wunderbaren Eigenwilligkeiten hat sich die Band in diesem Jahr auch auf ihrem dritten Album "Get To Heaven" bewahrt - und wer schon die erste Single "Distant Past" (♪♫♪) kennt, der weiß, was für ein wahrer Glücksfall das ist. Denn die Band hat hier wieder so einiges großartiges ausgeheckt. So schon gleich mit dem Opener "To The Blade", der sehr ruhig und nahezu andächtig beginnt, um dann im Refrain auf nahezu explosive Weise zu einer wahren Indierock-Hymne mit dynamischen Gitarrenriffs zu mutieren. Und auch einige weitere Hingucker finden sich mit Leichtigkeit - etwa in der catchy Indie-Pop-Nummer "Regret", im melodischen und höchst eingängigen Ohrwurm "Spring/Sun/Winter/Dread", im stark elektronisch beeinflussten und experimenteller agierenden "The Wheel (Is Turning Now)", oder im wunderbaren, von pochenden elektronischen Beats getragenen "No Reptiles", das langsam von atmosphärischen Synthie-Schwaden  erobert wird. Auf ihrem dritten Album bleibt die Band überwiegend ganz sie selbst, entwickelt sich aber in vielen Details spürbar weiter - und kann damit letztendlich noch ein weniger mehr überzeugen, als sie es mit ihrem letzten Werk vermochten. 




25. EDITORS - "IN DREAM"

Die britische Band Editors hat ja schon eine Menge verschiedener musikalischer Phasen durchlaufen. Angefangen vor 10 Jahren mit ihrem famosen Debüt "The Back Room", als sie mit atmosphärischem Post-Punk und Indie-Rock los legten, der nicht nur durch die Stimme ihres Sängers Tom Smith an Bands wie Interpol erinnerte. Mit ihrem 3. Album "In This Light And On This Evening" kam dann die gelungene Weiterentwicklung zu mehr Synthpop und vor allem Dark-Wave, der sie soundästhetisch stärker in die Nähe von Depeche Mode & Co. rückte. Und ihr bislang letztes Album "The Weight Of Your Love" sticht wohl am meisten aus ihrem Backkatalog heraus, pflegten sie hier doch nun plötzlich eine Art Stadion-Rock-Sound der überwiegend einer sehr optimistischen Grundstimmung folgte. Kein übles Album, das aber vor allem auf längere Distanz betrachtet nie so wirklich ins Klangkonzept der Band passen wollte. Doch das machten sie in diesem Jahr mit ihrem 5. Album "In Dream" wieder gut. Hier verabschiedeten sie sich wieder völlig von dem eher seichten und radio-orientierten Sound des Vorgängers und gingen erneut weitaus dunklere, experimentellere und elektronischere Wege. So ist der Sound auf "In Dream" zwar zum Teil auch wieder post-punkiger veranlagt, ist vor allem anderen aber wieder stark von Dark-Wave und Synthpop geprägt. Und etwas besseres hätte der Band für ihr neues Album wahrscheinlich nicht einfallen können - vor allem in Anbetracht seiner fabelhaften Songs. So etwa die melancholisch-schöne und auf schillernden Synthesizern schwebende erste Single "No Harm", der im Grunde sogar ziemlich hitverdächtige und leicht düstere Ohrwurm "Forgiveness", die wunderschöne und melancholisch-schwebende Indie-Synthpop-Perle "The Law" oder selbstverständlich die großartige und einnehmende Indie-Dark-Wave-Hymne "Life Is a Fear" (♪♫♪). Doch natürlich gibt es hier auch mal etwas optimisitischere Klänge. So etwa das famose und mitreißende "Ocean of Night", die ein wenig in Richtung "Tainted Love" schielende, aber dennoch facettenreiche Hymne "Our Love", oder der fast 8-minütige Wave-Pop-Epos "Marching Orders" (♪♫♪). Ein wirklich schicke Platte, mit der dann wohl auch die leichten Irritationen endlich Geschichte sein sollten, die das letzte Album hervorgerufen hatte. Denn mit "In Dream" hat die Band endlich wieder zu sich gefunden.




24. FFS - "FFS"

Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich junge und bereits gestandene Musiker für mehr als nur ein einzelnes Duett zusammen tun - umso überraschender muss es für manche geklungen haben, als die bereits seit den 70ern aktiven Sparks mit der gerade gut 10 Jahre jungen britischen Indierockband Franz Ferdinand das gemeinsame Projekt FFS gründeten. Denn es ist ja gar nicht so leicht, wenn zwei so verschiedene Musiker einen gemeinsamen künstlerischen Nenner finden müssen. Und wo diese Kollaboration auf dem Papier noch recht willkürlich anmuten mag, da passen die beiden Bands musikalisch jedoch zusammen wie Arsch auf Eimer. Und bei ihrem selbstbetitelten Debüt "FFS" ist ein Album herausgekommen, das die verschiedensten stilistischen Ausprägungen beider Bands perfekt verbindet, mit reihenweise zündenden Melodien bestückt, sowie mit dem genau richtigen Schuss Humor und Sarkasmus gewürzt ist, mit dessen Hilfe sie hier mit potentiellen Hits nur so jonglieren. Die Singles "Johnny Delusional" (♪♫♪) oder "Call Girl" mögen dafür schon wunderbare Beispiele sein - aber noch besser wird's, wenn man unter den restlichen Albumtracks sucht: so etwa der bunte Haken schlagende Indie-Prog-Pop-Ohrwurm "Dictator's Son" (♪♫♪); das knapp 7-minütige und psychedelische Mini-Musical mit dem augenzwinkernden Titel "Collaborations Don't Work"; die nachdenkliche, melancholische und atmosphärische Ballade "Little Guy From The Suburbs"; der knallbunte und überschwängliche Hit "Police Encounters"; oder der fabelhafte Indie-Synthpop-Ohrwurm "Sõ Desu Ne".  Als Gesamtpaket ist "FFS" somit ein buntes, schillerndes und irgendwie musical-haftes Pop-Vergnügen, welches die beiden Bands als Einheit so relevant macht, wie sie es getrennt voneinander schon eine ganze Weile nicht mehr waren.




23. TOCOTRONIC - "TOCOTRONIC (DAS ROTE ALBUM)" 
Es soll ja Menschen geben, die der Überzeugung sind, dass die meisten Musiker irgendwann zwangsläufig ihren Zenit überschreiten - und oft genug finden sich für dieses These auch zahlreiche und illustre Beispiele. Das es jedoch nicht immer so gehen muss und es mitunter auch enorm spannend sein kann, den Werdegang mancher Musiker über einen langen Zeitraum zu verfolgen, davon können Tocotronic  so einige Liedchen singen. Mitte der 90er legten sie im Saft ihrer Jugend mit einem rohen und ungeschliffenen Mix aus Grunge-, Indie- und Punk-Rock los, den sie mit minimalistischen und sloganartigen Texten versahen, um sich in den kommenden 20 Jahren stets weiterzuentwickeln und künstlerisch neu zu erfinden - bis sie schlussendlich zu der längst genreübergreifenden Band von heute wurden, die ihre Kunst in abstrakte und zu fast schon philosophischen Interpretationen einladende Lyrics kleidet. Diese Entwicklung war in den letzten Jahren stetig zu beobachten, ehe sie mit ihrem letzten Album "Wie wir leben wollen" ihren Höhepunkt zu erreicht haben schien. Im Frühjahr 2015 veröffentlichten sie dann ihr 11. Studioalbum "Tocotronic" (das genau genommen denselben Titel wie ihr 6. Album aus dem Jahr 2002 trägt und daher aufgrund seines Artworks gemeinhin "Das rote Album" genannt wird), welches so nah dran am Pop ist, wie man dies bei dem Hamburger Quartett bisher doch eher selten erlebt hat. Und das kombiniert die Band mit ihrem typischen musikalischen Genie um daraus letztendlich wieder einmal ein ganz hervorragendes Album zu basteln, das so manchen tatsächlichen oder potentiellen Hit in sich birgt. Allen voran vermutlich die großartige Pop-Hymne "Die Erwachsenen" (♪♫♪), gefolgt von anderen musikalischen Sahnestücken wie dem wunderbar melodischen "Rebel Boy" (♪♫♪), dem atmosphärisch einnehmenden und nachdenklichen "Ich öffne mich", dem melancholischen und zeitlos anmutenden "Chaos", oder dem wunderbaren und leicht folkloristisch veranlagten, auf leidenschaftlichen Streichern und akustischen Gitarrenklängen tänzelnden "Solidarität". Ein durchweg hervorragendes, bisweilen gar fantastisches Album, das sich so anstandslos in Gedächtnis und Gehörgängen festsetzt, dass es einem mal wieder ganz klar verdeutlicht, warum Tocotronic auch heute noch eine unumstößliche Institution in der deutschen Musik sind.




22. YEARS & YEARS - "COMMUNION"

Was wäre so ein Musik- und Pop-Jahr nur ohne seine Newcomer - oder um mich unmissverständlicher zu formulieren: ohne seine talentierten Newcomer. Denn neue Bands und Musiker gibt es Jahr für Jahr wie Sand am Meer. Doch nur wenige bringen so ein augenscheinliches Talent mit, dass sie schon vor der Veröffentlichung eines Albums von sich reden machen. Und da kommt das britische Elektropop-Trio Years & Years ins Spiel. So konnten sie bereits im vergangenen Jahr mit 2 EP's für einige Aufmerksamkeit sorgen, ehe sie in diesem Frühjahr mit der Single "King" (♪♫♪) einen weltweiten Hit landeten - kein Wunder, bei so einem mitreißenden Synthpop-Ohrfänger, der für mich auch zu den Hits des Jahres zu zählen ist. Das sie musikalisch einiges auf dem Kasten und zudem einen offenkundigen Hang zu großen Melodien haben, machte sich hier schon mehr als deutlich. Doch auch andere Talente schlummern in der Band, was vor allem ihren charismatischen Sänger Olly Alexander betrifft. Diesen konnte der eine oder andere auch schon als Schauspieler bewundern - etwa in der Serie "Skins" oder der Netflix-Horrorserie "Penny Dreadful". In diesem Sommer schob das Trio nun aber endlich ihr Debütalbum "Communion" nach, welches ein schillerndes Synthpop-Vergnügen geworden ist, das fast nur aus waschechten Hits besteht. So unter anderem etwa aus der strahlend melodischen Elektropop-Hymne "Shine" (♪♫♪), dem warmen und in Ansätzen irgendwie leicht "sommerlich" anmutenden Ohrfänger "Take Shelter", dem mit leichten 90er-Erinnerungen spielenden "Worship",  dem housig veranlagten "Desire", der eingängigen Synthperle "Border", der leidenschaftlich-romantischen Midtempo-Ballade "Eyes Shut" oder dem emotionalen und nahezu traurigen "Memo". Zusammen genommen ist "Communion" eine wirklich gelungene Pop-Platte, die zwar aufgrund der vielen vorab bekannten Singles manchmal ein wenig wie eine Singles-Collection wirkt, aber dennoch mit jedem Hören erneut Spaß macht. 




