♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Donnerstag, 12. Mai 2016

Besprochen: BEYONCÉ - "LEMONADE"

Vor gut 2 Jahren leitete Miss Knowles-Carter mit ihrem unerwartet großartigen letzten Album "Beyoncé" eine neue Phase ihrer Karriere ein, die spätestens jetzt mit dem Nachfolger "Lemonade" endgültig zur Perfektion findet: ein Album, das seine Zeit vermutlich noch lange überdauern wird.

Über die weiteste Strecke ihrer bisherigen Karriere konnte man Beyoncé Knowles doch leicht mit einer gewissen Grundskepsis begegnen. Ohne Frage war schon früh klar, dass eine Menge Talent und Potential in ihr steckte - und Hits hat sie auch in aller Regelmäßigkeit auf die Welt los gelassen, die sich zu weiten Teilen auch dauerhaft in den Hirnwindungen einnisteten. Schnell stieg sie seit dem Beginn ihrer Solokarriere ab den frühen 2000ern zu einer der erfolgreichsten und größten Musikerinnen unserer Zeit auf und war fortan aus dem Musikbusiness unmöglich wegzudenken. Aber trotz alledem: ein durchweg anständiges und wirklich essentielles Album wollte ihr ums verrecken nicht gelingen. Ihre ersten vier Platten sollten überwiegend nach dem allzu typischen Mainstream-Pop-Prinzip funktionierten: eine knappe handvoll Hits und zündender Ohrwürmer, die um einen Haufen mittelmäßigen Füllmaterials ergänzt und auf Albumlänge gestreckt wurden (eine kleine Ausnahme stellte dabei am ehesten ihr viertes Album "4" dar, welches als ganzes Album immerhin als solide durchgehen konnte). Doch was genau auch immer mit ihrem 5. Album "Beyoncé" vor gut zwei Jahren in sie gefahren sein mag: man wollte schon beim ersten Hören dieses Albums vor lauter Dankbarkeit ehrfürchtig vor den Boxen auf die Knie gehen. Oder um wenigstens die eigene Kinnlade wieder aufzusammeln, nachdem einem selbige vor Staunen zu Boden gekracht war. Denn als man schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, überraschte uns die Dame auf ihrem selbstbetitelten Album mit einem hochkarätigen Werk, auf dem man sie so innovativ und kreativ wie noch nie erlebte. Doch eigentlich muss einen dieser plötzliche Wandel auch wieder nicht so sehr überraschen. Denn schon so manch ein Musiker brauchte eine Weile, um als Künstler zu wachsen - oder eben um sich durch Erfolg eine gewisse Unabhängigkeit zu erarbeiten, die ihm zunehmend freiere Hand auf seine eigene Kunst gewährte. Und so scheint die Königin des zeitgenössischen amerikanischen R&B mit ihrem letzten Album eine neue Karrierephase eingeleitet zu haben - die sie nun auch auf ihrem neuen und 6. Studioalbum "Lemonade" mehr als konsequent fortsetzt. Ähnlich wie sein Vorgänger stellt auch die neue Platte eine Art "visual album" dar, welches in Verbindung mit einem 1-stündigen Kurzfilm daher kommt, der zu jedem Song ein aufwendig produziertes Video liefert. Und auch musikalisch kehrt sie zum Glück nicht zu ihrer alten Manier zurück (was ja durchaus zu befürchten stand), sondern legt im Grunde genommen nochmal zusätzlich eine kräftige Schippe oben drauf - noch emotionaler und persönlicher, zum Teil düsterer und auch facettenreicher geht sie auf "Lemonade" zu Werke, als man es bislang je von ihr gewöhnt war. Das schaffte sie mit einer langen Liste an Songwritern, Produzenten, Gastmusikern und Samples, die ob ihrer Größe anfangs skeptisch stimmen kann: allzu oft verderben doch viele Köche den Brei. Doch das Endergebnis ist über jeden Zweifel erhaben, so geschickt wie sie hier mit ihren Helfern all die vielen Bestandteile zu einer Reihe nahezu fantastischer Songs verflechtet.



