♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Montag, 30. März 2020

Review: DUA LIPA - "FUTURE NOSTALGIA"

Mit ihrem zweiten Album "Future Nostalgia" macht sich Dua Lipa endgültig daran, die Machtverhältnisse im weiblichen Pop unserer Tage deutlich zu ihren Gunsten zu verschieben. 

Die britische Musikerin Dua Lipa sollte natürlich jedem bekannt sein, der sich ein wenig mit zeitgenössischem Pop befasst. In den letzten Jahren legte das 24jährige ehemalige Model mit Songs wie "Be The One", "New Rules", "IDGAF" oder "One Kiss" mit Calvin Harris weltweite Hits vor, und auch ihr 2017er Debütalbum "Dua Lipa" wurde sowohl von Kritikern als auch Hörern äußert wohlwollend aufgenommen. Doch trotz alledem fand ich sie durchaus nicht übel, aber in meiner persönlichen Wahrnehmung spielte sie stets eine eher ungeordnete Rolle. Sie tauchte quasi  die meiste Zeit höchstens an den äußersten Rändern meines musikalischen Radars auf. Doch mit ihrem neuen Album "Future Nostalgia" sollte sie nun schlagartig auf dessen Zentrum zusteuern - denn wer ein offenes Herz für gute Popmusik hat, der kann bei dem Zweitwerk der jungen Dame praktisch gar nicht enttäuscht werden. Dabei hat sie auf "Future Nostalgia" eigentlich nichts neu erfunden, sondern nahm nach eigener Aussage Inspirationen aus den 80ern, 90ern und 00ern, um daraus einen zeitlosen und modernen Retro-Dance-Sound zu kreieren. Und so zitiert sie sich hier auch auf gewisse Weise quer durch durch den Pop der vergangenen Jahrzehnte, was man schon in den Vorabsingles des Albums erahnen konnte. So etwa die erste Single (und Welthit) "Don't Start Now" (♪♫♪), die mit Einflüssen aus Disco und Eurodance spielt, oder auch mit der zweiten Single "Physical", die Stile wie Synthpop, Powerpop und Pop-Rock zusammen bringt, und laut der Sängerin einen "Flashdance"-artigen Song darstellt, der sich zudem an Teilen der Lyrics des gleichnamigen 1981er Hits von Olivia Newton-John bedient.   



Und das setzt sich auch auf dem restlichen Album munter fort. So kann der funky tanzbare Opener und Titeltrack "Future Nostalgia" vor allem durch seinen stark ausgeprägten Sprechgesang gewisse Erinnerungen an Kesha wecken - wenngleich dies zumindest in meinen Augen bei Dua Lipa wesentlich ansprechender funktioniert. Die lässige und catchy Disco-Nummer "Levitating" wurde schon fraglos zurecht mit dem Stil der Spice Girls verglichen, und der housig veranlagte Dance-Pop-Song "Hallucinate" (♪♫♪) weckt hingegen Erinnerungen an Kylie Minogue und Lady Gaga - und durch die Textzeile "My, my, my, my" im Refrain bei mir als BTS-Fan auch an deren letztjährigen Hit "Boy With Luv". Der schicke Pop-Ohrwurm "Love Again" (♪♫♪) hingegen nutzt ein Sample aus Al Bowlys 1930er Schlager "My Woman", auch wenn der direkte Ursprung hier leichter auf den 1997er Hit "Your Woman" von The White Town zurückzuführen ist, wo das Lied ebenfalls gesampelt wurde. Und die brandneue Single "Break My Heart" (♪♫♪) erweist sich als retro-futuristischer Disco-Stampfer, der auf einem berühmten Sample des Hits "Need You Tonight" (1987) von INXS basiert. 