21. RYAN ADAMS - "1989"

Songs zu covern war ja noch nie zwangsläufig eine Kunst. So wurden auch schon in den ganz frühen Tagen der populären Musik fremde Songs gecovert was das Zeug hielt. Somit verstehst es sich von selbst, dass es auch heute nicht unbedingt etwas aufsehenerregendes ist, wenn jemand den Song eines anderen Musikers covert. Wesentlich seltener kommt es dagegen schon vor, wenn sich jemand ein komplettes Album zur Brust nimmt - so wie es der umtriebige und unermüdliche amerikanische Musiker Ryan Adams in diesem Jahr mit Taylor Swift's letztjährigem Multi-Millionen-Seller "1989" gemacht hat. Dazu kommt dann auch noch, dass Adams ja bekanntlich in vollkommen anderen musikalischen Gewässern fischt, als es Taylor Swift ganz allgemein und insbesondere auch auf ihrer Ur-Version dieses Albums tut. Und so denkt er auf seinem "1989" die Stücke des Originals auf seine ganz eigene Weise um - und macht sie sich in chronologischer Reihenfolge zu eigen. Denn trotz der für Mainstream-Pop-Verhältnisse äußerst gelungenen Ausgangsstücke, ist dieses Album ein Paradebeispiel dafür, wie Coverversionen besser als ihre Originale werden können. So wird bei ihm aus dem etwas käsigen Synthie-Pop-Song "Welcome To New York" eine beherzte Rock-Hymne, aus dem catchy Pop-Ohrwurm "Blank Space" (♪♫♪) macht er eine emotionale und akustische Ballade die unter die Haut geht, die Disco-Funk-Pop-Nummer "Style" mutiert in seinen Händen zur atmosphärischen Indierock-Hymne mit 80s-Schlagseite, die ursprünglich schillernde Dance-Pop-Bombe "All You Had To Do Was Stay" (♪♫♪) erinnert in seiner fantastischen Neuinterpretartion ein wenig an den Sound von The Smiths, das im Ursprung eher lockerflockig tänzlende "How You Get The Girl" erlebt hier seine Wiedergeburt als eigentlich schon tieftraurige und minimalistische Ballade, und "This Love" bleibt wie das Original ebenfalls im balladigen Umfeld, aber wird durch ihn in derartige emotionale Höhen empor katapultiert, dass eine Taylor Swift dabei nur so ins Staunen geraten kann.  Damit kann er Swift's ebenfalls ziemlich gutes Original (welches sich ja auch letztes Jahr in der Jahresbestenliste dieses Blogs wiederfand) noch um einiges aufwerten - und macht es prompt zu einem völlig eigenständigen Album, dass wahrlich einen Platz in seinem eigenen Backkatalog verdient hat.




20. KENDRICK LAMAR - "TO PIMP A BUTTERFLY"

Ich bin kein ausgesprochener HipHop-Nerd, was vielleicht auch erklärt, warum Kendrick Lamar's diesjähriges Werk "To Pimp a Buttefly" nicht derart hoch in dieser Liste angesiedelt ist, wie es mit Sicherheit in vielen anderen Bestenlisten des Jahres 2015 der Fall sein wird - rangierte sein Zweitwerk doch schon beim Halbjahres-Zwischenstand manch eines Musikmagazins auf der Pole Postion. Gleichzeitig kündet der Umstand, dass diese Platte dennoch zumindest relativ hoch bei mir angesiedelt ist, auch eben davon, wie glänzend sie auch bei Menschen funktionieren kann, die sie sich nicht zu prinzipiellen HipHop-Fans zählen. So konnte mich der junge Mann zwar auch bereits vor 3 Jahren mit seinem Debüt "Good Kid, M.A.A.D. City" von seinem augenscheinlichen Talent überzeugen - doch gegenüber seinem schon eher im klassischen HipHop-Umfeld angesiedelten Sound, konnte er auf sich nun auf dem Nachfolger "To Pimp a Butterfly" künstlerisch noch einmal steigern. Denn vor allem als ein großes Gesamtwerk betrachtet, wächst das Album immer weiter aus sich heraus. Denn mit seinen auffälligen, aber dennoch spielerisch eingesetzten Funk-, Spoken Word- und Jazz-Elementen, die überall durch die Songs schwirren, sowie mit all seinen vielen verschiedenen klanglichen Facetten und geschickt gesetzten Samples,  kann das Album fast schon eine berauschende Wirkung entfalten.  Und mit all seinen vielen verschiedenen Seiten - wie etwa dem ziemlich ohrwurmigen und Michael Jackson zitierenden "King Kunta" (♪♫♪), dem funky-melodischen und ein wenig an Prince erinnernden "These Walls", dem genial produzierten und von famosen Jazz-Elementen eingerahmten Meisterstück "u", dem sehr nachdenklich  anmutenden "How Much a Dollar Cost" (♪♫♪) oder dem düster-atmosphärischen "The Blacker The Berry" (♪♫♪) - erweckt das Album manchmal den Anschein einer Jam-Session, manchmal aber auch den eines Mixtapes. Nur eben auf einem schwindelerregend hohen Niveau. Und neben all seinen Vorzügen ist es vielleicht ausgerechnet das, was bei "To Pimp a Butterfly" seinen ganz besonderen Reiz ausmacht.  Mag sein, dass man in einigen Jahren von diesem Album als ultimativer HipHop-Klassiker unserer Zeit sprechen wird. Und von mir darf man dann auf jeden Fall keinen Einspruch erwarten.




19. CARLY RAE JEPSEN - "EMOTION"

Es gibt ja immer wieder mal diese Platten, die zwar auf den ersten Blick wohl für die weitere Entwicklung der Pop-Historie keine wirklich nachhaltige Bedeutung haben werden, die aber einfach dennoch so unwiderstehlich süßes Pop-Konfekt darstellen, dass man einfach nicht genug von ihnen kriegen kann und immer wieder von ihnen naschen will. Und in diesem Jahr ist der Sängerin Carly Rae Jepsen mit ihrem 3. Album "Emotion" solch eines gelungen - und das ist durchweg als ein Kompliment zu verstehen. Nicht jedes Album muss gleich einen augenscheinlich tieferen Einfluss ausüben, um als solches zu funktionieren. Und an sich ist es auch ein kleines Kunststück, eine eingängige Pop-Platte zu konstruieren, die auf seine gesamte Spieldauer funktionieren kann. Doch eben dies ist der jungen Kanadierin mit ihren musikalischen Helfern hier tatsächlich geglückt. Schon die erste Single "I Really Like You" (♪♫♪) konnte vorab trotz seines recht einfach gestrickten Wesens pure gute Laune versprühen - doch was daneben auf dem Album noch so los ist, kann so manch eine Pop-Konkurrentin von Neid erblassen lassen. So nehme man etwa gleich schon den einnehmend melodischen Titelsong "Emotion" (♪♫♪), der den Hörer mit seiner gnadenlos funky in die Glieder fahrenden Melodie auf Anhieb von der Couch reißt. "All That" (♪♫♪) besticht dann als verführerisch schöne, 80s-inspirierte und von glitzernden Synthesizern verzierte Pop-Ballade, das von Sia Furler co-komponierte "Making The Most Of The Night" zeigt sich hingegen als Pop-Ohrwurm mit hohem Hitpotential, "LA Hallucinations" krabbelt einem mit seiner catchy Melodie auf Anhieb in die Synapsen, "Warm Blood" verdingt sich als zugleich getragene, melodische und atmosphärisch tanzbare Elektro-Pop-Perle und der ausgelassene Ohrfänger "When I Needed You" ist mit reichlichen und herrlichen 80s-Referenzen ausgestattet. Eine verdammt feine Pop-Platte, die zudem auch noch eine im höchsten Maße sympathische ist. Denn "Emotion" versucht nicht mehr darzustellen, als es tatsächlich ist. Hier wird offenkundig nicht der Versuch unternommen, all dem nachträglich mehr Sinn aufzudrücken, als wirklich dahinter steht. Denn mit "Emotion" wird Carly Rae Jepsen sicherlich keine Leben verändern und genauso wenig ganze Generationen kommender Pop-Musiker prägen. Aber sie wird vielen Hörern damit eine Menge Spaß bereiten und ihnen ein ehrliches und herzliches Lächeln auf's Gesicht zaubern. Natürlich kann man sich dabei nun die Frage stellen, ob all dem in einigen Jahren überhaupt noch ein Hahn nach krähen wird. Doch würde man das immer tun, wären solche lockerflockigen, unbefangenen und unkomplizierten Pop-Vergnügen wie "Emotion" wohl kaum möglich. Und außerdem: bei ABBA hat man sich diese Frage seinerzeit auch schon gestellt. Und die Antwort darauf kennt jeder von uns.