Das geht gleich beim Opener los - der emotionalen und persönlichen Ballade "Pray You Catch Me", der man doch recht deutlich anhören kann, dass hier der Brite James Blake als Co-Songwriter mitgewirkt hat (und mit dem es ein wenig später auf dem kurzen, aber wundervollen "Forward" als Duett-Partner ein Wiedersehen gibt). Danach folgt das hervorragende und optimistischer gestimmte "Hold Up", welches auf einem prägnanten Sample eines Easy-Listening-Oldies von Andy Williams reitet und zudem noch mit Songwriting-Credits von Ezra Koenig (Vampire Weekend) und Joshua Tillman (Father John Misty) dienen kann. Auf "Don't Hurt Yourself" (♪♫♪) stimmt sie hingegen im Duett mit Jack White eine deutlich von Blusrock geprägte und mit rohen Ecken und Kanten versehene Nummer an, die sich an Auszügen aus Led Zeppelin's "When The Levee Breaks" bedient. Mit "6 Inches" lässt sie kurze Zeit später ein famos atmosphärisches Duett mit The Weeknd folgen, welches mit Samples von Isaac Hayes ("Walk on By") und Animal Collective ("My Girls") jongliert - während sie direkt darauf in "Daddy Lessons" zu einer von Akustikgitarren, Handclaps, "Yee-haw"-Rufen und jazzigen Bläsern begleiteten Americana/Country-Perle ihre Kindheit in Texas thematisiert. Und auch zum langsamen Ende hin hagelt es noch weitere Hingucker. Ein besonderes Highlight ist dabei etwa "Freedom": eine kraftvolle und mitreißende Hymne an die afroamerikanische Frau, die auf einem Sample eines 60s-Psychedelic-Klassikers von Kaleidoscope basiert und ein Rap-Feature von Kendrick Lamar im Gepäck hat. Dem folgt dann sofort die ganz und gar wunderbare Midtempo-Ballade "All Night", die sich in den himmlisch schönen Refrains die einprägsamen Bläser aus OutKast's "SpottieOttieDopaliscious" borgt - bis das Album dann schlussendlich von seiner ersten Single abgerundet wird: der minimalistischen und stark HipHop-orientierten Black-Power-Hymne "Formation", die trotz all ihrer zum Teil überragenden Qualitäten im Grunde fast noch den "schwächsten" Part des Albums bildet.



Trotz des eh schon überaus famosen Vorgängers: so experimentierfreudig, vielseitig und spannend, so emotional, zeitlos und kurzum so verdammt gut wie auf "Lemonade", hat man Beyoncé bis dato noch nicht erlebt. Aus so vielen völlig unterschiedlichen Puzzleteilen zusammen gebaut, dass einem bei näherer Betrachtung nahezu schwindelig werden kann - und doch so harmonisch und passgenau zusammengefügt, dass es einem wahren Kunststück gleichkommt.  Man möchte zwar nicht zu weit vorgreifen, aber darf man sich hier wohl die Dreistigkeit heraus nehmen, zu behaupten, dass "Lemonade" seine Zeit vermutlich noch lange überdauern wird. 



Donnerstag, 28. April 2016

Besprochen: PET SHOP BOYS - "SUPER"

Die Pet Shop Boys sind einfach nicht totzukriegen - das beweisen sie zum wiederholten male auf ihrem neuen und nunmehr 13. Studioalbum "Super", dass so knackig und zwingend in die Gehörgänge schießt, als wären die 90er nie zu Ende gegangen.