Das "Future Nostalgia" gerade von weltweiten Kritikern über den Klee gelobt wird (Metacritic errechnet eine derzeitige Durchschnittsbewertung von 89 von 100), kann wahrlich nicht verwundern. Schließlich hat Dua Lipa hier ein schillerndes und vor guter Laune und (potenzieller) Hits nahezu berstendes Disco-/Dance-Pop-Album in die Welt gesetzt, mit der sie sich anschickt, die Machtverhältnisse im zeitgenössischen weiblichen Pop beträchtlich zu ihren Gunsten zu verschieben. Denn das so große Mitstreiterinnen wie Katy Perry, Lady Gaga & Co. uns ein derart schmackhaftes Pop-Konfekt angerichtet haben, wie es hier Dua Lipa gelang, ist ja nun auch schon eine ganze Weile her.





Review: PET SHOP BOYS - "HOTSPOT"

Bei den Pet Shop Boys bleibt weiterhin alles beim Alten - denn auch auf ihrem 14. Studioalbum "Hotspot" klingt die beiden noch immer so relevant, wie schon vor über 30 Jahren.

Die Pet Shop Boys sind wahrhaft ein kleines popmusikalisches Wunder. So haben Neil Tannent und Chris Lowe es stets mit viel Erfolg vermieden, musikalisch zu altern, und hüpfen auch in ihren 60ern noch immer so frisch und catchy aus den Lautsprechern, wie sie es schon vor über 30 Jahren taten. Kreativ war es auch immer ähnlich gut um das Duo bestellt. Denn trotzdem das Niveau bei den Alben der Pet Shop Boys immer schon sehr hoch lag (nur das recht maue 1996er "Bilingual", und vielleicht auch das in Teilen recht altersmilde anmutende "Elysium" von 2012 stellen da eine Ausnahme dar), konnte man das Duo ausgerechnet in den vergangenen paar Jahren mit ihren letzten beiden Alben "Electric" (2013) und "Super" (2016) in absoluter Höchstform erleben. Und da stellt auch ihr jüngstes und insgesamt 14. Studioalbum "Hotspot" keine große Ausnahme dar, das laut Band nach seinen beiden Vorgängern den Abschluss ihrer von Stuart Price (Madonna, The Killers) produzierten Album-Trilogie bildet. Und dennoch stellt es sich künstlerisch / stilistisch nicht ganz in eine Reihe mit selbigen. So waren "Electric" und "Super" zwei deutlich club-orientierte Alben, die mehrheitlich mit catchy Ohrwürmern und mitreißendem Elektro-Pop die Tanzflächen stürmten. Doch "Hotspot" hebt sich dagegen doch hörbar ab, und schafft ein Gleichgewicht aus tanzbaren Stücken und melancholischen bis schwelgerischen Balladen. Doch es ist mehr als nur das...denn mit Sicherheit hat es auch damit zu tun, dass "Hotspot" als erstes Album der Band fast vollständig in den legendären Hansa-Studios in Berlin entstand, wo bereits einige große Alben von u.a. David Bowie, Iggy Pop oder Nick Cave das Licht der Welt erblickten. So ließ sich das Duo in vielen Stücken auch hörbar von Berlin und Deutschland inspirieren - was unweigerlich gewisse Parallelen zum ebenfalls in selbigen Studios entstandenen Klassiker "Heroes" von  David Bowie wachruft.



Schon ganz besonders deutlich wird dies im Opener, dem catchy mitreißenden (Euro-) Dance-Pop-Ohrwurm "Will-o-the-Wisp" (♪♫♪): "Will of the wisp / The U1 is such a party train / Will-o-the-wisp / From Uhland to Warschauerstraße / Will-o-the-wisp / Emerging from below past Nollendorfplatz / Will-o-the-wisp / In search for love and laughter." Oder auch gleich darauf in der warmen und zärtlichen Ballade "You are the One", die zwar musikalisch recht nah an der Kitschgrenze operiert, aber dennoch stets auf der guten Seite bleibt - und sich fast schon wie ein Liebeslied an Berlin anhört: "Driving down to Zehlendorf / Lie on the lake on a summer afternoon / Laughing at some mistranslation / Order coffee and cake, then take the train / Back into Mitte to see a film about love and liberation." Und auch im deutlich clubig veranlagten Elektropop-Floorfiller "Wedding in Berlin" kommt dies deutlich zur Geltung, welches sich an Auszügen vom klassischen Hochzeitsmarsch des deutschen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy bedient. Aber auch abseits solch direkter Bezüge passiert auf "Hotspot" reichlich spannendes. So nehme man etwa den herrlich 90s-infizierten Dance-Pop-Song "Happy People" (♪♫♪), die schicke und ohrwurmige Leadsingle "Dreamland" (♪♫♪) mit Years & Years, so getragene und melancholisch schöne Synthpop-Balladen wie "Hoping for a Mircale" (♪♫♪) und "Only in the Dark", oder natürlich den ungemein cathchy Disco-Dance-Pop-Ohrfänger "Monkey Business", der wahrhaft das Zeug zum weltweiten Hit hätte.

