♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Dienstag, 19. Juni 2012

15th Anniversary: RADIOHEAD - "OK COMPUTER" (1997)

Das 3. Album von Radiohead sollte so viel mehr sein, als nur ein Album! Es wurde ein Jahrhundert-Meisterwerk, dass wie ein Monolith aus der Geschichte des Rock heraus ragt, ein episches und beinah prophetisches Stück Pop-Kunst, ja vielleicht sogar eine düstere Antwort auf "Sgt. Pepper" -  aber vor allem: eine Liebe für's Leben!


Wohl kaum jemand hätte erwartet, was Radiohead da im Frühsommer 1997 als ihr 3. Album auf die Welt los lassen würden. Nachdem sie 1993 mit ihrem garagenrockigen, aber nicht weiter spannenden Debüt "Pablo Honey" (das immerhin den famosen Hit "Creep" hervor brachte) los legten, aber 1995 mit "The Bends" dann ein wahrlich grandioses Zweitwerk aus kreativem, tiefsinnigem und oft nahezu meisterlich komponiertem Garage- und Alternative-Rock hinterher schoben, lag die Messlatte für das dritte Album im Bunde schon recht hoch. Doch nichts ließ vermuten, dass hier etwas kommen würde, was so nachhaltig begeistern, und so hohe Wellen schlagen würde, das sie noch 15 Jahre später mit voller Kraft voran rollen. Jede Note, jeder Takt, jedes Wort scheint hier am richtigen Fleck zu sitzen, ein Wunderwerk von einem Album, ein dunkles und erhabenes Stück moderner Kunst, das einen immer wieder auf's neue in seinen Bann zieht - egal ob man es nun 10, 100 oder 1000 Mal gehört haben mag. Denn in diesem zugleich zugänglichen, als ebenso  dynamischen und komplexen Klangkosmos lassen sich mit jedem Hördurchlauf neue Facetten und Nuancen erkennen, und mit jedem Mal erschließt sich einem das große Ganze mehr und mehr. Doch wird man je ganz schlau aus all dem? Nein, wird man nicht. Und das ist auch gut so. Es ist ein Album das nicht an potentiellen Hits zu messen ist - wobei man davon streng genommen auch so einige finden kann. Man muss sich seiner Magie, seinem dunklen Zauber öffnen, und sich voll und ganz einlassen auf das, was einem hier offenbart wird. Wer allein schon in den Genuss der Vorab-Single "Paranoid Android" kam, dem dürfte dieser Epos von einem Song schon bereits die Schädeldecke weggeblasen haben - ein verwinkeltes und surreales Progrock-Labyrinth, dass über eine Spieldauer von beinahe 7 Minuten mehrere verschiedene Phasen durchläuft: von melancholisch schwebendem Indie-Pop, über treibend progressiven Alternative-Rock, bis hin zur tief düsteren, atmosphärischen Ballade - nur um danach gleich wieder mit kreischenden Gitarren in einem atemlosen Finale zu gipfeln. Wenn man mich fragt, ohne Zweifel einer der besten Songs aller Zeiten:


Aber das Album sollte noch viel mehr bereit halten, was einen in Staunen versetzte - sowohl einst als auch heute. So etwa der Opener: das rockige, aber dennoch melodische und von einem ungeraden Rhythmus beherrschte "Airbag" (♪♫♪). Oder etwa das psychedelisch schwebende "Subterranean Homesick Alien" (♪♫♪) , auf dem Gitarrist Jonny Greenwood die wunderbarsten Gitarren-Momente zaubert, und der Hörer von einer nahezu himmlischen Melodie verführt wird. "Exit Music (For a Film)" (♪♫♪) offenbart sich als gifttriefende und todtraurige Ballade, die schlussendlich auf beinah verstörende und wundervolle Art und Weise ausfranst - und zudem speziell für den Soundtrack zu Baz Luhrman's 1996er Verfilmung von "Romeo + Juliet" komponiert wurde. Mit sanften Gitarrenakkorden und himmlischer Melodie entspringt dann "Let Down" (♪♫♪) einer der optimistischsten Momente des Albums, und das unsterbliche "Karma Police" war, ist und bleibt ein unbezahlbarer Klassiker für die Ewigkeit:



Den vielleicht "aggressivsten" und wildesten  Moment des Album liefert wohl "Electionieering" (♪♫♪), dass auf sägenden und treibenden Gitarrenriffs reitet - ein famoses und wütendes Alternative-Rock-Rumpelstilzchen, dass einem wie ein Stromschlag in die Glieder fährt. "Climbing Up The Walls" (♪♫♪) kommt als dämonisch-düsterer Art-Rock des Weges, der eine verstörend schöne Wirkung entfaltet; "The Tourist" (♪♫♪) präsentiert sich als atmosphärische und emotionale Hymne, bei der kein Auge trocken, und kein Herz unberührt bleibt; "No Surprises" (♪♫♪) erhebt sich zur sanft glöckelnden Indiepop-Offenbarung, dass Sänger Thom Yorke leiblichen, und doch gleichzeitig wehmütig schönen Vocals verziert; und mit "Lucky" kredenzten sie der Welt ein weiteres erhabenes Meisterwerk, vor dem man vor Ehrfurcht in die Knie gehen will - eine dunkel strahlende und erhabene Hymne, die sich schon auf Anhieb tief und unumkehrbar in die Epidermis schraubt:


Doch die Zeit schien wohl einst noch nicht endgültig reif zu sein, für das was Radiohead hier leisteten. Zwar wurde "OK Computer" schon bei erscheinen hoch gelobt. Aber der allgemeine Zeitgeist im Jahr 1997 war spürbar optimistischer - vielen war es zu düster und melancholisch, was dieses Album ausstrahlte. So hatte es etwa auch in der Jahresbestenliste des Musikexpress im Jahr 1997 gegenüber dem Album "The Fat Of The Land" der Big-Beat-Rabauken  The Prodigy das Nachsehen, und musste sich mit der Silbermedaille zufrieden geben. Aus heutiger Sicht betrachtet ein popmusikalischer Fauxpas höchster Güte, kräht doch heute fast kein Hahn mehr nach The Prodigy. Doch schon bald sollte "OK Computer" die Aufmerksamkeit und die Bedeutung erlangen, das es seit eh und je verdient hatte. (Dabei wäre es müßig wieder einmal zu betonen, dass "OK Computer" bereits 1998 zum ersten Mal in einer Bestenliste zum besten Album aller Zeiten gekürt wurde - und seitdem und bis heute in ähnlichen Listen immer ganz oben mit dabei ist.) Denn als das Millennium sich näherte, wuchsen auch die Ängste und Sorgen der Menschen - oder wie es so ähnlich einmal schön und treffend ausgedrückt wurde: Als der Himmel sich verdunkelte und der große Regen begann, und "OK Computer" all dem einen höheren Sinn abzuringen schien.

So entsprang ihren Köpfen ein grandioses, nahezu prophetisches Meisterwerk. Ein Jahrhundert-Album, ohne das heutige Größen wie Coldplay oder Muse so nicht möglich gewesen wären. Und dennoch steht Radiohead's 3. Album ganz für sich, man hat noch kein Album gehört, dass sich unmittelbar auf "OK Computer" beziehen, oder gar an seine Klasse heran reichen würde - auch wenn das Beben noch immer spürbar ist, dass diese Platte vor nun 15 Jahren ausgelöst hat. So formulierte der Musikexpress es einst vielleicht sogar sehr treffend, als er schrieb, es sei nicht das erste Album seiner Art gewesen - sondern das letzte. Nach diesem Album hätte nichts mehr kommen können, was dem hier gesagten noch etwas essentielles hätte hinzuzufügen können. Aber irgendwie waren auch Radiohead selbst, als das was sie hier verkörperten, in Zukunft nicht mehr möglich - zumindest nicht ohne zu einer kreativ klinisch toten Band zu verkümmern, die wie im Wachkoma dahin siecht, und stets vergeblich versucht an ihre alten Großtaten anzuknüpfen. U2 geben dafür auch ein gutes Beispiel ab. Aber das wussten wohl auch Radiohead selbst, und erfanden sich mit dem Nachfolger "Kid A" prompt vollkommen neu. So markiert "OK Computer" das Ende und den Höhepunkt einer Schaffensphase, und hat bis heute nichts von seinem dunklen Glanz verloren. 







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