♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Samstag, 21. November 2015

Besprochen: ADELE - "25"

Adele mag zwar auch auf "25" nicht weit über die musikalische Bandbreite von Celine Dion & Co. hinaus kommen, bietet uns dabei aber wieder eine Riege romantischer, emotionaler und herzwringender Balladen, mit denen sie mindestens bei den Romantikern da draußen auf Anhieb offene Türen und Herzen einrennen wird.

Als einstiger Teenager der 90er Jahre (und bekennender Romantiker) muss ich ja ganz ehrlich gestehen: ein klein wenig habe ich ja manchmal diese typischen, kraftvollen, emotionalen und dramatischen Songs der großen weiblichen Stimmen im Pop vermisst, welche vor allem die Dekade meiner Jugend prägten, aber seit den 2000ern zunehmend aus der Mode geraten waren. Auch heute begegnet man diesen besagten Damen nicht häufig - doch vor allem eine stimmgewaltige junge Frau hat diese emotionalen Power-Balladen von einst wieder so in den Fokus aktueller Pop-Musik gerückt, wie wahrscheinlich keine zweite: die britische Singer/Songwriterin Adele Adkins, die bereits 2008 mit ihrem Debüt "19" überraschte und zuletzt vor allem mit ihrem 2011er Zweitwerk "21" einen enormen Erfolg einfuhr, welches sich bis heute über 30 Millionen mal verkaufte. Abseits dessen wurde es dann aber still um Adele, die zwischenzeitlich Mutter wurde und als sie dann mit einem neuen Album beginnen wollte, einer Schreibblockade verfiel. Irgendwann kam es Adele sogar in den Sinn, ein Album nur über ihre neue Mutterschaft zu schreiben - verwarf diese Idee aber bald wieder, weil sie die Songs als zu langweilig befand. Und kaum einer wird ihr für diese Entscheidung dankbarer sein, als meine Wenigkeit. So haben doch bereits einige Musikerinnen vor ihr mit kitschigen Mutterschafts-Alben den Tiefpunkt ihrer Karriere markiert. Nach weiteren unfruchtbaren Sessions mit Ryan Tedder oder (was einen besonders traurig macht) Damon Albarn, hat sie nun aber doch noch ihr drittes Album "25" fertig gestellt, dessen erste Single wohl jedem bekannt sein dürfte: das ganz wundervolle, gefühlsbetonte und ergreifende "Hello", welches auf Anhieb rund um den Globus die Chartspitzen stürmte. Und dies ist genau so eine Power-Ballade, von der ich eingangs sprach - eine die vielleicht sogar das Zeug hätte, für die heutige Pop-Generation so etwas ähnliches zu werden, was etwa (und jetzt lehne ich mich bewusst recht weit aus dem Fenster) "I Will Always Love You" von Whitney Houston, "Without You" von Mariah Carey oder "My Heart Will Go On" von Celine Dion für die 90er Jahre waren.



Und wie die Single schon andeutet, folgen auf ihrem Album nun keine großen soundästhetischen Experimente, sondern in etwa das, was man von einer Adele erwarten würde. Denn seien wir ehrlich: über eine musikalische Bandbreite einer Celine Dion kam sie bisher nicht weit hinaus. Und das tut sie auch auf "25" nicht, was aber auch überhaupt nichts ausmacht. So glänzt sie hier zwar wieder überwiegend in ihrer persönlichen Meisterdisziplin: den schmachtenden Balladen. Aber davon hat sie uns hier auch wieder einige sehr schöne Exemplare gezaubert. So wie etwa das bittersüße, soulig angehauchte und von Ariel Rechtshaid (Madonna, Solange Knowles) produzierte "When We Were Young" (♪♫♪), das von einem sanften Groove untermalte und zeitweilig hymnisch anschwellende "Water Under The Bridge" (♪♫♪), das fast schon andächtig anmutende und von Piano und Streichorchester eingerahmte "Love In The Dark" (♪♫♪) oder das leicht düster angehauchte "I Miss You" (♪♫♪), dem man die Produktion von Paul Epworth (Florence & The Machine, Bloc Party) recht deutlich anhören kann. Aber ein paar kleine soundtechnische Überraschungen, die recht merkbar aus dem restlichen Albumkontext ausbrechen, gibt es hier auch zu bestaunen. Das von Max Martin (Katy Perry, Taylor Swift) co-komponierte und -produzierte "Send My Love (To Your New Lover)" (♪♫♪), welches als so beschwingter und melodischer Ohrwurm daher tänzelt, dass es einen fast schon automatisch von der Couch zieht, ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Oder aber natürlich auch das atmosphärische und ziemlich fantastische, von Brian Burton alias Danger Mouse (Broken Bells, Gnarls Barkley, Beck, The Black Keys) betreute "River Lea" (♪♫♪).  Irgendwie hätte man sich von dieser Sorte Songs dann aber noch ein paar mehr gewünscht....wenngleich das Album dennoch immerhin einen winzigen Hauch mehr Vielseitigkeit ausstrahlt, als er der Vorgänger vermochte.