18. ARCA - "MUTANT"

Wer bisher den 25jährigen venezuelanischen Elektro-Musiker und -Produzenten Alejandro Ghersi alias Arca noch nicht auf dem Schirm hatte, der sollte dies vielleicht schnell ändern. Wenngleich es in den letzten paar Jahren nicht allzu leicht gewesen sein sollte, ihm gänzlich aus dem Weg zu gehen. So hat er doch in der Vergangenheit schon mehrfach mit FKA twigs gearbeitet (sowohl an einer EP, als auch an ihrem letztjährigen Debütalbum), war an Kanye West's letztem Meisterstreich "Yeezus" beteiligt und hat dieses Jahr Björk's wunderbares Album "Vulnicura" co-produziert, dem wir hier auch später noch begegnen werden. Doch auch mit eigener Musik rückte der junge Mann bereits spürbar in den Fokus, als er vor einem Jahr mit seinem fabelhaften Debütalbum "Xen" glänzte - das mir aber leider zu spät zu Ohren kam, um noch in der letztjährigen Jahresbestenliste dieses Blogs bedacht zu werden. Doch das kann ich in diesem Jahr nun tatsächlich nachholen, hat er doch pünktlich ein Jahr nach seinem Debüt nun sein Zweitwerk "Mutant" nachgelegt. Und damit bewegt er sich auf einem vergleichbarem musikalischen Niveau wie sein Vorgänger. Gegenüber selbigem geht es auf "Mutant" aber zumeist noch eine Spur düsterer, experimenteller und hier und da auch ein wenig verstörender zu. Doch noch immer bewegt er sich in einem ähnlichen musikalischen Kosmos, wie ich ihn ganz ungelenk mit anderen Elektro-Musikern à la Flying Lotus vergleichen würde - weil noch immer bleibt seine Musik vor allem kreativ, innovativ und progressiv. Klar erkennbare Songstrukturen scheinen dem jungen Mann ein Graus zu sein - was seiner Kunst aber nur zugute kommt. Seine hier ebenfalls prinzipiell instrumentalen Stücke erscheinen wie bewusstseinserweiternde Flickenteppiche, die er aus den verschiedensten musikalischen Elementen, Einflüssen und Klangfetzen zusammen setzt. So ist es mir fast unmöglich, einzelne Stücke hervorzuheben, sind sie doch alle wichtige Bestandteile des Gesamtwerkes, um das es hier doch eigentlich geht. Doch wer einen Vorgeschmack will, der beachte etwa die atmosphärischen und experimentellen Klangkathedralen im Titelstück "Mutant" (♪♫♪), das famose und in dunklen Farben schillernde "Vanity" (♪♫♪), oder auch das düster-melodische und spukige "Snakes". Nach allgemeinen Pop-Maßstäben betrachtet, wird man all diesen erhabenen, verwinkelten und surrealen Klangwelten aber wohl keinen tieferen Sinn abringen können. Hier muss man sich ganz in die Musik fallen lassen, um all seine Facetten ergründen zu können. Man muss die Bilder, welche die Musik zweifellos erzeugt, vorm inneren Augen tanzen und einfach dem Kopfkino freien Lauf lassen. Denn auf "Mutant" beweist Arca mal wieder, dass elektronische Musik auch abstrakte Kunstwerke hervorbringen kann, die genossen und nicht nur einfach konsumiert werden wollen.




17. MADONNA - "REBEL HEART"

Es ist der auf kurz oder lang unaufhaltsame Lauf der Dinge: irgendwann ist es vorbei mit den großen Helden der Vergangenheit, die nach und nach von neuen Exemplaren abgelöst werden. Auch wenn ihr Wirken dadurch nicht relativiert wird, so suchen sich die nachrückenden Generationen doch zunehmend ihre eigenen Helden. Und auch nicht erst einmal wurde versucht, kräftig an Madonna's Pop-Thron zu rütteln: schon einige Male wollten laute Stimmen manch andere Dame zur neuen Queen of Pop krönen - mal Britney Spears, oder mal Katy Perry, Lady Gaga oder zuletzt Taylor Swift. Und Madonna schien dem in den letzten Jahren auch nur wenig entgegensetzen zu können, was sich am spürbarsten in ihren mauen bis schwachen letzten Platten "Hard Candy" (2008) und vor allem "MDNA" (2012) verdeutlichte. Doch als man es eigentlich kaum noch erwartet hatte, sollte sie in diesem Jahr mit ihrem neuen Album "Rebel Heart" endlich den Ausweg aus ihrer kreativen Krise finden. Doch anders als auf vielen ihrer früheren gelungenen Platten wie "Erotica", "Ray of Light" oder "Confessions on a Dancefloor", kreierte sie hiermit keinen in sich geschlossenen Sound. Und sie folgte auch keinem erkennbaren roten Faden mehr, wie er sich noch deutlich spürbar durch andere Alben wie "Music" oder "American Life" zog. Stattdessen sollte "Rebel Heart" ihre bislang vielseitigste Platte überhaupt werden, die mit den verschiedensten Stilen und Inspirationen nur so um sich wirft. So begeistert die erste Single "Living For Love" (♪♫♪) als von 90's-House-Elementen und Gospelchor angereicherter Ohrwurm, "Devil Pray" (♪♫♪) hingegen beschwört mit softer Elektronik und Akustikgitarren die Zeiten von "Music" herauf und mit dem epischen und fantastischen "Ghosttown" (♪♫♪) ist Madonna nicht geringeres als ihre wohl beste Pop-Ballade seit "The Power of Good-Bye" im Jahr 1998 gelungen. In "Unapologetic Bitch" lässt sie mit Dancehall und Raggae für sie ganz neue, sowie auch ganz hervorragend gelungene Töne erklingen, während das von Kanye West produzierte "Illuminati" auf famose Weise minimalistische Elektronik mit Pop und HipHop-Flair verbindet. "Bitch I'm Madonna" liefert dann knallbunten und herrlich schrägen Elektro-Pop, auf "Joan of Arc" thematisiert sie die Schattenseiten des Superstar-Daseins anhand einer warmen Ballade, und Nummern wie "Inside Out" oder "Hold Tight" erweisen sich als Pop-Perlen mit hohem Hitpotential. Wem das noch nicht genug war, dem seien auch die anderen Editionen des Albums an Herz gelegt, stellen deren Bonus-Tracks doch auch einen nicht unerheblichen Mehrwert dar - so wie u.a. etwa das dramatische und von Streichern untermalte "Messiah", der nahezu akustische und autobiografische Titelsong" Rebel Heart" (♪♫♪) oder die grandiose Ballade "Borrowed Time" (♪♫♪). Zwar konnte Madonna im Video zu "Bitch I'm Madonna" mit einem gewaltigen Star-Aufgebot für Aufsehen sorgen, stellte wieder höchst erfolgreiche Welttournee auf die Beine und konnte mit der Single "Ghosttown" beim Leser-Poll des amerikanischen Rolling Stone den Titel "Song des Jahres" ergattern - aber große kommerzielle Chart-Hits konnte das Album leider nicht hervorbringen. Schade, denn an der Qualität der Songs wird es mit Sicherheit nicht gelegen haben. Denn mit "Rebel Heart" ist ihr wieder eine hervorragende Platte gelungen und ihre beste musikalische Leistung seit mindestens 10 Jahren. 




16. THE WEEKND - "BEAUTY BEHIND THE MADNESS"

Das der kanadische Musiker Abel Tesfaye alias The Weeknd zu den großen Hoffnungen des zeitgenössischen R&B gehört, und zusammen mit anderen jungen Künstlern wie Frank Ocean, FKA twigs, Janelle Monaé oder Miguel seinem Genre in den vergangenen Jahren aus seiner kreativen Krise heraus und hin zu ganz neuer Bedeutung verhalf, steht wohl definitiv außer Frage. Ganz so leicht machte es mir sein vor 2 Jahren erschienenes offizielles Debütalbum "Kiss Land" aber dennoch nicht. Was wohl vor allem daran lag, dass der junge Mann einst bereits Gefahr lief, sich künstlerisch ein wenig zu verplempern. Denn trotzdem es sich dabei ja um seinen eigentlichen Erstling handelte, zeigte er sich schon zuvor sehr veröffentlichungsfreudig. So gingen dem ja bereits die 3 Mixtapes "Houe of Balloons", "Thursday" und "Echoes of Silence" (alle 2011) voraus, von denen jedes einzelne in puncto Länge wie Qualität wie ein eigenständiges Album wirkte - und die der Künstler dann im Jahr darauf noch einmal gebündelt und um einige Bonustracks erweitert als "Trilogy" auf den Markt warf. Als dann kurz darauf "Kiss Land" erschien, kam es einem trotz all seiner augenscheinlichen Qualitäten eher wie eine Fortsetzung des bisherigen Weges vor, aber nicht wie der Anfang von etwas neuem. Doch mit seinem diesjährigen Zweitwerk "Beauty Behind The Madness" sollte es vollkommen anders sein. Klang das Debüt noch überwiegend nach qualitativ hochwertigem Restmaterial seiner Mixtape-Reihe, so wirkt sein neues Album noch eine Spur frischer, kreativer und zündender. So kann "Beauty Behind The Madness" einerseits ganz hervorragend als Gesamtwerk funktionieren, das seinen Spannungsbogen praktisch kontinuierlich in schwindelerregenden Höhen halten kann. Doch andererseits ist es randvoll gespickt mit hochkarätigen Hits und anderen Highlights. Der bekannteste unter ihnen wird wohl der famose, funky in die Beine fahrende und zeitweilig stark an Michael Jackson gemahnende Über-Hit "Can't Feel My Face" (♪♫♪) sein, den er zusammen mit Songwriter/Produzent Max Martin (Katy Perry, Taylor Swift) umsetzte. Aber das Album hat des Weiteren noch den düster-genialen PBR&B-Kracher "The Hills" (♪♫♪), die geschmeidig sinnliche Pop-Perle "Earned It", die leidenschaftliche R&B-Soul-Pop-Hymne "Angel" (♪♫♪), oder den famosen, 80s-infizierten und wieder sehr Jacko-ähnlichen Ohrfänger "In The Night" (♪♫♪) zu bieten, aber auch gelungene Duette mit Ed Sheeran auf dem düster minimalistischen "Dark Times", sowie mit Lana Del Rey im wunderbaren und getragen romantischen "Prisoner". All das macht "Beauty Behind The Madness" endlich zu dem, was man sich schon von dem Debüt erhofft hatte: ein Album das hängen bleibt.