So ist den Pet Shop Boys mit "Hotspot" wieder einmal ein wunderbares Pop-Album gelungen. Durch sein Gleichgewicht aus tanzbaren Floorfillern und nachdenklichen bis romantischen Balladen, strahlt es zwar keine ganz so runde und geschlossene Atmosphäre aus, wie es seine beiden Vorgänger taten - aber es bewegt sich dabei dennoch auf einem solch hohen Pop-Niveau, wie man es von den Pet Shop Boys mittlerweile auch gar nicht mehr anders gewohnt ist.








Sonntag, 29. März 2020

Review: HALSEY - "MANIC"

Mit ihrer dritten Platte "Manic" ist Halsey ein so facettenreiches, authentisches und kreatives Album gelungen, dass sie damit die Messlatte für das Pop-Jahr 2020 bereits mächtig hoch legt.

Bis vor nicht allzu langer Zeit spielte die heute 25jährige amerikanische Singer/Songwriterin Ashley Nicolette Frangipane alias Halsey in meiner musikalischen Wahrnehmung keine große Rolle. Ihre auch von Kritikern eher wohlwollend bewerteten ersten beiden Alben rauschten weitestgehend an mir vorbei, während ich sie eher bewusst als Duettpartnerin von etwa Justin Bieber ("The Feeling", von seinem 2015er Album "Purpose"), oder The Chainsmokers (der 2016er Welthit "Closer") wahrnahm. Bis dahin war sie für mich überwiegend noch eine unter vielen Stimmen, die überwiegend durch das Formatradio an mich drangen, als das sie wirklich auf meinem persönlichen musikalischen Radar sichtbar gewesen wäre. Dies änderte sich allerdings spätestens Anfang 2019, als sie einen überaus sympathischen Auftritt als Feature-Gast im Hit "Boy With Luv" der südkoreanischen Band BTS hatte - der sogar zu einem bis heute nahezu freundschaftlichen Verhältnis zwischen ihr und der Band führte. Und wie es sich für einen guten ARMY gehört (wie sich die Fans von BTS nennen, zu denen ja auch ich zähle), hieß ich sie auf meine Weise in der BTS-/ARMY-Familie willkommen, indem ich mich endlich näher mit ihr als Musikerin auseinandersetzte. Und das war dann auch der Moment, in dem ich herausfand, dass der sehr schöne, und auf einem Sample von Justin Timberlakes "Cry Me a River" basierende Elektro-R&B-Pop-Song "Without Me" (♪♫♪) von ihr stammte, der mir durch das Radio bekannt war. Nun war mein Interesse an ihr endgültig geweckt - aber es sollte trotzdem noch fast 1 Jahr ins Land ziehen, bis sie diesem Hit endlich auch ein Album folgen ließ. Das macht allerdings überhaupt nichts! Denn mit ihrem neuen und dritten Album "Manic" hat sie eine so kreative, vielseitige, authentische und fabelhaft produzierte Pop-Platte ausgeheckt, die einen für die lange Wartezeit vollständig entschädigt. Denn die Qualität der Songs auf diesem Album liegt so hoch, dass ihr großer Hit fast schon wie ein netter Bonus erscheint, ohne den das Album aber auch keinen Deut schlechter gewesen wäre.