Vor ziemlich genau 30 Jahren entschieden sich die beiden Briten Neil Tannent und Chris Lowe, fortan unter dem Namen Pet Shop Boys die Pop-Musik um ihre ganz eigenen Kreationen zu bereichern, als Ende März 1986 ihr Debütalbum "Please" erschien. Was dem folgte, ist Geschichte - aber eine, die man gerne immer mal wieder erzählt. So sollten sie sich alsbald nicht nur zu einem der erfolgreichsten Pop-Duos der 1980er Jahre mausern, auch weit darüber hinaus pflasterten sie ihren Weg mit Hits und einer beinahe nicht enden wollenden Reihe solider bis hervorragender Alben. Dabei entwickelte sich die Band stetig weiter, ohne dabei aber jemals ihren ganz ureigenen Sound zu verlieren. Ihren seit jeher enormen Hang zu zartschmelzenden Melodien und mitreißenden Hooks würzten sie immer mal wieder mit anderen Einflüssen. So gingen sie mal klassisch popige Wege, arbeiteten viel mit Dance-, aber zwischendurch auch mal mit Latino-Einflüssen, oder versuchten sich an "erdigeren" und handgemachteren Klängen. Schon in Anbetracht dessen, was sie allein in den letzten Jahren dem Hörer so kredenzten, konnte einem mitunter ein wenig schwindelig werden. Mit ihrem 2009er Dance-Pop-Meisterwerk "Yes" fanden sie etwa zur großen Form eines "Very" (1993) zurück, schlugen daraufhin auf ihrem 2012er "Elysium" wieder deutlich ruhigere Töne an, um dann nur ein Jahr später mit "Electric" quasi die Clubs und Dancefloors zu stürmen. Und diesen zuletzt eingeschlagenen Weg geht das Duo nun auch auf seinem neuen und 13. Studioalbum "Super" konsequent weiter. Wiederholt verpflichteten sie Stuart Price (Madonna, The Killers) als Produzenten, mit dessen Hilfe sie sich erneut auf dem Spielplatz der 90er-Dance-Music austoben. Davon konnte man bereits in den vergangenen Wochen durch das vorab veröffentlichte Material einen guten Eindruck gewinnen. Zunächst durch die Promo-Single "Inner Sanctum", die durch seinen elektronischen und tanzbaren, aber dennoch melodischen und atmosphärischen Sound ein klein wenig wie die PSB-Version einer Faithless-Nummer anmutet. Und dann natürlich durch die offizielle erste Single "The Pop Kids": einem unwiderstehlichen Dance-Pop-Ohrwurm, der musikalisch wie auch inhaltlich die Dance-Ära der frühen 90er Jahre wiederaufleben lässt.  


The Pop Kids - Pet Shop Boys from: Super 4/1/16 from gb0 on Vimeo.

Aber "Super" ist keine reine Nostalgie-Platte, die die guten alten Zeiten zurück zu holen versucht. Es gibt sie ja durchaus zur Genüge, diese Sorte altgedienter Musiker, die immer wieder versuchen, ihre eigenen großen Tage zu kopieren - nur um regelmäßig und kläglich an diesem Vorhaben zu scheitern. Aber nicht die Pet Shop Boys. Man könnte sagen, dass sie eher einen langen Blick zurück auf die Vergangenheit werfen, während sie weiter unbeirrt in Richtung Zukunft schreiten. So mag man zwar immer mal wieder gewisse Parallelen zu früheren Werken wie "Introspective", "Very" oder "Yes" entdecken, aber dennoch klingt "Super" wie keines ihrer Alben zuvor. Selbst von seinem 3 Jahre älteren Bruder "Electric" kann es sich in vielen Punkten abheben. Auch wenn es einer ähnlichen Grundstruktur und einem ebenfalls eher Club-orientierten Gesamtsound folgt, so besitzt "Super" doch einige zusätzliche Attribute, die es sogar zu einem noch besseren Album machen. Zum einen kann es den eh schon hohen Hit-Faktor seines Vorgängers noch übertreffen, fällt es einem doch partout unheimlich schwer, welchen der vielen potentiellen Hits der Platte man nun eigentlich am besten finden soll. Vielleicht den fabelhaften und catchy Ohrwurm "Twenty - something" (♪♫♪), dessen hervorragende Synthie-Hookline sich auf Anhieb in die Hirnwindungen einnistet? Oder wie wäre es mit der einnehmenden Dance-Pop-Hymne "Burn", die theoretisch einer ihres größten Charterfolge seit langem werden könnte? Vielleicht aber doch der ein wenig nach einem jungen PSB-Classic schmeckende Ohrfänger "Undertow" (♪♫♪)? Oder darf es vielleicht eher so ein leicht housig veranlagter Dance-Pop-Kracher wie "Say It To Me" sein? 