15. TROYE SIVAN - "BLUE NEIGHBOURHOOD"

Nachdem mich schon die diesjährige EP "Wild" des jungen Sängers, Schauspielers und YouTubers Troye Sivan überzeugen konnte, war ich mir allerdings immer noch nicht sicher, was ich abschließend von ihm als Musiker halten sollte. Manchmal neigt man ja dazu, junge Nachwuchskünstler aus dem groben Genre des Mainstream-Pop mit skeptischeren Blicken zu beäugen. Doch das dies nicht immer begründet ist, bewies der 20jährige Australier in diesem Jahr mit seinem Debütalbum "Blue Neighbourhood". Hier zeigt der junge Mann, dass er nicht nur eine äußerst schöne, weiche und samtige Stimme sein Eigen nennen kann, die in der Tat auf die Bühne gehört - er setzt sie überdies auch noch sehr gelungen ein: in einer Reihe erstaunlich hervorragender Songs. So etwa schon in der ersten Single "Wild" (♪♫♪), die einen fabelhaften und einnehmend melodischen Pop-Song abgibt, in dem sich sogar der Kinderchor überraschend gut macht. Dazu gesellen sich auf dem ganzen Album aber noch einige andere Höhepunkte, die den zeitgenössischen Mainstream-Pop erfrischend gut aussehen lassen. Da hätten wir etwa die zweite Single "Talk Me Down" (♪♫♪), die als wunderschöne und getragene Ballade punkten kann, aber auch das atmosphärisch elektronische und düster-sinnliche "Bite" (♪♫♪) oder den von asymmetrischen Beats, orgelnden Klängen und schillernden Synthies eingerahmten Ohrwurm "The Quiet". Und auch weitere Beispiele fliegen einem hier nur so zu. So die ungemein catchy veranlagte dritte Single "Youth" (♪♫♪), das shiny melodische und relaxt tänzelnde Liebeslied "for him.", der melodische und warme Midtempo-Ohrfänger "Fools" (♪♫♪) oder das melancholisch schöne, von sanft hin getupften Synthesizern verzierte "Lost Boy". Auch wenn es 2015 weit innovativere Platten gegeben haben mag, so kehrt Sivan hier doch derart gelungen die besten Seiten des zeitgenössischen Pop hervor, dass sich mir nahezu ein Vergleich aufdrängt, den ich in einem anderen Zusammenhang vor Jahren einmal las: denn auch "Blue Neighbourhood" ist so unwiderstehlich, wie mundwarmer Karamellpudding! Doch neben den rein musikalischen Qualitäten, merkt man seinen Songs auch inhaltlich an, dass er persönliche Eindrücke in sie einfließen lässt. Erstaunlich authentische Themen aus der Welt eines Heranwachsenden werden hier behandelt, aber auch sein Leben als junger schwuler Mann - was er dabei ungemein natürlich und oft fast schon beiläufig thematisiert. So befindet er es einfach auf ganz erfrischende Weise für unnöttig, in seinen Songs über eine Frau zu singen, wenn er doch in Wirklichkeit einen Mann meint. Und auch die Videos zu seinem Album erzählen auf so ganz normale Weise die Geschichte eines jungen schwulen Paares, wie man es sonst alltäglich in heterosexuellen Varianten zu sehen bekommt. So fällt mir außer ihm gerade niemand anderes im Pop ein, der in so jungem Alter auf so unverkrampfte Weise mit seiner Homosexualität umgeht, ohne diese dabei aber überzubewerten. Denn auf "Blue Neighbourhood" werden keine Gay-Hymnen und keine emanzipatorischen Parolen angestimmt. Stattdessen gibt es hier einfach eine ganz wunderbare und melodische Coming-of-Age-Platte - die nun mal zufällig aus den Augen eines jungen schwulen Mannes erzählt wird. Und die vor allem anderen nämlich eines zu bieten hat: ganz fabelhafte Pop-Musik, die mit jedem Hören mehr Spaß macht.




14. FOALS - "WHAT WENT DOWN"

Die britische Indie-Rock-Band Foals hat ja auch schon eine recht bewegte und zudem qualitativ hochwertige musikalische Geschichte hinter sich. Angefangen mit dem einst von der Musikwelt ein wenig vorschnell als eine der Vorreiter des groß prophezeiten (und dann doch eher ausgebliebenen) Afro-Beat-Trends ausgerufenen Debüt "Antidotes", bis hin zu den beiden tastsächlich noch besseren und eindringlicheren Nachfolgern "Total Life Forever" (2010) und "Holy Fire" (2013). Und wenn es nicht so gut wäre, wäre es fast schon langweilig: denn auch auf ihrem diesjährigen vierten Album "What Went Down" konnte die Band das Niveau seiner Vorgänger spielend halten. Laut Frontmann Yannis Philippakis soll es sich hierbei um ihr bis dato lautestes und härtestes Album handeln. Und auch wenn ihre neue Platte vor allem typisch nach den Foals selbst klingt, so sind derartige Ansätze auf einigen ihrer Stücke deutlich spürbar. So etwa gleich auf der ersten Single und Titelnummer "What Went Down" (♪♫♪): ein großartiger Indierock-Kracher, die vor allem in den Refrains von einem atmosphärischen Wall-of-Sound aus treibenden Gitarrenriffs angetrieben wird. Oder aber auch im ziemlich roh veranlagten Alternative-Rocker "Snake Oil", sowie im grandiosen, epischen und knapp 7-minütigen Indie-Psychedelic-Rock-Meisterstück "A Knife In The Ocean" (♪♫♪) - das man gut und gerne auch mit unter die Songs des Jahres werfen darf. Zum Teil jeodch auch im wunderbaren "Mountain At My Gates" (♪♫♪), dass sich zwar gleich herrlich melodisch und nachdenklich zeigt, sich aber gen Ende in ein hymnisches Soundgewitter steigert. Aber "What Went Down" ist deshalb kein dreckiges und rotziges Album geworden. Auch hier sammeln sich wieder diese großartigen Melodien und Ohrwürmer, für welche die Band schon immer bekannt war. Und die man etwa im getragen hymnischen "Give It All", im melodischen und teilweise auf relaxte Art funky tanzbaren "Birch Tree", im nachdenklichen und eindringlichen, irgendwie fast schon nach einem Klassiker schmeckenden "London Thunder", sowie im atmosphärischen und hymnischen Ohrfänger "Lonely Hunter" nachhören kann. So hat die Band ihren Sound hier schon durchaus einer leichten Veränderung unterworfen: oft sind rohere und rockigere Elemente deutlicher hervor gehoben als zuvor, die aber ganz mit dem typischen Sound der Band verschmelzen, statt ihn zu überdecken. Und irgendwie genau dieses perfekt ausbalancierte und handwerklich wie künstlerisch hervorragend umgesetzte Zusammenspiel ist es, was die Foals auch auf ihrem vierten Album auf ganzer Linie triumphieren lässt.




13. TAME IMPALA - "CURRENTS"

Das Tame Impala schon längst mit zum allerbesten überhaupt gehören, was Australien musikalisch so zu bieten hat, sollte für Kenner der Band wohl kein großes Geheimnis mehr sein. Wobei "Band" fast schon zu hoch gegriffen ist, war Tame Impala doch vor allem stets die persönliche künstlerische Kopfgeburt des Singer/Songwriters und Produzenten Kevin Parker, der im Grunde auch so gut wie alles bei ihrer Musik selber besorgt - vom Songwirting, über den Gesang und die Instrumente, bis hin zur Produktion. Und was für großartige Kunst dabei entstehen kann, konnte er bereits mit den ersten zwei Platten beweisen, mit denen er den Stoff lieferte, aus dem LSD-Träume sind: "Innerspeaker" (2010) und "Lonerism" (2012) waren und sind nicht geringeres als fantastische und bewusstseinserweiternde Psychedelic-Rock-Großtaten, die auch bei mir auf Anhieb einen gewaltigen Stein im Brett hatten. Drei Jahre nach dem letzten Album ließ Parker 2015 das neue Werk seines Projekts auf die Welt los - und das lieferte auch sogleich eine gewaltige Überraschung. Denn der besagte und bisher für die Band typische Psychedelic-Rock-Sound, wich auf dem dritten Album "Currents" einem überwiegend völlig veränderten Klangbild. Hier rückte er elektronische Elemente wie Synthpop und Disco deutlich in den Fokus und vermengte sie zudem spürbar mit R&B-Einflüssen - und drückte dabei dennoch allem seinen unverwechselbar psychedelisch schillernden Stempel auf. Der auf gewisse Weise schwebend-tanzbare Opener "Let It Happen" (♪♫♪) drückt dies  eigentlich schon perfekt aus, der im Laufe seiner fast 8 Minuten Spieldauer zu einem Psychedlic-Synthpop-Epos anschwillt, der oft an die frühen MGMT erinnert. Danach passiert aber noch so viel wunderbares, dass einem ganz schwindelig werden kann. Man beachte etwa die leidenschaftliche und irgendwie herrlich romantische R&B-Synthpop-Hymne "Eventually" (♪♫♪), den fantastischen, verträumt melodischen und dennoch catchy tanzbaren Disco-Psychedelic-Pop-Ohrwurm "The Less I Know The Better" (♪♫♪), das eingängig synth-popige, zugleich verschroben experimentelle und psychedelische "Past Life", oder  das zauberhaft schöne "Love/Paranoia". Ein großartiges Album, dass sich zwar mit einem dramatisch veränderten Sound auszeichnet, diesen aber in einer so hohen Qualität in Szene setzt, wie man sie auch bisher von Tame Imapala gewöhnt war.




12. JANET JACKSON - "UNBREAKABLE"

Für einige Jahre wähnte man sich ja schon mit einer gewissen Wehmut am wohl unausweichlichen Ende der großen Jackson-Ära. Nachdem die 70er von den Jackson Five, sowie die 80er und 90er stark durch die Solokarrieren von Michael Jackson und seiner kleinen Schwester Janet geprägt wurden, waren die 2000er keine gute Zeit für den Familien-Clan. Michael veröffentlichte 2001 sein letztes reguläres Album "Invincible", welches zudem aber leider künstlerisch einer ziemlichen Katastrophe gleich kam. Dagegen konnte zwar Janet im selben Jahr noch mit ihrem Gegenstück "All For You" überzeugen - aber danach war es kreativ auch um sie so schlecht bestellt, wie noch nie zuvor, als sie sich über die folgenden Alben "Damitoa Jo" (2004), "20 Y.O." (2006) und "Discipline" (2008) immer weiter und gnadenloser in die Belanglosigkeit spielte. Doch als dann im Jahr 2009 ihr Bruder Michael auf tragische und unerwartete Weise starb, wurde es musikalisch vollkommen still um sie. Und so glaubte man bereits, dass die Zeit der Jacksons wohl tatsächlich ein für alle mal vorbei wäre. Doch dann kam in diesem Jahr das, womit wohl kaum noch jemand gerechnet hätte: Janet Jackson kehrte mit ihrem Comeback-Album "Unbreakable" nach 7 Jahren ins Musikgeschäft zurück - und sollte damit wider erwarten auch noch ihr bestes Album seit ihrem 1997er Meisterwerk "The Velvet Rope" in die Welt setzen! Denn hier geht sie endlich wieder so kreativ, experimentierfreudig und relevant zur Sache, wie schon viel zu lange nicht mehr. Und auch wenn auf Albumlänge alles ganz hervorragend zusammen passt, so wohnt "Unbreaklable" dennoch eine enorme Vielseitigkeit inne - und genau genommen fast ausnahmslos hervorragendes Songmaterial. So nehme man etwa den soulig einnehmenden Titelsong "Unbreakable" (♪♫♪), den mitreißenden Club-Kracher "BURNITUP!" (♪♫♪) mit Missy Elliot oder die fantastische Pop-Perle "Should've Known Better" (♪♫♪), die sich durch ruhige, getragene Verse und einen fast schon strahlend  empor schwebenden Refrain auszeichnet. Und man kann hier ewig so weiter machen - mit dem soft elektronischen Ohrwurm "The Great Forever" (♪♫♪), der sich stark am Sound ihres verstorbenen Bruders anlehnt, oder dem warmen und funky-discoiden "Broken Hearts Heal" (♪♫♪), in dem sie wiederum ihre Erinnerungen an Michael und den Verlust durch seinen Tod verarbeitet - und den sie mit der lyrischen Botschaft "Inshallah, see you in the next life" krönt. Dann wäre da auch noch das relaxte, von House- und Funk-Elementen begleitete "Night", der unwiderstehlich melodische Ohrwurm "2 B Loved", die wunderschöne, auf sanft gezupften Gitarrenklängen basierende Ballade "Lessons Learned" oder der ausgelassene, kunterbunte und stark vom Sound à la Sly & The Family Stone beeinflusste Kracher "Gon' B Alright". So ist Janet Jackson in diesem Jahr mit "Unbreakable" wieder ein derart atemberaubend gutes Album gelungen, dass man es ihr nun auch alleine zutraut, ohne ihren großen Bruder den guten musikalischen Namen ihres Familienclans zu verteidigen. 