Denn hier findet man einige popmusikalische Juwelen, wie die wunderbare, mit soften Gitarren angereicherte Elektropop-Perle "Graveyard", die hervorragend und überhaupt nicht kitschig in Szene gesetzte Midtempo-Country-Ballade "You Should Be Sad" (♪♫♪), oder das großartige "Forever...(Is a Long Time)" (♪♫♪), das sanft und nahezu lieblich beginnt, sich zu einer emotionalen Pianoballade wandelt, und schlussendlich in experimentell elektronische Klanglandschaften abdriftet. Und es geht noch weiter - so etwa mit dem famosen "Dominic's Interlude" auf dem sie gemeinsam mit Dominic Fike auf den Spuren von den Beatles und den Beach Boys wandelt, mit dem mitreißenden und einen herrlich "dreckigen" 90s-Charme ausstrahlenden Pop-Rock-Ohrwurm "3AM", und mit dem fantastischen "Alanis' Interlude" (♪♫♪), auf dem Duettpartnerin Alanis Morissette einen ihrer stärksten Auftritte seit ihren goldenen 90ern hinlegt. Oder etwa auch mit der wunderbaren, melodischen und getragenen HipPop-Perle "Suga's Interlude" (♪♫♪), auf dem der BTS-Rapper Suga mit von der Partie ist, oder mit der fantastischen Pop-Hymne "Still Learning" (♪♫♪), an dem Ed Sheeran und Romy Madley Croft von The xx als Co-Komponisten beteiligt waren. 

So kann ich nur von Glück reden, dass ich Halsey als Künstlerin nun ein wenig näher kennengelernt habe. Denn sonst wäre mir mit "Manic" ein enorm mitreißendes, facettenreiches, authentisches und kreatives Pop-Album entgangen, mit dem sie sich in meinen Augen als eine der spannendsten Musikerinnen des zeitgenössischen Pop erweist.






Sonntag, 8. März 2020

Review: BTS - "MAP OF THE SOUL : 7"

Auf ihrem neuen Album "Map of the Soul : 7" verbinden BTS die psychologischen Theorien C.G. Jungs, mit einem Rückblick auf ihre 7-jährige Bandgeschichte - und haben damit das ambitionierteste, spannendste und beste Album ihrer bisherigen Karriere vorgelegt.