Letztendlich hat Adele mit "25" ein durchweg grundsolides Album vorgelegt, dass mit Sicherheit mindestens bei den eingefleischten Romantikern dort draußen offene Türen und Herzen einrennen wird. Ein ultimatives musikalisches Meisterwerk mag es zwar nicht sein, aber das ist ja auch gar nicht nötig. Denn das war der viel gelobte Vorgänger "21" genau genommen schließlich auch nicht. Eine sehr gute und mitunter wunderschöne Pop-Platte war es aber allemal. Und auch eine Platte, die eine beinahe "klassische" Atmosphäre ausstrahlte - und diesbezüglich ist "25" fraglos ein würdiger Nachfolger. Nicht unbedingt viel mehr, aber vor allem auch nicht weniger.

 


Sonntag, 8. November 2015

Besprochen: JOANNA NEWSOM - "DIVERS"

Nach einer halben Dekade der Abwesenheit ist die wunderbare Joanna Newsom endlich zurück - und hat mit ihrem vierten Album "Divers" ein erhabenes und fesselndes Meisterwerk im Gepäck, das ihren bisher eh schon beeindruckenden Backkatalog noch weit zu überstrahlen vermag.

Wie wohl so manch eine Kunstform neben ihr, kann Musik oft sehr unterschiedliche Wirkungen beim Hörer erzeugen - kann aber eben auch sehr verschiedene Anforderungen an ihn stellen. Manchmal ist sie vor allem zur Unterhaltung gedacht, ist ganz dem Massengeschmack angepasst, soll sich gut verkaufen und kann sich an Hits und Chartrekorden bemessen lassen. Kann dabei aber natürlich dennoch begeistern. Und doch unterscheidet sich solche Musik sehr von einer anderen Ausprägungsform - von eben der, die sich vor allem als Kunst begreift. Die mit manchmal gewagten oder von aktuellen Trends unabhängigen Mitteln arbeitet, welche die Grenzen gängiger Songstrukturen überwindet und auch musikalisch wie lyrisch anspruchsvollere Wege geht. Die sich nicht danach bewerten lässt, wie viele potentielle Hits sie hervorzubringen vermag, wie oft sie im Radio gespielt oder wie häufig sie bei Streamingportalen geklickt wird. Sie will und kann vielleicht am besten auf einer emotionalen Ebene funktionieren. Und wer sich in den vergangenen 10 Jahren ihrer bisher andauernden Karriere mit der amerikanischen Singer/Songwriterin Joanna Newsom befasst hat, der weiß wohl nur zu gut, warum dabei nun ihr Name fast schon zwangsläufig ins Spiel kommen muss. Denn das die 33jährige alles andere als eine gewöhnliche Künstlerin ist, hat sie in der Vergangenheit oft genug unter Beweis gestellt. Dabei durchstreifte sie bislang vor allem die Weiten der Folk-Gefilde - das aber auf ihre ganz eigene (wunderbare) Weise: verspielt und avantgardistisch, begleitet von Streichern, Pianos, Bläsern und vielen, vielen Harfen, sowie durchsetzt von nicht selten popigen, häufig auch barocken und vor allem in früheren Tagen manchmal auch polyrhythmischen Elementen. Dabei erschafft Joanna Newsom immer wieder ganz große Kunst, die aber manch einen auch vor Herausforderungen stellen kann. So bot etwa ihr zweites Album "Ys" (2006) eine knappe Stunde Musik, verteilt auf nur 5 (dementsprechend lange) Songs, wohingegen der Nachfolger "Have One On Me" (2010) als 3-fach-Album mit 18 Songs  sogar die 2-Stunden-Marke knackte. Doch sie hat uns eine Menge Zeit gelassen, um diesen wahrhaftigen (wenngleich auch ziemlich fantastischen) Brocken von einem Album zu verdauen - denn 5 Jahre ist es inzwischen schon her, das wir zuletzt neue Musik von Joanna Newsom zu hören bekamen. Doch in diesem Sommer schickte sie den ersten Vorboten ihres vierten Albums mit der wunderbaren Single "Sapokanikan" in die Welt: eine verspielte und optimistisch tänzelnde Folk-Nummer, die aber auch ihre nachdenklichen, schwelgerischen und gar feierlichen Momente hat.