Doch auch andere Momente kommen hier wieder zum Vorschein, die auf dem Vorgänger in dieser Form nahezu vollständig ausgespart wurden - wodurch "Super" immer wieder mit dessen durchgängigen Club-Charakter bricht: die nachdenklichen bis romantischen, aber gleichzeitig sarkastischen Momente, die auch allzu typisch für die Pet Shop Boys sind. Als Beispiel drängt sich da gleich das großartige "The Dictator Decides" (♪♫♪) auf. Nach einem leicht dark-wavig anmutenden Intro entwickelt sich der Song zu einem melancholisch getragenen Dance-Pop-Meisterstück, das von einem müden und traurigen Diktator kündet, der sich insgeheim nichts sehnlicher als die eigene Absetzung wünscht: "Can someone please say the impossible? / Crowds should be out on the street / I've lost any will to threaten and kill / I'll be easy for you to defeat / And at any resistance I meet / I'll beat a retreat", heißt es da etwa. Und auch die wunderbare, verträumt-traurige Synthpop-Ballade "Sad Robot World" (♪♫♪), welche gewissermaßen die Ambivalenz des technologischen Fortschritts behandelt, macht sich ebenso hervorragend. 

Trotzdem "Super" in vielen Punkten augenscheinliche Ähnlichkeiten zu seinem Vorgänger aufweist, treten die Pet Shop Boys keineswegs auf der Stelle. Selbst wenn das meiste natürlich ganz typisch nach ihnen selbst klingt, muss es dennoch nicht immer nach denselben Regeln funktionieren. Sogar der obligatorische Querverweis auf ihren großen 1993er Hit "Go West" fehlt hier gänzlich, den sie seit damals in irgendeiner Form auf fast jedem Album versteckten - siehe "Red Letter Day" (1996), "New York City Boy" (1999), "The Sodom & Gomorrah Show" (2006), "Pandemonium" (2009) oder zuletzt "Love Is a Bourgeois Construct" (2013). Stattdessen gelingt ihnen hier auf äußerst hervorragende Weise eine zugleich nostalgische, als auch zeitgemäße Dance-Platte, die so zwingend und knackig aus den Lautsprechern perlt, als stünden die beiden Herren (die mittlerweile auch schon Mitte 50 bzw. Anfang 60 sind) noch immer mitten im Saft ihrer Jugend.






 

Mittwoch, 24. Februar 2016

Besprochen: RIHANNA - "ANTI"

Gerade war man noch versucht, Rihanna's lange geplantes achtes Studioalbum als ein einziges großes Gerücht zu den Akten zu legen, da erblickte "Anti" kürzlich doch noch das Licht der Welt. Und auch wenn einige das sicherlich kaum noch für möglich hielten, sollte dabei eine wirklich schicke Platte herum kommen.