Was hat die südkoreanische Band BTS doch bereits für einen langen und spannenden Weg hinter sich - auch wenn es erstaunlicherweise noch einige Menschen dort draußen gibt, die noch nie etwas von dem 7-köpfigen Pop-Phänomen um die vier Sänger Jin, Jimin, Taehyung und Jungkook, sowie die drei Rapper RM, Suga und J-Hope gehört haben. Oder von anderen wiederum werden sie immer noch auf schändliche Weise unterschätzt - doch hinter BTS steckt weit mehr, als nur der Hype, den viele dahinter fälschlich vermuten. In den letzten 7 Jahren, die seit ihrem Debüt vergangen sind (und was genau derselben Zeitspanne entspricht, in der sämtliche Alben der Beatles entstanden sind), haben sich BTS mit mehr als einem Dutzend Platten (an deren Songwriting und Produktion die Band auch immer entscheidend beteiligt ist), sowie viel Talent, Arbeit und Fleiß zur derzeit erfolgreichsten Band der Welt entwickelt. Und ich kann mich nicht entsinnen, wann dies zuletzt einer nicht englischsprachigen Band gelungen ist. Doch ihr schwindelerregender Erfolg verwundert nicht, liefert die Band doch stets hochwertige, authentische und wandlungsfreudige Popsongs, welche die Band durch nahezu alle denkbaren Stile und Genres führen. Und zu allem Überfluss ist all das auch nahezu immer verpackt in tiefgründige, verschachtelte und durchdachte Konzeptalben und -serien, auf denen sich die Band u.a. mal mit dem deutschen Literaturklassiker "Demian" (1919), ein anderes mal mit  den Hürden des Heranwachsens, oder auch mit dem Weg zu wahrer Selbstliebe befasste. Auf ihrer aktuellen "Map of the Soul"-Serie führte sie ihr Weg dann sogar hin zur Psychologie. Eingebettet in ein übergeordnetes Konzept um die psychologischen Theorien der "Landkarte der Seele" des bedeutenden schweizerischen Psychologen Carl Gustav Jung (in denen er im frühen bis mittleren 20. Jahrhundert die verschiedenen Ebenen der Psyche benannte und beschrieb), gewähren  uns BTS hier Einblicke in ihre Seele, und überblicken dabei ihren beschwerlichen und steinigen, aber auch nahezu beispiellosen und strahlenden Werdegang. Die Serie begann letztes Jahr mit ihrem Mini-Album "Map of the Soul: Persona", das sich vor allem um die von Jung beschriebene Persona dreht: die Ebene unserer Psyche, die eine Art gesellschaftliche Maske darstellt, welche all unsere positiven und sozial akzeptablen Charaktereigenschaften wiederspiegelt, und die wir alle unbewusst in der Öffentlichkeit tragen - weshalb das Album auch einem musikalisch wie inhaltlich überwiegend optimistischen Grundcharakter folgte. Und ihr neues Album "Map of the Soul : 7" erzählt dieses Konzept nun 10 Monate später nicht nur zu Ende, sondern fasst es auch zusammen, startet es doch gleich mit fünf der sieben Stücke des ersten Teils der Serie. So etwa mit dem Opener "Intro: Persona": einer elektrisierenden Rap-Rock-Nummer von Bandleader RM, welche das Intro ihres zweiten Mini-Albums "Skool Luv Affair" (2014) sampelt, und in dem er angelehnt an Jungs Theorien die verschiedenen Facetten seiner Seele erforscht. Und zudem gibt es von dem letzten Mini-Album dann auch ein Wiedersehen mit dem unfassbar catchy Funk-Pop-Ohrwurm "Boy With Luv" feat. Halsey (der im Titel mit Bezügen zu ihrem 2014er Hit "Boy In Luv" spielt), dem wunderbaren und mit Ed Sheeran co-komponierten "Make It Right", mit der von Jin, Jungkook und J-Hope interpretierten Ballade "Jamais Vu" (dessen Titel das genaue Gegenteil eines Deja Vu beschreibt), oder auch mit der epischen Rap-Rock-Hymne "Dionysus". Und all das ergänzte die Band hier nun um mehr als ein Dutzend neuer Songs, die sich einer enormen Stilvielfalt bedienen, und das übergeordnete Konzept auf geniale Weise weiterführen. Denn in den restlichen Stücken geht es bezüglich der Theorien C.G. Jungs um den Schatten und das Selbst, weshalb die Band hier vor allem von den Schattenseiten erzählt, die sie in sich tragen oder die sie durchlebten - während sie dabei aber auch zu der Erkenntnis gelangen, dass all diese Schatten ein fester Teil ihres Schicksals sind. Das wird dann schon gleich auf dem ersten neuen Stück von "Map of the Soul : 7" deutlich: dem fantastischen, kreativen und düsteren Rap-Meisterstück "Interlude: Shadow" (♪♫♪) als Solo von Suga, welches ein Sample aus dem Intro ihres ersten Mini-Albums "O!RUL8,2?" (2013) nutzt, und auf dem die Ebene unserer Psyche thematisiert wird, die Jung den Schatten nannte: der genaue Gegenpol und der dunkle Zwilling der Persona, welcher die untrennbare dunkle Seite unserer Psyche bildet. Dies überträgt der Rapper hier vor allem auf die Ängste und Schattenseiten, die der Erfolg mit sich bringt: "Shadow at my feet, look down, it's gotten even bigger / I run but the shadow follows, as dark as the light's intense / I'm afraid, flying high is terrifying / No one told me how lonely it is up here / (...) The moment I'm flying high as I wished / My shadow grows in that blasting stark light / Please don't let me shine, don't let me down, don't let me fly / Now I'm afraid / The moment I face myself brought lowest / It so happens that I'm flying the highest." Zugleich erkennt er aber, dass auch die Schatten dazu gehören....sowie auch in unser aller Persönlichkeit: "Yeah I'm you, you are me, now do you know / Yeah you are me, I'm you, now do you know / We are one body, sometimes we will clash / You can never break me off, this you must know / Yeah can't break me off, whatever you do." (Übersetzung)