Konnte diese Perle doch schon recht hohe Erwartungen an das kommende Album stellen, so wurden diese mit "Divers" nun aber weit übertroffen. Und das liegt nur zum Teil an der Tatsache, dass sie hier zum ersten Mal seit ihrem Debüt "The Milk-Eyed Mender" (2004) wieder in gewohnte Album-Formen zurück kehrt: mit einer knappen Stunde Musik auf 11 Songs kriegt auch der nicht an ihre Kunst gewohnte Hörer in puncto Quantität etwa das, was er gemeinhin von einem Album erwartet. Das mag das Gesamtwerk vielleicht etwas zugänglicher machen, weil die Geduld eines manchen nicht mit diversen Überlängen strapaziert werden kann. Aber das sind eher Fußnoten. Es sind vor allem ganz die Songs an sich, die hier den besonderen Reiz ausmachen - und die irgendwie noch farbenprächtiger, noch experimentierfreudiger und zugleich auch noch greifbarer ausfallen, als wohl fast alles, was die Dame bisher gemacht hat. Schon "Anecdotes" (♪♫♪) lädt als warmer und blumig-melodischer Opener in das Album ein, der stimmungsvoll von Flöten, Piano, Bläsern, Harfen und Streichern untermalt wird. Es blitzen hier auch immer wieder Erinnerung an die Kunst einer Kate Bush auf - was auf dem gesamten Album irgendwie immer wieder unterschwellig zu spüren ist, aber im großartigen "Leaving The City" (♪♫♪) meiner Meinung nach besonders zur Geltung kommt, welches deutlich von Harfen geprägt ist und im Refrain gar mitreißende Formen annimmt. Das wunderbar melodische "Goose Eggs" (♪♫♪) kombiniert auf gelungene Art popige und psychedelisch-barocke Elemente, lässt aber auch Einflüsse erkennen, die mich an Soul oder Country denken lassen. Mit dem Titelsong "Divers" bietet sie uns einen sanften, verträumten und nachdenklichen 7-Minuten-Epos, der mit relativ wenig Aufwand eine enorm einnehmende Atmosphäre entwickelt. Ganz groß ist auch "You Will Not Take My Heart Alive" (♪♫♪), welches anfangs vor allem von Harfen begleitet wird und romantisch barocke Züge annehmen kann, bis dann beim krönenden Höhepunkt sanfte und schillernde, aber dennoch einprägsame Synthesizer durch den Song schweben. Oder etwa auch die wundervolle, nachdenkliche und schon fast philosophisch anmutende Ballade "Time, As a Symptom" (♪♫♪), die anfangs nur von einem Piano und zunehmend von Vogelgesängen begleitet wird, aber in seinem weiteren Verlauf zu einer fast epischen Hymne heranwächst, zu der sich etwa noch Bläser, Streicher und Flöten hinzu gesellen.



Doch wer versucht, auf Anhieb aus all dem schlau zu werden, was während der Spieldauer des Albums so alles passiert, der wird wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit kläglich daran scheitern. Denn "Divers" ist ein Album, das eher unzählige Fragen aufwirft, anstatt sie zu beantworten. Es ist wie eine facettenreiche und atemberaubende Reise durch eine von ihr eigens erschaffene Märchenwelt, voll verschlungener und bunt bewachsener Pfade, die  einen immer tiefer in ihr musikalisches Labyrinth führen - in dem aber nur ihre ganz eigenen Regeln existieren. Man muss mir hier solche leicht schwülstigen Metaphern verzeihen - doch wer erst einmal der zauberhaften Magie von "Divers" ebenso verfallen ist, der kann vielleicht nachempfinden, wie Joanna Newsom es schafft, einem derartige Bilder vorm inneren Auge herum tanzen zu lassen. Man möchte ja am liebsten schon ganz tief in die verbale Kitschkiste greifen und es mit einer fast schon "spirituellen" Erfahrung vergleichen - auch wenn ich derartige Umschreibungen sonst eher verabscheue. Doch wie bereits erwähnt: diese Musik kann vor allem auf emotionaler Ebene am besten funktionieren. Denn trotzdem es hier zunehmend eine Spur eingängiger zugeht, als auf den vorangegangenen Platten der Newsom, so ist "Divers" dennoch kein Album, das man auflegt, weil man gerade eine nette Hintergrunduntermalung beim Staubwischen braucht. Mit einem edlen Wein mixt man ja schließlich ebenso wenig eine Sangria, so wie man auch kein kunstvolles Gemälde dazu verwenden würde, um die Abstellkammer optisch aufzuwerten. "Divers" braucht Aufmerksamkeit und Zeit, um all seine Facetten entfalten zu können. Doch dafür wird man auch reich belohnt: mit einem erhabenen, zauberhaften und zeitlosen Meisterwerk - und dem besten Album, das man von Joanna Newsom bisher zu hören bekam. Das es zudem auch jetzt schon definitiv zu den besten Alben des Jahres zu zählen ist, erklärt sich dabei wohl von selbst.