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Dienstag, 29. Januar 2013

Besprochen: TOCOTRONIC - "WIE WIR LEBEN WOLLEN"

Mit ihrem 10. Studioalbum gelingt Tocotronic in etwa ein ebenso famoser Meisterstreich, wie er von der Hamburger Band nicht anders zu erwarten war - und einen dennoch erbarmungslos aus den Socken haut. 

Das Tocotronic eine feste Institution in der deutschsprachigen Musik der letzten 20 Jahre darstellen, muss man wohl kaum noch jemanden erklären. Die Band um Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail, hat sich als eine von eben der Sorte erwiesen, die über die Jahre nie schlechter wurde - viel mehr haben sie sich kontinuierlich weiterentwickelt, nachdem sie ab 1993 mit einer doch etwas ungeschliffenen, aber auch dabei niemals schlecht umgesetzten Mixtur aus Grunge, Garage-Rock und Punk los legten. Doch hier sprechen wir von echten und geistreichen Musikern, die am Ende immer wieder intelligenten, aber niemals zu verkopften deutschen (Indie-)Rock erschufen, dabei mit den Jahren immer höhere Qualität ablieferten, und sich so zusehends mühelos von all ihren hiesigen Mitstreitern abheben konnten. Spätestens mit dem Ende der 90er Jahre und ihrem 5. Studioalbum "K.O.O.K." veränderte sich der Sound der Band, so dass selbst die erst in den letzten Jahren dazu gekommenen Hörer, ganz hervorragendes von der Band erleben konnten: Wer ihre letzten beiden Alben "Kapitulation" (2007) und "Schall & Wahn" (2010) nicht zuhause im Plattenregal stehen hat, der kann mit Fug und Recht behaupten, zwei der besten deutschen Platten der vergangenen Jahre verpasst zu haben. Und damit dies eben jenen nicht noch einmal passiert, sollten sie sich schleunigst mit ihrem neusten Werk "Wie wir Leben wollen" vertraut machen. Denn eben jenes kann mindestens an die Klasse seiner Vorgänger anknüpfen - wenn es diese nicht gar zu übertrumpfen vermag. Auch wenn diese Frage eigentlich die Langzeitwirkung besser beantworten kann, so reicht schon vollkommen aus, was die neue Platte auf Anhieb mit einem anstellt.  Das die Band auch in ihren mittleren Jahren noch immer in Höchstform ist, davon konnte man sich bereits anhand der ersten Single ihrer neuen Platte überzeugen - oder was ist "Auf dem Pfad der Dämmerung" sonst, als ein großartiges Stück deutscher Indierock, an dem man sich irgendwie so gar nicht satt hören kann oder will ?



Und auch beim großen Rest ihres nunmehr 10. Studioalbums besticht die Band erneut mit dem, was sie schon seit den mindestens letzten 10 - 15 Jahren ausmachte: intelligente, zum Teil abstrakte, und zu ausgiebigen Interpretationen einladende Texte, eingebettet in fabelhafte Melodien, die selbst nach 20 Bandjahren noch die Konkurrenz alt aussehen lassen - und eben jene Lügen strafen, die Silbermond und Konsorten für Paradebeispiele guter zeitgenössischer Popmusik made in Germany halten. Wobei man schon eine Menge Ironie besitzen muss, um diesen Vergleich auch nur im Scherz anzustellen. Statt auf blasses Deutschrock-Geplänkel, wie es die große Masse zeitgenössischer hiesiger Bands tut, setzen Tocotronic auf "Wie wir leben wollen" auf Musik von echter Relevanz - eben solcher, die auch in Jahren nichts von ihrer Bedeutung verlieren wird. Dafür sind vielleicht ein paar Hördurchläufe nötig, ehe man dem endgültig auf die Schliche kommt - doch dann kann man sich vor Kostbarkeiten kaum noch retten. Nehmen wir etwa das zurückgenommene, nahezu melancholische "Abschaffen", welches den Hörer schon beim ersten Versuch unweigerlich in seinen Bann zieht. Noch dunkler und theatralischer gelingt dann das famose "Vulgäre Verse", und "Die Verbesserung der Erde" beginnt als getragene und abgedunkelte Ballade, die sich zusehends zur Indie-Rock-Hymne aufrichtet. "Warm und Grau" offenbart eine grandios gespenstische Hymne, die in atmosphärischen Gitarrengewittern mündet, und der Titelsong "Wie wir leben wollen" gibt eine nachdenkliche Rockballade ab, dessen Lyrics verdammt nochmal unter die Haut gehen. Doch eine durchgängig düstere Atmosphäre ist es nicht, was ihr neues Album ausmacht - ausgelassenere Klänge erwarten einen im fast schon blumigen Ohrwurm "Neutrum", beim eingängigen und relaxt daher gespielten "Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools", und "Exil" versteht sich als stimmungsvoller potentieller Hit, bei dem vor allem die schicke Textzeile "Sieh mich an, ich bin ein bleicher Mann der tanzt" begeistert - während sie dann in "Höllenfahrt am Nachmittag" zu angezogenem Tempo, mit einem kleinen und rumpelnden Hit daher rocken.

Ich muss ja zugeben: trotz der stetig hohen musikalischen Qualität der letzten Platten, hatte ich mich insgeheim fast schon auf ein Scheitern der Band vorbereitet. Denn wenn man realistisch ist, passiert dies den meisten Musikern irgendwann. Viele wissen eben leider nicht, wann besser Schluss sein sollte. Doch Tocotronic weigern sich weiterhin vehement, auch nur einen Deut schlechter zu werden. Man kann nur hoffen, dass uns diese Band noch lange erhalten bleiben wird - denn ohne Bands wie Tocotronic, würde die deutsche Musikszene endgültig dem dunklen Abgrund entgegen taumeln.

 

 

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