Dem folgt dann gleich die erste Single "Black Swan": eine Trap-R&B-Perle, die musikalisch eine geschickte Verwandtschaft zu ihrem 2018er Hit "Fake Love" aufweist, und inhaltlich die Angst davor anspricht, eine schmerzhafte Distanz zu einer persönlichen Leidenschaft zu entwickeln. In diesem Fall  Musik und Tanz, ist der Song doch einerseits durch den gleichnamigen Film inspiriert, doch vor allem durch ein Zitat der legendären Tänzerin und Choreografin Martha Graham: "A dancer dies twice - once when they stop dancing, and this first death is the more painful". Und das schlägt sich auch deutlich in den Lyrics des Songs nieder: "The heart no longer races / When hearing the music play / Tryna' pull up / Feels like time has stopped / Oh that would be my first death I been always afraid of / If this can no longer resonate / No longer make my heart vibrate / Then like this may be how I die my first death / But what if that moment's right now?" (Übersetzung) Weiter geht es dann mit dem herrlichen Solo "Filter" (♪♫♪) von Jimin, auf dem er zu stimmungsvollen Latin-Vibes über die verschiedenen Seiten seiner Persönlichkeit singt, sowie auch mit dem fabelhaften Solosong "My Time" (♪♫♪) von Jungkook, in dem er über die Jahre in der Band sinniert, in denen er vom Jugendlichen zum erwachsenen Mann heran reifte: "24, feels like I became a grown-up faster than anyone else / My life has been a movie, all the time / I ran towards where the sun rises every single night / It's like I've been to somebody's tomorrow / The boy who found the world too big." (Übersetzung) Oder dann das atmosphärische, elektronisch frickelnde und  schlicht und ergreifend großartige "Louder Than Bombs" (♪♫♪), welches vom australischen Singer/Songwriter Troye Sivan co-komponiert wurde - und in dem sie davon erzählen, wie sie durch Schmerz und Dunkelheit an Stärke und Selbstvertrauen gewonnen haben. Und danach hat die famose Leadsingle ihren Auftritt: das durch Klänge aus HipHop, R&B und mitreißenden Marschtrommeln geprägte, und von Sia co-komponierte "ON"  (welches auf der digitalen Version des Albums als Bonus-Track auch im Duett mit ihr enthalten ist). Während sich der Song in seinem Titel auf ihre 2013er Single "N.O" bezieht, erzählen sie in seinen Lyrics aller Kämpfe und Schattenseiten zum Trotz, über ihre Berufung als Künstler: "Bring the pain, it'll become my blood and flesh / Bring the pain, no fear, now that I know the way / Breathe on the small things / My air and my light in the dark / The power of the things that make me 'me' / Even if I fall, I come right up, scream / (...) Can't hold me down cuz you know I'm a fighter / Choosing to descend into the dark abyss / Find me and I'm gonna bleed with ya." (Übersetzung)