11. MIGUEL - "WILDHEART"

Der zeitgenössische R&B hatte bei mir noch nie einen prinzipiell leichten Stand. Zwar weiß er mich auch immer mal wieder hellauf zu begeistern, aber doch waren es vor allem stets seine kreativeren Inkarnationen, die mich am ehesten hinterm Ofgen hervor zu locken vermochten. Eben jene, die sich musikalisch nicht nur innerhalb der eng gesteckten Grenzen ihres eigenen Genres bewegten, sondern auch seine entferntesten Winkel ausloteten - oder die Genregrenzen gar gleich sprengten. So waren in den letzten Jahren vor allem junge Nachwuchsmusiker wie Frank Ocean, Janelle Monaé, The Weeknd oder FKA twigs große Glanzlichter einer musikalischen Spielart ihres Genres, das man auch gerne PBR&B oder Alternative-R&B nennt. Und auch der amerikanische Musiker Miguel gehört in diese Liste, der schon vor 3 Jahre mit seinem Zweitwerk "Kaleidoscope Dream" großes Lob bekam und nun in diesem Jahr mit seinem dritten Album "Wildheart" zurecht Begeisterungsstürme auslösen konnte. Die erste Single, die hocherotische und sinnliche R&B-Nummer "Coffee" (♪♫♪), gab davon schon vorab einen guten ersten Eindruck, dass Album selbst hat darüber hinaus aber noch weit größere Highlights zu bieten. So etwa das beinahe schon hymnische und schlichtweg großartige "Waves" (♪♫♪), das R&B- mit deutlichen Pop- und Rock-Elementen vermengt. Diese rockigen Einflüsse findet man hier auch weit häufiger - so etwa auf dem wunderbaren Opener "The Beautiful Exit", dem melodisch mitreißenden Ohrwurm "Hollywood Dreams", in der von Lenny Kravitz an der Gitarre begleiteten Hymne "Face The Sun" (♪♫♪) oder im fantastischen "Leaves" (♪♫♪), welches auf einem Gitarrenriff reitet, welches dem aus "1979" der Smashing Pumpinks derart ähnelt, dass es ihrem Frontmann Billy Corgan kurzerhand ein Songwriting-Credit einbrachte. Das hervorragende "NWA" zeigt den Sänger von einer fast schon leicht düster-getragenen Seite, "DEAL" erweist sich als catchy und funky in die Glieder fahrender Ohrfänger und "What's Normal Anyway" hingegen überzeugt als nachdenkliche Midtempo-Ballade, die von sanften bis atmosphärischen Gitarrenakkorden und soft pochenden Beats untermalt wird. Ein fantastisches Album, das gar bereits mit D'Angelo's letztjährigem Meisterwerk "Black Messiah"  verglichen wurde. Durchaus nicht zu unrecht - aber ob man nun solche Vergleiche ziehen will oder auch lieber nicht: "Wildheart" bleibt so oder so ein großartiges Album, das den modernen R&B auf höchstem künstlerischem Niveau präsentiert - und daneben sogar deutlich spürbare Klassiker-Qualitäten besitzt. 
 



10. MILEY CYRUS - "MILEY CYRUS & HER DEAD PETZ" 

Wir alle kennen Miley Cyrus - oder besser gesagt: wir kennen sie in zwei völlig verschiedenen Versionen. Zuerst einmal als das brave Disney-Girlie mit ins Gesicht gefrästem Dauergrinsen, welches sie in der Kiddy-Serie "Hannah Montana" mimte und ihr zu großer Popularität vehalf. Und dann vor ein paar Jahren kam der radikale Wandel zu der ziemlich schrägen, ausgeflippten, sympathisch-vulgären und stets ein wenig rebellischen jungen Frau, die wir alle heute kennen. Ein durchaus positiver Wandel, den sie aber bislang musikalisch noch nicht durchgemacht hatte. Bis sie dann in diesem Jahr völlig überraschend und für lau ein ziemliches fettes Paket von einem Album raus haute, das sich über 23 Songs und eine Gesamtspieldauer von gut anderthalb Stunden erstreckt: "Miley Cyrus & Her Dead Petz", welches sie überwiegend gemeinsam mit niemand geringerem als den Flaming Lips erarbeitete. Schon als Miley letztes Jahr auf dem Album "With A Little Help From My Fwends" eben jener Flaming Lips auf zwei Nummern aushalf (dabei handelte es sich um eine komplette Cover-Version des legendären Beatles-Albums "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", wo Miley auf den Neuinterpretationen von "Lucy In The Sky With Diamonds" und "A Day In The Life" zu hören war), konnte man bereits eine Ahnung davon erhaschen, dass künstlerisch in der Cyrus doch noch mehr stecken könnte. Aber wer hätte schon mit so etwas wie dem hier gerechnet? Auf "Miley Cyrus & Her Dead Petz" tobt sich die junge Dame so experimentierfreudig, vielseitig und kreativ aus, wie man dies so kaum für möglich gehalten hätte. Die Single "Dooo It!" (♪♫♪), mit der das Album startet, ist allein schon ein perfekter Querschnitt der Platte: tanzbar und schräg, düster und getragen, experimentell und ohrwurmig. Wie das schon andeutet, passiert danach noch eine Menge. Zum Beispiel die wunderbare Synthpop-Perle "Space Boots" (♪♫♪), der unverschämt funky-discoide Ohrfänger "Bang Me Box" oder das düster getragene und emotionale Meisterstück "Cyrus Skies". Darüber hinaus trifft man hier noch auf diverse andere Höhepunkte. So etwa auf die nachdenkliche, wunderbare und zeitlose Ballade "I Get So Scared" (♪♫♪), die von sanften aber einprägsamen Gitarrenakkorden begleitet wird. Direkt darauf folgt mit "Lighters" (♪♫♪) auch gleich eine weitere Perle: eine getragene und melodische Midtempo-Ballade, die sich hingegen das beste vom Wave-Pop der 80er abgeguckt hat. "Tiger Dreams" im Duett mit dem hervorragenden Ariel Pink gelingt dann als kleine Art-Pop-Offenbarung mit sehr schattiger Atmosphäre, was sich dann so ähnlich auch im tollen "Evil Is But a Shadow" fortsetzt. "1 Sun" (♪♫♪) bringt als mitreißender Ohrwurm (der mit einem Auge in Richtung Lady Gaga schielt) sogar wirklich realistische Hitchancen mit und in "Pablow The Blowfish" verewigt sie eine wahrlich zu Herzen gehende Ballade, in der sie ihr verstorbenenes Haustier (den Kugelfisch Pablow) besingt - und dabei letzten Endes gar in ziemlich authentisch anmutende Weinkrämpfe ausbricht. Doch das sind nur Auszüge aus einem Album, das man trotz seiner Länge immer wieder von vorne hören will - und dessen zahlreiche Perlen einen auch immer wieder von neuem überzeugen. Und so konnten wir Miley Cyrus im Jahr 2015 nun auch in einer 3. Version kennenlernen: denn bisher gab es kaum einen Grund, die Dame trotz steigender Sympathie auch als Musikerin ernst nehmen zu können - doch das hat sich mit "Miley Cyrus & Her Dead Petz" nun wohl grundlegend geändert. 




9. BJÖRK - "VULNICURA"

Die ganz wunderbare und mittlerweile wohl schon legendäre Ausnahmekünstlerin Björk, war ja schon immer für so manch eine Überraschung und auch so manch ausuferndes Experiment zu haben. Mal stapelte die Dame, die man mittlerweile als so etwas wie eine Art isländische Pop-Märchenfee ansehen kann, für ihr 2001er Album "Vespertine" unzählige Klangschichten übereinander, später nahm sie mit "Medúlla" im Jahr 2004 ein Album auf, das fast vollständig nur auf der menschlichen Stimme basierte, oder zuletzt kreierte sie 2011 mit "Biophilia" das erste App-Album der Welt, sowie ein multimediales und interaktives Gesamtkunstwerk, auf dem sie Naturphänomene mit zwischenmenschlichen Beziehungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen versuchte. Und nach all diesen vielen abstrakten, experimentellen und zum Teil gar politischen bis hin zu wissenschaftlichen Themen und Einflüssen, die sie in all den Jahren ihrer Karriere behandelte, kam es fast schon einer Überraschung gleich, wie gefühlvoll in jeglicher Hinsicht ihr mittlerweile 9. Soloalbum ausfiel, mit dem sie die Welt Anfang diesen Jahres beglücken solölte. So basiert "Vulnicura" gegenüber den noch weit experimentelleren Vorgängern wieder verstärkt auf Streichern, die hier vom jungen venezuelanischen Produzenten und Musiker Arca (siehe Platz 19) mit elektronischen Beats und Elementen angereichert werden, wodurch es soundästhetisch wieder so stark in die Richtung ihres 1997er Meisterstreichs "Homogenic" rückt, wie wohl sonst kein anderes Album von ihr. Das kann man in meinen Ohren besonders deutlich Stücken wie dem wunderabren "Lionsong" (♪♫♪) oder dem getragenen und dennoch facettenreichen "Family" anhören - aber etwa auch "Black Lake" (♪♫♪), dem grandiosen Herzstück der Platte: ein gut 10-minütiger, tief melancholischer, nahezu fast schon düsterer und stiller Epos, der in seinem Mittelteil durch kontrastreiche elektronische Beats unterwandert wird. Aber auch ein paar andere kleine Einflüsse lässt sich Björk nicht nehmen. So erinnert das atmosphärische "History of Touches" ein wenig an ihre "Vespertine"-Phase (während das Intro des Songs hingegen erst nach "Medulla" schmeckt), mit "Atom Dance" (♪♫♪) liefert sie ein beinahe schon verspieltes und vor allem wunderbares Duett mit Antony Hegarty (Antony & The Johnsons) und das famose "Mouth Mantra" (♪♫♪) spielt verstärkt mit experimentellen elektronischen Soundeffekten. Später in diesem Jahr legte Björk das Album noch einmal als "Vulnicura Strings" nach: ein neuer Mix, der die Songs nur in Begleitung von Streichern darbietet. Doch das sollte man sich lieber sparen - denn nur die Originale erzeugen diese gewisse Magie, die ein Björk-Album auszeichnet. Und die auch "Vulnicura" nicht nur zu einem weiteren großen Wurf der Dame macht, sondern zudem auch zweifellos zu einem der besten Platten seines Jahrgangs. So bleibt Björk auch 2015 so relevant wie eh und je. Und sie macht nicht den Eindruck, als wenn sich daran in Zukunft so schnell etwas ändern wird.




