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Dienstag, 29. April 2014

Besprochen: MANDO DIAO - "AELITA"

 Tragisch, aber wahr: Mando Diao sind es offenbar überdrüssig geworden, auch weiterhin gute Musik zu machen - und so liefern sie mit dem neuen Album "Aelita" einfach mal ihre künstlerische Todeserklärung!

Zu Beginn dieser Rezension zum neuen Album von Mando Diao, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als einen kurzen Blick über die Schulter zu werfen, zurück zu dem wie alles begann und sich entwickelte. Denn Mando Diao lagen mir von Anfang an am Herzen. Schon als sie damals - noch unbemerkt vom großen Mainstream - mit ihrem Debüt "Bring 'Em In" starteten: ein melodisches, mitreißendes, rotziges, keifendes und dennoch popiges Stück elektrisierenden Britpops, den man nach London oder Manchester verortet hätte...aber nicht in ein kleines Kaff in Schwedens Einöde. Zwar wurde ihr Zweitwerk "Hurricane Bar" eine Spur glatter und hitorientierter, was aber der Begeisterung keinen Abbruch tat. Und daraufhin folgte mit dem dritten Album "Ode To Ochrasy" ihr absoluter Höhepunkt, auf dem sie rotzigen Britpop, hymnischen Hard-Rock, Folk-Anklänge, Psychedelia-Momente und einen Haufen famoser Pop-Melodien zu ihrem persönlichen Meisterwerk vereinten. Selbst das unter höchst ungewöhnlichen Umständen entstandene vierte Album "Never Seen The Light of Day", mit dem Mando Diao ihrem Label EMI zum Abschied einen Flop schenken wollten, der wie Blei in den Regalen liegen bleiben sollte, wurde ein erstaunlich hervorragendes Werk. Und man begann zu glauben: was diese Band anfasst, kann einfach nicht schlecht werden. Leider weit gefehlt - denn ironischerweise fing die kreative Talfahrt ausgerechnet mit ihrem großen, massiven Durchbruch im Mainstream an. Ihr 5. Album "Give Me Fire" brachte den massiven Hit "Dance With Somebody" hervor und konnte immerhin noch halbwegs überzeugen - stellte aber ihre bis dahin wohl deutlich schwächste Arbeit dar. Danach gab es für die Band eine mehrjährige Pause, welche die beiden Frontmänner Björn und Gustaf dafür nutzten, ihre musikalischen Geschmacksverirrungen zu erforschen, indem sie mit dem Projekt Caligola ganz schlimmes Pseudo-Funk-Irgendwas veranstalteten, das man eigentlich nur noch als ziemlichen Fehlgriff betrachten kann. Doch dann kam ein kleiner Lichtblick: Mando Diaos erstes Album seit Jahren war das komplett in schwedischer Sprache gesungene "Infruset" - das zwar im Rückblick relativ flott weg ploppte, aber doch gewisse Hoffnungen in die weitere Zukunft der Band weckte. 

Doch diese hatten Mando Diao bereits vor Wochen mit ihrer neuen Single "Black Saturday" mit einem Schlag zunichte gemacht. Als dieser erste Vorbote ihres neuen Albums "Aelita" zum ersten Mal an meine Ohren drang, fragte ich mich, ob das ein schlechter Scherz sein soll! Ein schmieriger 80er-Jahre-Schlager mit einer käsigen Synthie-Hookline, die auch Modern Talking nicht klischeehafter hätten hinkriegen können. Ich war entsetzt. Und dieses Entsetzen steigerte sich noch um ein Vielfaches, als mir das Cover-Artwork des neuen Albums "Aelita" unter die Augen kam. Denn diese wilde Collage der fiesesten 80s-Geschmacklosigkeiten, ist wohl eines der allgemein fürchterlichsten Platten-Cover, die mir jemals untergekommen sind. Aber man sagt ja so schön: man soll ein Buch nicht nach seinem Einband bewerten. Und auch eine erste Single hat noch nie zwangsläufig etwas über das gesamte folgende Album ausgesagt.


Doch aller restlicher Hoffnung und schlussendlich auch des Versuches der Angewöhnung zum Trotz: "Aelita" ist nicht nur eine kleine Katastrophe, sondern eigentlich eine totale! Von dem was die Band über all die Jahre auszeichnete, egal welche stilistische Ausprägung ihre Songs auch immer hatten, ist absolut gar nichts mehr übrig geblieben. Auf ihrem neuen Album hören wir fast so etwas wie die Karikatur einer einstmals guten Band - einen akustischen Tod auf Raten. 
Alle Songs werden hier in eine dicke und klebrige Sound-Soße getunkt, die nicht mal mehr den Funken einer Ahnung zulässt, dass hier eine eigentlich talentierte Band darunter vergraben ist. Ein Klischee jagt das andere und keine Peinlichkeit wird ausgelassen. Nehmen wir etwa "Rooftop" (♪♫♪): eine Art undefinierbarer RnB mit Funk-Anleihen, fürchterlichen weiblichen Background-Vocals und Vocoder-Gesängen. "Money" (♪♫♪) qäult als klischeebeladene Synthiepop-Attacke, beim 80s-orientierten "Sweet Wet Dreams" (♪♫♪) kann nur das fürchterlich kitschige Gesamtergebnis die Peinlichkeit seines Titels schlagen, bei "If I Don't Have You" (♪♫♪) muss man sich dann geschlagene 8 Minuten durch einen schläfrigen Synthie-RnB-Irgendetwas-Brei mit stetigem 80s-Unterton wühlen, "Lonely Driver" (♪♫♪) verkommt zu einer ziemlich klebrigen Midtempo-Pop-Ballade der übelsten Sorte und "Romeo" (♪♫♪) wird mit einer dicken und zähen New-Wave-Glasur überzogen und mit Schlager-Streusseln garniert. Ganz diplomatisch  ausgedrückt, hat die Band hier ihren bislang tiefsten künstlerischen Abgrund erreicht und mit fragwürdiger Leidenschaft all seine Winkel ausgelotet. Ist man jedoch gnadenlos ehrlich, dann kann man bei all dem gar nicht so viel saufen, wie man gerne kotzen möchte.
  
Vor dem inneren Ohr höre ich ja schon die jüngeren Fans der Band, die einst wohl sogar "Dance With Somebody" als "indie" empfanden, den Vorwurf skandieren, dass sich die Band auf ihrem neuen Album einfach weiterentwickelt habe. Doch muss man auch verstehen, was der Unterschied darin ist, sich künstlerisch weiter oder eben zurück zu entwickeln. Was die Beatles auf "Sgt. Pepper", Radiohead auf "OK Computer" und "Kid A", oder was Nirvana auf "Nevermind" gemacht haben - DAS ist Weiterentwicklung! Doch das was etwa David Bowie in den 80ern oder Madonna auf ihren letzten paar Alben gemacht hat, ist alles andere als das. 

Ein klein wenig kommt mir aber auch der Genesis-Vergleich in den Sinn. Waren sie noch in den 70ern unter Peter Gabriel eine famose Prog-Rock-Band, verkamen sie danach unter Phil Collins zu eben dem, was Mando Diao auch auf "Aelita" sind: eine fiese Schlager-Kombo.