Doch das war noch längst nicht alles, warten doch unter den 19 Tracks des Albums noch deutlich mehr Highlights. So u.a. Taehyungs hymnisches Solo "Inner Child" (♪♫♪), das eine Ode an das jüngere und durch schlechtere Zeiten gehende Ich des Sängers darstellt. Oder auch das fabelhafte "Friends" (♪♫♪), auf dem Taehyung und Jimin ihre tiefe Freundschaft besingen, und das in seinen mitreißenden, von Streichern und Bläsern ausgeschmückten Arrangements streckenweise fast schon ein wenig beatle-esk erscheint. Wunderbar auch der unwiderstehlich schöne Gitarrenpop-Ohrwurm "Moon" (♪♫♪) von Jin, in dem er seine Liebe zur ARMY (wie die Fans der Band sich nennen) zum Ausdruck bringt. So singt Jin, der aufgrund seines überaus attraktiven Äußeren auch unter dem Spitznamen "Mr. Worldwide Handsome" bekannt ist, hier u.a. so Zeilen wie: "You are my earth, I'm just a moon to you / Your little star that lights up your heart / You are my earth, and all I see is you / The only thing I can do is to gaze at you like this / Though everyone says I'm beautiful, but my sea is all black / A star where flowers bloom and the sky is blue / You are the truly beautiful one." (Übersetzung) Noch ein besonderes Highlight (unter wahrlich vielen) stellt auch die einfach nur wunderschöne, mit EDM-Elementen angereicherte Pop-Hymne "We are Bulletproof: The Eternal" (♪♫♪) dar, die sich auf ihre zweite Single "We are Bulletproof, Pt.2" (2013) bezieht, und in der sie sich daran erinnern, dass sie einst nur als sieben Jungs starteten, aber über die vergangenen 7 Jahre mit ihren Millionen Fans eine große Familie gewonnen haben, mit deren Hilfe sie unbesiegbar sind: "We were only seven, but we have you all now / After seven winters and springs / With these fingertips that hold each other / Yeah we got to heaven / Throw stones at me, we don't fear anymore / We are together bulletproof / Even if the winter comes again / No matter who blocks me / We are forever bulletproof." Und abgeschlossen wird das Album dann letztendlich von dem faberlhaften "Outro: Ego" (♪♫♪) als Solo von J-Hope: einem knallbunten und verdammt gut gelaunten HipPop-Ohrfänger mit catchy Bläser-Hookline, und einem Sample aus dem Intro ihres ersten Single-Albums "2 Cool 4 Skool" (2013). Und nach der Persona im Intro, sowie dem Schatten im Interlude, widmet sich das Outro nun dem Selbst: hinter dem komplexen Gebilde unserer Psyche, mit all ihren Trieben, Instinkten, Erinnerungen und Komplexen, steht das Selbst laut Jung wie ein unsichtbarer Wirkfaktor, der alles zu einer funktionierenden Einheit verbindet - so wie die Sonne die Bahnen der Planeten beeinflusst. Und angelehnt daran, erzählt J-Hope hier vor allem davon, Vertrauen in das eigene Selbst zu finden.



Mit der enormen Stilvielfalt, der schwindelerregend hohen musikalischen Qualität, sowie auch der inhaltlichen Tiefe und Komplexität von "Map of the Soul : 7", beweisen BTS wieder einmal aufs Neue, wie unfassbar sinnbefreit solche Vorurteile sind, sie seien nur koreanische Backstreet Boys oder austauschbare Pop-Klone. Doch zum Glück wissen es viele andere da draußen auch besser, hat das Album doch bereits eine Menge Lob und Erfolg geerntet. Von weltweiten Kritikern gefeiert, erreichte es bei Metacritic eine Durchschnittswertung von 83/100 (was für "universal acclaim" steht), stürmte in zahlreichen Ländern Platz 1 der Albumcharts (wie u.a. mit den USA, UK, Deutschland, Frankreich und Japan auch in den 5 größten Musikmärkten der Welt), und hat sich schon jetzt mehr als 5 Mio. mal verkauft - womit es das bislang international erfolgreichste Album des Jahres darstellt! Und das haben sie sich mit diesem Album auch mehr als verdient, d
enn trotz der durchgehend hohen musikalischen Qualität seiner Songs, ist "Map of the Soul : 7" in seiner Gesamtheit noch so viel mehr als nur die Summe seiner Teile. Hier schufen sie aus den gegensätzlichsten Stilen und Stimmungen ein rundes und schlüssiges Gesamtwerk, welches dabei einem so durchdachten, tiefgründigen und persönlichen Konzept folgt, dass es zweifellos das bislang ambitionierteste und beste Album der Band darstellt. Und wenn man mich fragt, auch ein modernes Pop-Meisterwerk.