8. PANDA BEAR - "PANDA BEAR MEETS THE GRIM REAPER"

Ich muss gestehen: allzu sehr war ich bislang nicht um das Solo-Schaffen des amerikanischen Experimental-Musikers Noah Lennox alias Panda Bear informiert. Sehr wohl aber mit dem seiner Band Animal Collective, deren letzte paar Alben "Strawberry Jam" (2007), "Merriweather Post Pavillion" (2009) und "Centipide Hz" (2012) mir insbesondere am Herzen liegen. Und dann lief mir der diesjährige fünfte Solo-Ausflug von Panda Bear namens "Panda Bear Meets The Grim Reaper" über den Weg...und sofort war es um mich geschehen. Was bei dem Hintergrund kein Wunder ist, denn man kann so einige soundästhetische Ähnlichkeiten zu seiner Band erkennen. Und dennoch ist es anders - die starke Neigung seiner Band zu experimentellen elektronischen Klängen ist auf der neuen Platte von Panda Bear weit weniger ausgeprägt. So richtig sicher ist man sich hier sowieso nicht, welchem Genre man all dies am ehesten zuordnen soll - zu vielseitig, wandlungsfähig und experimentierfreudig sind die Songs. "Panda Bear Meets The Grim Reaper" ist wie eine psychdelische und experimentelle musikalische Spielwiese, auf welcher der Fantasie kaum Grenzen gesetzt ist. Es geht los mit dem psychedelisch verschwurbelten Opener "Sequential Circuits" (♪♫♪), geht weiter mit der fast schon ohrwurmigen  und mit rockigen Elementen spielenden Single "Mr. Noah" (♪♫♪), dem melodischen und zeitlos schönen "Crosswords" (♪♫♪), welches auf einem Funk-Sample aus den 70ern reitet, oder mit "Boys Latin" (♪♫♪), das wiederum eine unterschwellig hörbare Nähe zum Synthpop und New Wave der 80er zeigt. Im melancholisch verwehten "Tropic of Cancer" schwebt Panda Bear's hallender Gesang (dessen Harmonien von anderen schon sehr treffend mit denen der Beach Boys verglichen wurden)  auf Harfen-Samples aus der "Nussknacker"-Suite, die Ballade "Lonely Wander" wird hingegen von perlendem Piano und kleinen, spacigen elektronischen Effekten untermalt und "Selfish Gene" (♪♫♪) breitet sich auf nahezu hypnotischen und minimalistischen Synthesizern aus. Man könnte Panda Bear auf seinem neuen Album "Panda Bear Meets The Grim Reaper" in keine Schublade stopfen, ohne das nicht sämtliche Gliedmaßen zu allen Himmelsrichtungen heraus ragen würden. Und doch fügen sich all die verschiedenen Bausteine zu einem schlüssigen und mitunter atemberaubenden Album zusammen, das sich keineswegs vor den letzten Platten seiner Band verstecken muss.




7. BLUR - "THE MAGIC WHIP"

Ohne Zweifel waren Blur eine der wichtigsten und besten Bands der 1990er und der frühen 2000er, die auch meine Jugend mit Hits wie "Girls & Boys" (1994), "Song 2" (1997) oder "Coffee & TV" (1999) mit prägten. Doch nachdem sie schon ihr 2003er Album "Think Tank" zum ersten Mal ohne ihren Stammgitarristen Graham Coxon aufgenommen hatten, wurde es fortan still um die Band - was man aber immerhin durch die Tatsache besser zu verschmerzen wusste, dass ihr Kopf Damon Albarn ja noch fleißig mit anderen Projekten für Aufsehen und gute Musik sorgte. Allen voran wohl mit seinen Gorillaz, aber auch mit The Good, The Bad & The Queen, mit Rocket Juice & The Moon oder auch einfach nur solo. Zwar gab es dann schon vor einigen Jahren ein offizielles Live-Comeback der Band, zu der mittlerweile auch Coxon zurückgekehrt war - aber ob aus dieser erneuten Verbindung auch ein neues Album entstehen würde, stand noch in den Sternen. Aber als man kaum noch daran glaubte, legten Blur in diesem Jahr mit "The Magic Whip" ihr erstes Album seit 12 Jahren vor. Und es sollte den Backkatalog der Band um eine weitere Perle bereichern. Das schafften sie aber nicht dadurch, dass sie versuchten da weiterzumachen, wo sie einst aufgehört hatten. Oder im gewissen Sinne irgendwie doch: denn da bisher eh kein Album der Band wie das andere klang, passt auch "The Magic Whip" perfekt in diese Tradition. Denn natürlich bemerkt man zwar immer wieder die typische Handschrift der Briten - aber dabei experimentierten sie immer wieder in die unterschiedlichsten Richtungen, wobei sie auch viele ihrer bisherigen Phasen streifen. Die mitreißende erste Single "Go Out" (♪♫♪) erinnert mit seinen widerborstigen Ecken und Kanten, sowie seinem dennoch deutlich ausgeprägten Pop-Appeal ein wenig an ihre "Blur"-Phase, während der Ohrwurm "Lonesome Street" (♪♫♪) einen ähnlichen Kurs fährt, dabei aber noch etwas mehr in Richtung "Parklife"-Zeiten schielt. Im wunderbaren "Ice Cream Man" hört man auch immer wieder leichte Einflüsse von Albarn's Gorillaz heraus, wie aber etwa auch in der getragen atmosphärischen Hymne "Thought I Was a Spaceman" (♪♫♪), in der sie auch asiatische Einflüsse verarbeiten (wie Albarn es mit den Gorillaz ja bereits auf "Hong Kong" tat). Auch andere Stücke wie das großartige und melancholisch-schöne "My Terracotta Heart" (♪♫♪) oder das nachdenkliche "There Are Too Many Of Us" (♪♫♪) kann man als junge Klassiker ansehen, wie aber etwa auch "Pyongyang", welches in den Versen noch recht düster drein schaut, dann aber zu einem fast schon strahlenden Refrain ansetzt. Im Grunde kann man fast jeden Song hier einzeln erwähnen - denn schlecht oder uninteressant wird es hier nie. Mit "The Magic Whip" gelang Blur ein exzellentes Comeback-Album, das sie nicht einfach nur als eine lang vergangene Band erscheinen lässt, die den Glücksgriff eines gelungenen Comebacks gelandet hat - sondern als  eine Band, welche noch immer dieselben Stärken besitzt, die sie schon einst ausmachte.  




6. GRIMES - "ART ANGELS" 

Pop-Musik kann ja so vielseitig und wendungsreich sein - zumindest wenigstens in der Theorie. In der Praxis sieht das allerdings häufig schon wieder ganz anders aus. Da funktioniert es bei vielen quasi noch immer  wie bereits in der Prä-Beatles-Phase des Pop: als ein Album nur als eine Ansammlung unterschiedlicher Songs angesehen wurde und nur als Konsumprodukt galt, das hauptsächlich von Label und Produzenten bestimmt wurde - eigentlich erst die Beatles sollten den gesamtkünstlerischen  Ansatz zur der Gleichung hinzufügen.  So gesehen hat sich also auch seit damals nicht viel geändert - allerdings auch nicht bezüglich des Umstandes, dass es nach wie vor auch eben die Musiker gibt, die Popmusik noch als eine Kunstform begreifen. Und in genau dieser Tradition arbeitet auch die kanadische Musikerin und Produzentin Claire Boucher alias Grimes. Denn auch wenn sie ihr musikalischer Werdegang immer mehr auf diesen Weg führte, so suchte sie vor allem mit ihrem diesjährigen 4. Album "Art Angels" ihre volle künstlerische Unabhängigkeit: vom Songwriting bis zur Produktion und vom Mixing bis zum Cover-Artwork, kommt hier alles allein aus ihrer Hand. Und damit ist ihr ein schwindelerregend gutes, buntes und kreatives Album gelungen, dessen Songs so klingen, als hätte sie darin die Essenz der Pop-Musik der vergangenen 30 Jahre destilliert. Der kurze, intro-artige Opener "Laughing And Not Being Normal", schwebt noch ziemlich klassisch-dramatisch auf Streichorchester und Piano daher, während das Album direkt darauf in das sonnenscheinig tänzelnde "California" startet - und dann fortan den unterschiedlichsten stilistischen Metamorphosen unterworfen wird. So wie im düster fauchenden, mit rockigen und sperrigen Elementen experimentierenden "Scream" (♪♫♪), im mitreißend melodischen Floorfiller "Flesh Without Blood" (♪♫♪) oder in der hinreißend melodischen Pop-Perle "Belly of the Beat" (♪♫♪). Daneben kann der Titelsong "Art Angels" mit seiner einnehmenden Melodie und seinen funky tanzbaren Elementen begeistern und "Easily" kommt als sanfte und verträumte, aber dennoch verspielte Pop-Perle daher. Der großartige Dance-Pop-Ohrwurm "REALITi" (♪♫♪) hätte es wiederum verdient ein Welthit zu werden, "World Princess Part II" (♪♫♪) erweist sich dagegen als 80s-lastiges und umwerfendes Synthpop-Meisterstück und auch das fantastisch produzierte "Venus Fly" mit Janelle Monaé tut sich als weitere Perle hervor. All das macht "Art Angels" zu einer Art Paradebeispiel dafür, wie ein Pop-Album im Jahr 2015 klingen sollte - wenn man das, was hier alles passiert, überhaupt noch schlicht Pop nennen darf. Aber genau das ist es im Grunde - nur mit einem perfekt inszenierten Spagat zwischen Eingängigkeit und Experimenten, wie man das in so innovativer, dynamischer und kreativer Ausprägung nicht nur in diesem Jahr selten erlebt hat.
  