Beinahe hätte man ja schon glauben können, dass Rihanna's achtes Studioalbum so etwas wie ihr persönliches "Chinese Democracy" werden könnte. Ihr wisst schon - das bislang letzte Album der Guns N' Roses, das über zig Jahre hinweg immer wieder neu angekündigt und dann doch jedes mal erneut verschoben wurde, bis man es letztendlich schon beinahe als einen einzigen großen Running Gag verdächtigte, mit der die Band (bzw. Axl Rose) die Musikwelt erfolgreich zum Narren hielt. Denn zumindest für Rihanna's Verhältnisse, die zuvor fast stets im pünktlichen Jahrestakt ein neues Alben lieferte, sollte es ziemlich lange dauern, bis ihr achtes Studioalbum endlich das Licht der Welt erblickte: immerhin beinahe 4 Jahre. Prinzipiell keine schlechte Idee, suchte Rihanna doch laut eigener Aussage nach einem neuen Sound, der zeitloser und individueller klingen sollte. So schien sie danach zu streben, sich künstlerisch von dem zwar oft sehr hitlastigen, aber dennoch hauptsächlich auf kommerzielle Bedürfnisse zugeschnittenen R&B- und Dance-Pop-Sound der Vergangenheit zu emanzipieren. Und da kann man sich ja auch mal eine längere kreative Auszeit gönnen - aber doch spannte sie einen in der Endphase der langen Wartezeit nochmal so richtig auf die Folter, nahm das neue Werk doch schon seit gut einem Jahr langsam Form an. So häuften sich seit Anfang 2015 die Vorzeichen auf eine neue Platte, als sie anfing regelmäßig Vorab-Singles zu veröffentlichen. So kam zuerst im Januar vergangenen Jahres der wunderbare und minimalistische Gitarrenpop-Ohrwurm "FourFiveSeconds" mit Paul McCartney & Kanye West, einige Wochen später dann die schicke R&B-Nummer "Bitch Better Have My Money", gefolgt von der getragenen Midtempo-Ballade "American Oxygen", die im Frühjahr 2015 nachgelegt wurde. Doch dann passierte einige Monate lang erst einmal gar nichts. So konnte man zuletzt ernsthafte Befürchtungen hegen, dass sich Rihanna künstlerisch mittlerweile ziemlich verrannt haben könnte. Nicht nur das zu viel Zeit, Geld und Ambitionen schon so manch einem Album das Genick gebrochen haben - überdies kann auch die Entscheidung irritieren, das die bisher veröffentlichten Singles entgegen ursprünglicher Pläne schlussendlich komplett aus dem Albumkontext heraus gelöst, und kurz vor dem Albumrelease durch die nun einzige Vorab-Single "Work" ersetzt wurden. Und in Unkenntnis des ganzen Albums, konnte man sich beim ersten Genuss des neuen Stückes durchaus fragen, ob das wirklich eine so gute Idee war. So haben wir hier zwar einen minimalistisch produzierten und melodisch warmen Raggae-R&B-Ohrwurm im Duett mit Drake, der vor allem mit mehrmaligem Hören wachsen kann - aber irgendwie kann man sich auch sehr leicht die Frage stellen: soll das der neue Sound sein, nach dem sie all die Jahre gesucht hat? 



Rihanna - Work feat. Drake von maxiocio

Doch im Albumkontext macht auch die Single eine noch bessere Figur. Denn das schlägt sich entgegen aller Befürchtungen in der Tat ziemlich gut, merkt man ihm doch recht deutlich den neuen Kurs an, den Rihanna einzuschlagen gedachte. So zeigt sie sich vielfältig und auch mitunter durchaus experimentierfreudig, die Produktion der Stücke gelingt facettenreich und nicht selten minimalistisch, während sich Rihanna durch einen im Grunde wilden Stil- und Genre-Mix arbeitet, der aber einen dennoch erstaunlich geschlossenen Gesamtsound ergibt. So geht's schon ziemlich fantastisch mit dem hübsch beatigen und von Dub-Einflüssen geprägten Opener "Consideration" (♪♫♪) im Duett mit der Singer/Songwriterin SZA los, gefolgt von der kurzen, aber wunderbaren und warmen Neo-Soul-Perle "James Joint" - ehe wir dann bei einem waschechten Hit landen, der allerdings passend zum Albumsound "bodenständiger" und zeitloser in Szene gesetzt ist, als man es bisher gemeinhin von Rihanna gewöhnt war: die famose, 80s-infizierte und von leidenschaftlichen E-Gitarren begleitete Power-Ballade "Kiss It Better" (♪♫♪). Und auch danach passiert hier noch eine Menge feines. So beachte man etwa das düster angehauchte und groovig atmosphärische "Desperado" (♪♫♪), die wunderschöne, warme und von sanften Akustikgitarren getragene Ballade "Never Ending" (♪♫♪), die hervorragend mit einem Sample aus Dido's 2000er Hit "Thank You" spielt, die melodische und in Richtung Amy Winehouse schielende Retro-Soul-Nummer "Love On The Brain" , die leidenschaftliche Ballade "Higher" (♪♫♪), in welcher Rihanna hörbar bis an die Grenzen ihrer stimmlichen Fähigkeiten geht, oder auch das sehr gelungene "Same Ol' Mistakes" (♪♫♪), welches ein Cover von Tame Impala's letztjährigem "New Person, Same Old Mistakes" darstellt. Rihanna's Version ist zwar im Grunde eine Art 1:1-Kopie, die selbst die nahezu komplette Produktion des Originals übernimmt. Und doch steht dieser Song, der sich somit auch bei ihr irgendwo zwischen Synthpop, Psychedelia und HipHop-Einflüssen einpendelt, Rihanna so verdammt gut zu Gesicht, dass sich selbst Tame Impala's Mastermind Kevin Parker begeistert zeigte.

