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Donnerstag, 12. Mai 2016

Besprochen: BEYONCÉ - "LEMONADE"

Vor gut 2 Jahren leitete Miss Knowles-Carter mit ihrem unerwartet großartigen letzten Album "Beyoncé" eine neue Phase ihrer Karriere ein, die spätestens jetzt mit dem Nachfolger "Lemonade" endgültig zur Perfektion findet: ein Album, das seine Zeit vermutlich noch lange überdauern wird.

Über die weiteste Strecke ihrer bisherigen Karriere konnte man Beyoncé Knowles doch leicht mit einer gewissen Grundskepsis begegnen. Ohne Frage war schon früh klar, dass eine Menge Talent und Potential in ihr steckte - und Hits hat sie auch in aller Regelmäßigkeit auf die Welt los gelassen, die sich zu weiten Teilen auch dauerhaft in den Hirnwindungen einnisteten. Schnell stieg sie seit dem Beginn ihrer Solokarriere ab den frühen 2000ern zu einer der erfolgreichsten und größten Musikerinnen unserer Zeit auf und war fortan aus dem Musikbusiness unmöglich wegzudenken. Aber trotz alledem: ein durchweg anständiges und wirklich essentielles Album wollte ihr ums verrecken nicht gelingen. Ihre ersten vier Platten sollten überwiegend nach dem allzu typischen Mainstream-Pop-Prinzip funktionierten: eine knappe handvoll Hits und zündender Ohrwürmer, die um einen Haufen mittelmäßigen Füllmaterials ergänzt und auf Albumlänge gestreckt wurden (eine kleine Ausnahme stellte dabei am ehesten ihr viertes Album "4" dar, welches als ganzes Album immerhin als solide durchgehen konnte). Doch was genau auch immer mit ihrem 5. Album "Beyoncé" vor gut zwei Jahren in sie gefahren sein mag: man wollte schon beim ersten Hören dieses Albums vor lauter Dankbarkeit ehrfürchtig vor den Boxen auf die Knie gehen. Oder um wenigstens die eigene Kinnlade wieder aufzusammeln, nachdem einem selbige vor Staunen zu Boden gekracht war. Denn als man schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, überraschte uns die Dame auf ihrem selbstbetitelten Album mit einem hochkarätigen Werk, auf dem man sie so innovativ und kreativ wie noch nie erlebte. Doch eigentlich muss einen dieser plötzliche Wandel auch wieder nicht so sehr überraschen. Denn schon so manch ein Musiker brauchte eine Weile, um als Künstler zu wachsen - oder eben um sich durch Erfolg eine gewisse Unabhängigkeit zu erarbeiten, die ihm zunehmend freiere Hand auf seine eigene Kunst gewährte. Und so scheint die Königin des zeitgenössischen amerikanischen R&B mit ihrem letzten Album eine neue Karrierephase eingeleitet zu haben - die sie nun auch auf ihrem neuen und 6. Studioalbum "Lemonade" mehr als konsequent fortsetzt. Ähnlich wie sein Vorgänger stellt auch die neue Platte eine Art "visual album" dar, welches in Verbindung mit einem 1-stündigen Kurzfilm daher kommt, der zu jedem Song ein aufwendig produziertes Video liefert. Und auch musikalisch kehrt sie zum Glück nicht zu ihrer alten Manier zurück (was ja durchaus zu befürchten stand), sondern legt im Grunde genommen nochmal zusätzlich eine kräftige Schippe oben drauf - noch emotionaler und persönlicher, zum Teil düsterer und auch facettenreicher geht sie auf "Lemonade" zu Werke, als man es bislang je von ihr gewöhnt war. Das schaffte sie mit einer langen Liste an Songwritern, Produzenten, Gastmusikern und Samples, die ob ihrer Größe anfangs skeptisch stimmen kann: allzu oft verderben doch viele Köche den Brei. Doch das Endergebnis ist über jeden Zweifel erhaben, so geschickt wie sie hier mit ihren Helfern all die vielen Bestandteile zu einer Reihe nahezu fantastischer Songs verflechtet.



Das geht gleich beim Opener los - der emotionalen und persönlichen Ballade "Pray You Catch Me", der man doch recht deutlich anhören kann, dass hier der Brite James Blake als Co-Songwriter mitgewirkt hat (und mit dem es ein wenig später auf dem kurzen, aber wundervollen "Forward" als Duett-Partner ein Wiedersehen gibt). Danach folgt das hervorragende und optimistischer gestimmte "Hold Up", welches auf einem prägnanten Sample eines Easy-Listening-Oldies von Andy Williams reitet und zudem noch mit Songwriting-Credits von Ezra Koenig (Vampire Weekend) und Joshua Tillman (Father John Misty) dienen kann. Auf "Don't Hurt Yourself" (♪♫♪) stimmt sie hingegen im Duett mit Jack White eine deutlich von Blusrock geprägte und mit rohen Ecken und Kanten versehene Nummer an, die sich an Auszügen aus Led Zeppelin's "When The Levee Breaks" bedient. Mit "6 Inches" lässt sie kurze Zeit später ein famos atmosphärisches Duett mit The Weeknd folgen, welches mit Samples von Isaac Hayes ("Walk on By") und Animal Collective ("My Girls") jongliert - während sie direkt darauf in "Daddy Lessons" zu einer von Akustikgitarren, Handclaps, "Yee-haw"-Rufen und jazzigen Bläsern begleiteten Americana/Country-Perle ihre Kindheit in Texas thematisiert. Und auch zum langsamen Ende hin hagelt es noch weitere Hingucker. Ein besonderes Highlight ist dabei etwa "Freedom": eine kraftvolle und mitreißende Hymne an die afroamerikanische Frau, die auf einem Sample eines 60s-Psychedelic-Klassikers von Kaleidoscope basiert und ein Rap-Feature von Kendrick Lamar im Gepäck hat. Dem folgt dann sofort die ganz und gar wunderbare Midtempo-Ballade "All Night", die sich in den himmlisch schönen Refrains die einprägsamen Bläser aus OutKast's "SpottieOttieDopaliscious" borgt - bis das Album dann schlussendlich von seiner ersten Single abgerundet wird: der minimalistischen und stark HipHop-orientierten Black-Power-Hymne "Formation", die trotz all ihrer zum Teil überragenden Qualitäten im Grunde fast noch den "schwächsten" Part des Albums bildet.



Trotz des eh schon überaus famosen Vorgängers: so experimentierfreudig, vielseitig und spannend, so emotional, zeitlos und kurzum so verdammt gut wie auf "Lemonade", hat man Beyoncé bis dato noch nicht erlebt. Aus so vielen völlig unterschiedlichen Puzzleteilen zusammen gebaut, dass einem bei näherer Betrachtung nahezu schwindelig werden kann - und doch so harmonisch und passgenau zusammengefügt, dass es einem wahren Kunststück gleichkommt.  Man möchte zwar nicht zu weit vorgreifen, aber darf man sich hier wohl die Dreistigkeit heraus nehmen, zu behaupten, dass "Lemonade" seine Zeit vermutlich noch lange überdauern wird.