5. JAMIE XX - "IN COLOUR"

Man erlebt es ja nicht allzu selten, dass so manch ein Mitglied einer renommierten Band früher oder später nebenbei noch eine eigene Solokarriere anstrebt. Dabei kann zwar schon so manch großer Wurf und auch so manch spektakuläre Solokarriere rum kommen, aber wohl noch weit öfter stellt man sich doch die Frage nach dem Sinn - denn viel zu häufig unterscheidet sich bei derartigen Ausflügen der Stil der Solowerke kaum bis gar nicht von dem, was die eigene Band so treibt...oder bleibt gar erschreckend weit hinter deren Qualität zurück. Doch bei einem derart umtriebigen künstlerischen Geist wie dem von Jamie Smith alias Jamie xx, ist ein Soloalbum fast schon eine logische Konsequenz. Der britische Produzent, Remix-Artist und DJ ist ja eigentlich der Soundtüftler beim fantastischen Indiepop-Trio The xx. Zwar mögen seine beiden Bandkollegen Romy Croft und Oliver Sim als Stimmen der Band im Rampenlicht stehen - aber hinter all dem hockt und über all dem thront Jamie xx und drückt allem seine ganz eigene und großartige Sound-Handschrift auf. Das der junge Mann aber noch ganz andere musikalische Interessen und Talente besaß, konnte man schon an diversen Remixen, Solo-Tracks und ähnlichem erkennen, die er neben seiner Band so anfertigte. Und in diesem Jahr hat er mit "In Colour" sein im Grunde schon heiß ersehntes Solo-Debüt veröffentlicht - für einen Künstler wie ihn eine perfekte Bühne, um all die muskalischen Ideen und Experimente auszuleben, die mit der gemeinsamen Band dann vielleicht doch nicht immer möglich sind. Doch auch Facetten seines künstlerischen Schaffens mit The xx ließ er hier mit einfließen. Besonders deutlich wird das eben auf den Stücken, in denen seine beiden Bandkollegen mit dem Gesang aushelfen. Allen voran wohl die grandiose Single "Loud Places" (♪♫♪) mit Romy Croft, dass wie ein soulig aufgepimptes Update eines The-xx-Songs anmutet. Und das fantastische "Stranger In a Room" (♪♫♪), bei dem widerum Oliver Sim die Vocals beisteuert, hätte mit seiner getragen-melancholischen Atmosphäre, den sanften und minimalistischen Synthesizern, sowie den schwerelos im Raum hängenden Gitarren, eine grandiose Figur auf dem letzten Album der Band gemacht. Daneben tobt sich der junge Mann hier aber so unermüdlich, leidenschaftlich und kreativ in den unterschiedlichsten stilistischen Baustellen aus, dass man mit dem Staunen kaum noch hinterher kommt. Dabei trifft man etwa auf so famose und facettenreiche, elektronisch veranlagte Instrumental-Stücke wie "Gosh" (♪♫♪) oder "The Rest Is Noise", aber auch auf experimentierfreudige und verschachtelte Sample-Flickenteppiche wie "Sleep Sound" oder "Girl" (♪♫♪). Auf "Obvs" begegnen wir dann einem verträumten, soft elektronischen und von Steel Drums dominierten Meisterstreich, während er auf "I Know There's Gonna Be (Good Times)" (♪♫♪) sogar zu einem Dancehall-Ohrwurm ausholt, auf dem er stimmlich von Young Thug und Popcaan unterstützt wird. Das gesamte Album mutet in seinem Endresultat ohne Übertreibung in etwa so bunt wie auch sein Cover-Artwork an - weiß der Teufel, wie er es hingekriegt hat, aus "In Colour" trotz seiner zum Teil völlig gegensätzlichen Einzelteile, ein so tadellos funktionierendes Gesamtwerk zu basteln. Aber das ist genau genommen auch unwichtig. Das ihm hier ein großartiges Solo-Debüt gelungen ist, welches das Jahr 2015 um einen weiteren ultimativen musikalischen Höhepunkt bereichert, ist die Hauptsache.




4. STEVEN WILSON - "HAND. CANNOT. ERASE."

Zwei Jahre ist es erst her, als der britische Musiker Steven Wilson mit seinem bislang letzten Album "The Raven That Refused To Sing And Other Stories" hellauf zu begeistern vermochte. Ein düsteres, episches und großartiges Prog-Rock-Konzeptwerk, das auf diesem Blog einst auch zurecht zur Platte des Jahres geadelt wurde. Schaurig-traurige Geschichten über den Tod, über Geister und allerlei Gruseliges erzählte er uns dort - und schuf damit ein Werk, das eine Atmosphäre in Töne bannte, die einen mal an Stephen King, dann wieder an Edgar Alan Poe oder auch mal an Franz Kafka zu erinnern vermochte. Und nach diesem Meilensten, hat Wilson dieses Jahr bereits sein neues und insgesamt viertes Soloalbum "Hand. Cannot. Erase" in die Welt gesetzt. Und das steht seinem Vorgänger in kaum etwas nach. Auch hier folgt das Album wieder einem grundlegenden Konzept, dass der Musiker in etwa so ausdrückte: eine junge Frau zieht in die große Stadt, wo sie eines Tages plötzlich verschwindet - und trotzdem sie jung, attraktiv und beliebt ist, viele Freunde und Familie besitzt, vermisste sie niemand. 3 Jahre lang! Ein erneut emotional sehr vielschichtiges Konzept, das er musikalisch aber ganz anders umsetzte, als noch zuletzt. So ist der Grundcharakter der Platte merkbar (wenn auch nicht immer durchgehend) optimistischer als zuletzt und es kommen zudem vermehrt elektronische, aber vor allem auch popige Elemente zum Einsatz. Zwar gibt es auch hier noch diese typisch epischen und wandlungsfähigen, von ausladenden Instrumental-Passagen begleiteten Prog-Rock-Großwerke, mit denen er auch auf seinem letzten Album begeisterte. Das gleich nach dem kurzen Intro folgende "3 Years Older" (♪♫♪) ist etwa gleich so eines - welches sich dann auch sofort als hochmelodischer und mitreißender Epos erweist, der sich aus mehreren, zum Teil grundverschiedenen Phasen zusammen setzt. Und das gelingt so großartig, dass einem am Ende seine 10 Minuten Spieldauer fast schon kurz vorkommen. Den  melancholisch-schönen, atmosphärischen und zwischendurch gar auch mal hymnischen 9-Minüter "Routine" (♪♫♪) muss man dabei dann ebenso erwähnen, wie auch das großartige "Ancestral", dass tief melancholisch und nachdenklich beginnt, in seinen gut 13 Minuten Länge aber wieder verschiedene spannende Wendungen und Metamorphosen durchmacht (und die übrigens auch beide als Duett mit der israelischen Sängerin Ninet Tayeb entstanden). Aber wie bereits erwähnt, gibt es hier etwa auch ein paar mehr hin zum Pop orientierte Stücke, was etwa gleich den hervorragenden Titelsong "Hand Cannot Erase" (♪♫♪) auf den Plan ruft: ein Song, der sich problemlos als Dauerbrenner fürs Radio eignet, weil er selbiges dadurch kräftig aufwerten würde. Auch "Perfect Life" (♪♫♪) passt recht gut in dieses Konzept: wenngleich der Song ruhig, getragen und mit ausgedehnten Spoken-Word-Passagen (die von Katherine Jenkins beigesteuert wurden) beginnt, so wandelt er sich doch bald zu einer melodischen und zauberhaft schönen Pop-Perle, bei der einem richtig warm ums Herz werden kann. Und doch ist "Hand. Cannot. Erase." eines dieser Alben, die am besten als geschlossene Einheit, als ein Gesamtkunstwerk funktionieren, welches man am Stück und nicht in kleinen Häppchen genießen sollte. Spätestens dann kann sich die ganze Qualität des Albums am besten entfalten und dem Hörer eines der spannendsten musikalischen Kapitel des Jahres 2015 offenbaren.




3. FATHER JOHN MISTY - "I LOVE YOU, HONEYBEAR"

Eigentlich ist es schon nahezu ein Wunder, wenn man dem amerikanischen Folk- und Rock-Musiker Joshua Tillman nicht schon in irgendeiner Form musikalisch über den Weg gelaufen ist. So war er nicht nur Gründungsmitglied von Bands wie Saxon Shore oder den Fleet Foxes, sondern spielte auch in der Metalcore-Band Demon Hunter und veröffentlichte als J. Tillman seit 2003 bereits 8 Soloalben. Und auch wenn mir persönlich alles von ihm jenseits der Fleet Foxes bislang entgangen war, so kann ich doch auf jeden Fall von Glück reden, dass mir sein diesjähriges Album "I Love You, Honeybear" unter dem Pseudonym Father John Misty zu Ohren kam. Denn hier ist ihm eine der mit Abstand bezauberndsten Folk-Platten des Jahres gelungen - so bunt, verspielt, romantisch und leidenschaftlich, dass es eine wahre Freude ist, den Geschichten zu lauschen, die er uns hier zu erzählen hat. Und in denen er mitunter aber auch nicht unbedingt immer ein Blatt vor en Mund nimmt, sowie er auch mit gelgentlichem Sarkasmus nicht geizt. Schon im feierlichen und in bunten Farben erstrahlenden Titelsong "I Love You, Honeybear" (♪♫♪), welcher in das Album einführt, heißt es gleich zu Beginn: "Oh honeybear, honeybear, honeybear / Mascara, blood, ash and cum / On the Rohrschach sheets were we make love." "Bored In The USA" (♪♫♪) zeichnet sich als lyrisch sarkastiache und kritische, aber musikalisch dennoch gefühlsbetonte Ballade aus - die später kontrastreich mit Lachschleifen unterlegt wird. Auch bei "Holy Shit" (♪♫♪) mag man am Namen nicht die soundtechnisch wunderbare, sanfte und warme Nummer vermuten, die dahinter steckt - die aber wiederum zum Titel passend mit interessanten und genialen Lyrics versehen ist, die zu ausgedehnten Interpretationen einladen, wie etwa: "Carbon footprint, incest dreams / Fuck the mother in the green / Planet cancer, sweet revenge / Isolation, online friends." Aber auch aus der rein musikalischen Perspektive betrachtet warten hier noch manche Ohrfänger - und eine enorme stilistische Vielfältigkeit. So erweist sich etwa das im Albumkontext schon beinahe überraschend elektronische "True Affection" (♪♫♪)  als äußerst pop-orientiert, sowie gewürzt mit Synthies und vagen 80s-Einflüssen. "The Night Josh Tillman Came To Our Apartement" bietet bittersüßen und melodieverliebten Folk-Pop mit zeitweilig leicht barocken Elementen, im leidenschaftlich-romantischen "When You're Smiling And Astride Me" kann man leicht soulige Einflüsse erkennen, in "Nothing Good Ever Happens At The Goddamn Thirsty Crow" wechseln sich sowohl Country-, als auch Blues- und Jazz-Momente ab, "Strange Encounter" (♪♫♪) offenbart ein zeitlos großartiges und amtosphärisches Folk-Pop-Meisterstück, das zunehmend von Streichern erobert wird, und "The Ideal Husband" ergeht sich in beherztem Folk-Rock, der sich deutlich roher und kantiger gibt, als was man sonst auf dem Album so zu hören bekommt. All diese aus der Nähe betrachtet völlig unterschiedlichen, aber in seiner Gesamtheit perfekt ineinander greifenden und miteinander harmonierenden Zutaten, machen "I Love You, Honeybear" zu einem atemberaubenden Folk-Pop-Meisterwerk, das auch lyrisch eine Menge zu entdecken bietet.  Ein Album, das man 2015 nicht verpasst haben darf.