In gewisser Weise ist "Anti" ein typischer Grower, der mit Sicherheit vor allem bei Liebhabern ihrer bisherigen Musik auf Skepsis stoßen könnte. Die für sie typischen, schmissig tanzbaren Nummern, die einen direkt von der Couch reißen, lässt Rihanna diesmal in der Kiste - und an ihre Stelle rückt ein in sich eher getragener Klangcharakter, der selten über Midtempo hinaus geht. Und auch die bei ihr sonst oft üblichen, gnadenlos in die Synapsen knallenden Ohrwürmer, welche einem auf Anhieb ins Gesicht springen, findet man hier deutlich seltener. So zeigt die mittlerweile 27jährige Sängerin auf "Anti", dass sie allmählich auch musikalisch endgültig erwachsen werden will. Dabei machen sich durchaus auch ein paar Parallelen zu etwa Beyoncé's letztem Album "Beyoncé" deutlich, auch wenn "Anti" natürlich nicht ganz an dessen schwindelerregend hohes Niveau anknüpfen kann. Aber dennoch befindet sich Rihanna auf genau dem richtigen Weg. Denn die potentiellen Hits mögen diesmal geringer ausgefallen sein, als sonst - aber als Gesamtwerk ist ihr mit "Anti" wohl dennoch ihr bislang bestes und zeitlosestes Album gelungen. 




Freitag, 15. Januar 2016

Besprochen: DAVID BOWIE - "BLACKSTAR"

"Look up here, I'm in heaven": der Mann, der dem Pop einst den Sternenstaub brachte, hat seine letzte Reise angetreten - und nur wenige Tage vor seinem tragischen und überraschenden Tod, verabschiedete er sich von der Welt mit einem letzten erhabenen Meisterwerk, das ihn zu seinem Lebensende noch einmal so kreativ und relevant zeigte, wie seit den 70er Jahren nicht mehr.