2. SUFJAN STEVENS - "CARRIE & LOWELL"

Wenn man sich ein wenig im Terrain des US-Folk bewegt, könnte der amerikanische Singer/Songwriter Sufjan Stevens einem ja schon etwas länger ein Begriff sein. So ist der gute Mann doch auch schon seit bummelig 15 Jahren musikalisch aktiv und hat diesbezüglich schon so manch eine Perle in die Welt gesetzt. Platten wie "Michigan" (2003) oder "Illinois" (2005) zählen im Grunde schon zu den modernen  Folk-Klassikern - und zuletzt konnte er 2010 mit "The Age of Adz" erneut sowohl Kritiker wie auch Hörer in schiere Begeisterung versetzten, als er seinen Folk-Sound stärker in elektronische Gefilde verlagerte. Seitdem waren auch schon geschlagene 5 Jahre ins Land gezogen, als Stevens dann im Frühjahr 2015 endlich sein neues und mittlerweile siebtes Studioalbum in die Welt setzte - mit dem er aber wieder ganz andere Töne anschlagen sollte, als noch zuletzt. Denn auf "Carrie & Lowell" verlässt er die elektronischen Klangsphären und zaubert einen minimalistischen und warmen Folk-Sound, der nur mit wenigen klangtechnischen Effekten spielt - und stattdessen ganz von den Songs, den Melodien und dem emotionalen Gesang Sufjan Stevens' lebt. Das mag auch mit an den Hintergründen des Albums liegen: so ließ der Musiker sich hier von dem Tod seiner Mutter Carrie im Jahr 2012 inspirieren - gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse, als auch sein Stiefvater Lowell werden hier thematisiert und symbolisiert. Das verspricht ein sehr persönliches und intimes Album, welches "Carrie & Lowell" auch in jeglicher Hinsicht geworden ist. Und ein wunderschönes Album noch dazu, merkt man hier doch nahezu jeder einzelnen Sekunde diese emotionale Tiefe an, welche man hinter so einem Konzept vermuten darf. Im wunderbaren und sparsam arrangierten Opener "Death with Dignity" (♪♫♪) etwa illustriert er die Einsamkeit und den Verlust durch den Tod seiner Mutter, das zeitlos schöne "Should Have Known Better" (♪♫♪) beschreibt wie er sich selbst daran hinderte, ihren Tod richtig betrauern zu können und das großartige und zum heulen traurig-schöne "Fourth Of July" (♪♫♪) spiegelt ein Gespräch zwischen Stevens und seiner im Sterbebett liegenden Mutter wider. Das atmosphärische und emotionale "Blue Bucket of Gold" (♪♫♪) kann man als Metapher für die Gefühle und Gedanken von Sufjan Stevens bezüglich dem nicht unkomplizierten Verhältnis zu seiner Mutter interpretieren - welche ihn im Kindesalter verließ und kurz nachdem sie wieder in sein Leben trat, an Krebs verstarb. Angesichts seiner persönlichen Tragödie scheint Stevens' dann in "Drawn To The Blood" (♪♫♪) seinen Glauben infrage zu stellen ("For my prayers has always been love, what have I done to deserve this?"), während das zärtlich-spartanische "Eugene" von nostalgischen Kindheitserinnerungen des Sängers kündet, ehe es später auch den Tod seiner Mutter und seine nachfolgenden Depressionen thematisiert. Aber auch biblische und religiöse Symbolik nutzt Stevens auf seinem neuen Album, was man aus so wunderbaren Stücken wie "John  My Beloved" recht deutlich heraus hören kann. Und auch rein musikalisch ist "Carrie & Lowell" ein herausragendes Meisterwerk, das vollkommen zurecht von Musikexperten über den Klee gelobt wurde. Und man muss es wohl sogar als einen der bislang besten Folk-Momente der 2010er bezeichnen. 




1. JOANNA NEWSOM - "DIVERS"
Die amerikanische Musikerin Joanna Newsom ist ja nicht erst seit gestern dafür bekannt, ganz wunderbare, manchmal fast schon von unwirklicher Schönheit beseelte Musik zu erschaffen. Aber durchaus auch dafür, es nicht jedem Hörer dabei auch immer wirklich einfach zu machen. So ist ihre Kunst zwar im Grunde stets melodisch, bezaubernd und harmonisch, aber ebenso auch in hohem Maße kunstvoll, avantgardistisch und anspruchsvoll. Und das kostete sie in der Vergangenheit mit ungeheurem Enthusiasmus auf verschiedenste Weise aus. Ihr Debüt "The Milk-Eyed Mender" (2004) begann noch mit minimalistischen Folk-Songs und bewegte sich im Terrain gängiger Alben, aber schon bei ihrem 2006er Zweitwerk "Ys" reichten bereits 5 (dementsprechend lang geratene) Songs aus, um das Album auf eine Spieldauer von einer Stunde zu strecken. Mit dem fabelhaften Nachfolger und bislang letzten Album "Have One On Me" (2010) - welches wohl endgültig die Harfe als ein gewisses Markenzeichen der Künstlerin etablierte - nahm sie zwar überwiegend Abstand von den besonders ausladenden Stücken, doch als ein 3-fach-Album konnte es die Spieldauer seines Vorgängers auf geschlagene 2 Stunden verdoppeln. Doch nachdem Joanna Newsom nun in diesem Jahr - nach einem halben Jahrzehnt der Abwesenheit - endlich ihr viertes Album "Divers" auf die Welt los ließ, sollte dies auch mit einer gehörigen Überraschung für vor allem all jene einher gehen, die bisher wenig Zugang zu der ausufernden Kunst der Damer finden konnten. Denn hier bewegt sie sich nicht nur wieder im Bereich klassisch aufgebauter Alben (eine knappe Stunde Musik, verteilt auf 11 Songs), sie konzentriert auch ihre kreative Energie so grandios wie im Grunde noch nie. Dabei legt sie zudem eine Vielseitigkeit an den Tag, gepaart mit einer für ihre Verhältnisse überraschenden Eingängigkeit, wie man dies so kaum vermutet hätte. Dabei geht sie aber nach wie vor so kunstvoll, inspiriert und experimentierfreudig vor, dass es "Divers" zu ihrem wohl bislang zugänglichsten, aber gleichzeitig auch allgemein besten Album macht. So startet es schon tadellos mit dem blumig melodischen Folk-Opener "Anecdotes" (♪♫♪), den sie stimmungsvoll mit Flöten, Bläsern, Harfen, Piano und Streichern ausschmückt. Dieser führt dann direkt hinüber zum verspielt tänzlenden und mitunter gar feierlichen Folkpop-Ohrwurm "Sapokanikan" (♪♫♪) und zum wunderbaren, melodischen und atmosphärischen "Leaving The City" (♪♫♪), welches einen der deutlichsten Kate-Bush-Momente des Album widerspiegelt. Dem folgen dann mitunter noch der 7-minütige und sanfte Folk-Epos "Divers", die großartige, sich anfänglich auf Piano und Vogelgesängen stützende Ballade "Time, As a Symptom" (♪♫♪), welche sich aber zunehmend zu einer wahren Hymne aufrichtet, das fabelhafte "Goose Eggs" (♪♫♪), auf dem sie barocke und bunt psychedelische Klänge mit nach Country und Soul schmeckenden Elementen verbindet, oder das grandiose "You Will Not Take My Heart Alive" (♪♫♪), das gen Ende in sanft schwebenden, aber dennoch eindringlichen Synthesizern mündet. 



Wie ja schon zuvor bei einem Song angedeutet, so kann man aber auch über das gesamte Album sagen, dass die Parallelen zu der Kunst einer Kate Bush noch nie zuvor bei Joanna Newsom so deutlich ausgeprägt waren, wie dies auf "Divers" der Fall ist. So war eine künstlerische Verwandtschaft zu der britischen Pop-Dame zwar schon länger unterschwellig spürbar, doch nie zuvor trat es so deutlich in den Vordergrund. Denn nicht viele beherrschen eine derartige Gabe, Pop mit Kunst zu verbinden und all dem auch noch eine gewisse Eigenwilligkeit einzuhauchen. Das kannte man zwar auch bereits von den früheren Platten von Joanna Newsom - und ähnlich wie bei ihnen, ist auch bei "Divers" das Ganze mehr als nur die Summe seiner Teile. Doch hier gelang es der Dame ihre kreativen Kräfte so gelungen zu bündeln, wie selten zuvor. Und so schafft sie es hiermit nicht nur sich künstlerisch weiter zu entwickeln, sondern geht dabei auch gleichzeitig einen großen Schritt auf den Hörer zu - und solch einen Spagat schaffen wahrlich nicht viele. Das alles macht "Divers" in meinen Augen bzw. Ohren zu einem ganz und gar zauberhaften Folk-Pop-Meisterwerk und zu meiner persönlichen Platte des Jahres.