Eigentlich hatte ich meine Rezension zum neuen Album von David Bowie schon an dem Wochenende seines Erscheinens (es wurde am Freitag den 8. Januar, dem 69. Geburtstag des Künstlers, veröffentlicht) weitestgehend fertiggestellt. Doch nun hat sich einfach alles verändert
: denn nur zwei Tage später sollte eine kleine Welt für mich zusammen brechen, als Bowie am 10. Januar 2016 verstarb - nach einem 18-monatigen Kampf gegen ein Krebsleiden, das der Weltöffentlichkeit bislang völlig unbekannt war. Ein unfassbarer und unglaublich tragischer Tod, der für die Welt vollkommen unvorbereitet kam - aber offensichtlich nicht für Bowie selbst, was weite Teile seines nun letzten Albums "Blackstar" in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Doch dem Leser sei hier versichert: der Umstand seiners Todes mag zwar dazu geführt haben, dass sich der Blickwinkel nun grundlegend verschoben hat, aus der man das Album betrachten muss, die Bewertung hat es jedoch nicht beeinflusst (die hier vergebene Sterne-Bewertung stand für mich bereits vor seinem Tod fest). Doch die Umstände mögen es mir verzeihen, dass ich nun in Gedenken an den Mann, der einst "Major Tom" zum ersten (und nicht einzigen) Mal zu den Sternen schickte, ein klein wenig weiter ausholen muss. Weil der Welt nicht nur ein musikalisches Genie entrissen wurde, welches bereits die frühen Tage der populären Musik mit prägte, sondern das man nach einem Jahrzehnt der musikalischen Abwesenheit gerade erst wieder zurück gewonnen glaubte. Als Bowie vor ziemlich genau 3 Jahren - an seinem 66. Geburtstag - sein einst neues Album "The Next Day" und damit auch seine Rückkehr ins aktive Musikgeschäft nach 10 Jahren Auszeit ankündigte, war das zurecht eine Art musikalische Sensation. So gehörte er doch zu den wichtigsten Pop-Legenden überhaupt, der schon in den 60ern mit frühen Perlen wie "Space Oddity" begann, die 70er durch Album-Meisterwerke wie  u.a. "Hunky Dory", "Ziggy Stardust", "Station To Station" oder die berühmte Berlin-Trilogie ("Low", "Heroes" und "Lodger") entscheidend prägte, in den 80ern künstlerische ("Scary Monsters & Super Creeps") und kommerzielle ("Let's Dance")  Erfolge, aber auch kreative Katastrophen wie "Tonight" oder "Never Let Me Down" erlebte, sich in den 90ern mit Werken wie "Outside" oder "Earthling" wieder zu gutem Ruf spielte, und mit Platten wie "Heathen" und "Reality" auch den Sprung ins frühe neue Jahrtausend schaffte. Doch in den Jahren darauf sollte es musikalisch vollkommen still um ihn werden - und man befürchtete ja bereits für immer, nachdem ihn gesundheitliche Gründe in diesen vorzeitigen kreativen Ruhestand zwangen. Doch dann kehrte er bekanntlich 2012 mit einem großartigen neuen Album zurück - seinem mit Abstand besten, seit dem 1980er "Scary Monsters and Super Creeps". So schien er eine neue kreative Quelle aufgetan zu haben, die scheinbar so ergiebig und unermüdlich sprudelte, wie man dies bei ihm schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Denn schon bald hatte Bowie auch wieder etwas ganz anderes im Sinn: denn mit der letztjährigen Single "Sue (Or in a Season of Crime)" zur Best-of-Compilation "Nothing Has Changed", lieferte er dann prompt ein 7 1/2-minütiges Meisterstück aus Pop und Free-Jazz, das einen vagen Verdacht erwecken sollte, in welche stilistische Richtung es künftig für Bowie gehen könnte - und diesen konnte man dann auch getrost als bestätigt erachten, als er vor kurzem den Titelsong als erste Vorab-Single seines neuen Albums veröffentlichte: den 10-minütigen Epos "Blackstar", in dem er uns einen atmosphärischen und nahezu hypnotischen Koloss aus Art-Pop, Jazz, Electronica und psychedelischen Momenten baute.



Und auch als gesamtes Album ist "Blackstar" musikalisch das geworden, was man sich nun im Vorfeld erhofft hatte: ein kreatives, in weiten Teilen eher düsteres, experimentelles und von starken Jazz-Einflüssen geprägtes Werk, das David Bowie in künstlerischer Bestform präsentierte. Unvorstellbar, dass er dieses Album in dem Wissen seines nahenden Todes aufgenommen hat. So ist mittlerweile auch durch seinen Stammproduzenten Toni Visconti (der auch dieses Album betreute) bekannt, das Bowie "Blackstar" bewusst als seinen persönlichen "Schwanengesang" plante. Man muss dabei allein nur seine somit letzte (und grandiose!) Single "Lazarus" betrachten - die sich nun plötzlich als ein atemberaubender musikalischer Abschied offenbart: eine düstere, tief melancholische und jazzig verspielte Hymne, in der er gleich zu Beginn die Zeilen singt: "Look up here, I'm in heaven / I've got scars that can't be seen / I've got drama can't be stolen / Everybody knows me now." Verstärkt wird dies noch durch das geniale, mindestens ebenso düstere und nun auch auf ehrfurchtgebietende Weise mutig morbide Video, das Bowie mit bandagierten Augen in einem Krankenhausbett liegend zeigt, wie er sich zur Musik wiegt und aufbäumt. Damit hat Bowie nun auch aus seinem Tod ein Kunstwerk gemacht. Und auch in so einigen anderen Stücken den neuen Albums, wie etwa im ganz und gar großartigen und melancholisch melodischen "Dollar Days" (♪♫♪), oder im vom Sound eher optimistisch getragenen und verspielt jazzigen "I Can't Give Everything Away" (♪♫♪), kann man nun derartige thematische Bezüge erkennen. Daneben zeigte er sich hier auch weiterhin so kreativ und experimentierfreudig, wie man es in dieser Ausprägung wohl zuletzt in seiner Berlin-Trilogie zu hören bekam. So ist etwa auch "Girl Loves Me" (♪♫♪) höchst interessant - denn wer bei diesem dunkel getragenen, eindringlichen und zudem auch fabelhaften Song den Text zu verstehen versucht, wird höchstwahrscheinlich scheitern: "You viddy at the cheena / Choodesny with the red rot / Libbilubbing litso-fitso / Devotchka watch her garbles / Spatchko at the rozz-shop / Split a ded from his deng deng / Viddy viddy at the cheena", heißt es da unter anderem. Denn die Lyrics setzten sich hier zu weiten Teilen aus der fiktiven Sprache "Nadsat" aus Anthony Burgess' Roman "A Clockwork Orange", sowie dem heute nahezu ausgestorbenen Slang "Polari" zusammen, der aus den Londoner Gay-Clubs der 60er und 70er Jahre stammt. Und zwei bereits bekannte Stücke begegnen uns hier auch - sozusagen. Denn die bereits früher angesprochene letztjährige Single samt seiner B-Seite sind hier vertreten - allerdings in neu aufgenommenen Interpretationen. "Sue (Or In a Season of Crime)" (♪♫♪) verschob er in der Neuaufnahme in deutlich rockigere, von düsteren Gitarren, aber auch noch immer von deutlich jazzigen Einflüssen geprägte Klangsphären. Und dessen ursprüngliche B-Seite "Tis a Pitty She Was a Whore" (♪♫♪) wirkt hier gegenüber seinem etwas roheren Original noch ausgereifter und besitzt eindringlichere Gesangspassagen (welche seine wunderbare, manchmal fast schon herzzerreißende Melodie noch deutlicher zur Geltung bringen),  während neben den etwas geordneteren, aber dennoch leidenschaftlichen Free-Jazz-Elementen auch ein paar Synthesizer zum Einsatz kommen. All das verschmilzt auf "Blackstar" nach und nach zu einem einzigen atemberaubenden Gesamtkunstwerk, welches schlussendlich Bowie's finalen künstlerischen Meilenstein formt - so wie ein letztes und kraftvolles kreatives Aufbäumen.  

 
Doch auch David Bowie selbst war als Person und Künstler ein großes lebendes Gesamtkunstwerk. Ob er nun Charaktere wie Major Tom, Ziggy Stardust, Aladdin Sane oder The Thin White Duke kreierte und verkörperte, sich dabei stilistisch von Pop, Rock, Psychedelia und Soul, über Glam, Experimental, Electronica und New Wave, und bis hin zu Industrial, Jungle oder Jazz entwickelte und nebenbei noch Generationen folgender Musiker prägte und beeinflusste: er war nie einfach ein weiterer Musiker unter vielen - er stach stets in jeder erdenklichen Weise heraus und folgte immer neuen Ideen und Einflüssen. Das er seine Krebserkrankung und seinen nahenden Tod für sich behielt, während er nur Tage zuvor nochmal ein grandioses Album in die Welt setzte, passt irgendwie ziemlich gut in dieses Bild. Ähnlich wie bei Freddie Mercury, musste wohl auch für den Vollblutkünstler Bowie die Show weitergehen - bis auch der letzte Vorhang gefallen war. Mit "Blackstar" krönt nun ein letztes Meisterwerk sein musikalisches Vermächtnis, welches Bowie zu seinem Lebensende noch einmal so kreativ, innovativ und künstlerisch relevant zeigte, wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Spätestens jetzt ist jedes Hören des Albums wie ein erneuter Abschied - von einem einzigartigen Ausnahmekünstler und einem der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Doch sprechen wir in dieser Hinsicht nun lieber nicht davon, dass er ganz einfach "tot" ist. Der Tod ist etwas viel zu schlichtes und irdisches für David Bowie - den Mann, der einst vom Himmel fiel und dem Pop den Sternenstaub brachte. Sagen wir einfach: nun hat er sein großes Gesamtkunstwerk vollendet - und das wird für die Ewigkeit bleiben.