♪♫♪ ...music makes the people come together... ♪♫♪

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Donnerstag, 7. November 2013

Besprochen: LADY GAGA - "ARTPOP"

Mit "ARTPOP" wollte Lady Gaga den Gegenentwurf zu Andy Warhol's "Popart" kreieren - und ihr ist ein schillerndes und berauschendes Pop-Erlebnis gelungen, das seinen Namen zurecht trägt.

Ob man es nun wahrhaben will oder nicht, eines jedoch ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Lady Gaga ist ein Pop-Phänomen, wie es die Musikwelt nur sehr selten erlebt. Denn auch der Zeitpunkt, in dem sie die Bühne betrat um die Welt zu erobern, war nahezu perfekt abgestimmt. In einer Zeit, als die bisher amtierenden Größen im Pop an ihren eigenen Krisen scheiterten und auf tragische Weise weg starben (Michael Jackson, Whitney Houston), ihnen sogar bereits der erste vielversprechende Nachwuchs folgte (Amy Winehouse), etablierte Größen allmählich anfingen auf der Stelle zu treten (leider: Madonna), und zeitgenössische Kollegen auf dem Markt vorherrschten, die aber trotz ihrer Qualitäten alle nicht so ganz das Zeug zum universellen Pop-Superhelden hatten (Britney Spears, Katy Perry, Rihanna) - und mittendrin trat die junge Frau Stefani Germanotta aus New York auf den Plan, und durchlebte die Metamorphose zum Kunstobjekt Lady Gaga! Doch wer hinter diesem "Phänomen Gaga" nur rein kommerzielle Überlegungen der Plattenindustrie witterte, sollte (hoffentlich) bis heute eines besseren belehrt worden sein. Denn mit ihren bisherigen hervorragenden Alben "The Fame/The Fame Monster" (2008/2009) und "Born This Way" (2011), und natürlich mit viel Eigenwilligkeit, Engagement, Talent und Hits, mutierte die einst unscheinbare junge Frau zu Lady Gaga: diesem kunstvollen Zwitterwesen aus Andy Warhol, David Bowie und Madonna. Und so machte sie sehr schnell unmissverständlich klar, dass eben die Schnittlinie zwischen Kunst und Pop, zwischen Stil und Trash ihre bevorzugte Heimat ist! Dieser Symbolik gibt sie sich insbesondere auf ihrem neuen und schon lange mit äußerster Spannung erwarteten, dritten Studioalbum hin: und nennt es kurzerhand "ARTPOP"! Und auch das Cover-Artwork drückt den Bezug auf deutlich Weise aus, welches vom amerikanischen Künstler Jeff Koons entworfen wurde: fast wie echt, hockt da die Skulptur einer nackten Lady Gaga, mit einer großen blauen Kugel zwischen ihren Beinen, während im Hintergrund Sandro Botticellis Gemälde "Die Geburt der Venus" (ca. 1486) zu explodieren und zersplittern scheint. Das ist ist ebenso Trash, Kitsch und Zumutung, wie auch Kreativität, Kunst und vor allem: Pop! Und auch den ersten musikalischen Vorgeschmack gab sie uns  längst mit der ersten Single "Applause" - ein großartiger und mitreißender Ohrwurm, der sich deutlich an Elementen des Eurodance bedient, gesanglich gar Brücken zu Annie Lennox und David Bowie schlägt, und zu den erfreulichsten Mainstream-Hits des bisherigen Jahres zählt.

Applause Official Video - LADY GAGA from Oguzhan Can on Vimeo.

Und so gibt dieser Song auf gewisse Weise auch den Weg des ganzen Albums vor: Gaga bleibt ihren Dance-Wurzeln treu, lässt sie aber weitere Verzweigungen in die verschiedensten Richtungen treiben. So nehme man etwa den Opener "Aura" (♪♫♪), der als Promotion-Beitrag zum Film "Machete Kills" ja bereits bekannt ist: anfangs geben noch psychedelisch anmutende Akustik- und Western-Gitarren den Ton an, ehe sich selbige in einem Strudel aus elektronischen Klängen und Techno-Elementen wiederfinden, die ein wenig an das Wirken von Justice oder Daft Punk erinnern, und ihrerseits in einen genialen Refrain münden. Und gleich darauf haut sie uns mit "Venus", welches ursprünglich als zweite Single gedacht war, einen derart mitreißenden Dancefloor-Kracher um die Ohren, dass es fast besoffen macht vor Freude. Mit "G.U.Y." (♪♫♪) - was herrlich pikanter Weise für "Girl Under You" steht - legt sie sogleich einen discoiden Elektro-Pop-Kracher nach, der auf Anhieb in die Glieder fährt.  Äußerst stark fällt auch "Sexxx Dreams" (♪♫♪) aus - kein Wunder, stand es doch neben "Applause" als erste Single zur Debatte, und sollte wenigstens mit einem späteren Release geadelt werden: ein genialer, zwischen fast mystisch wirkenden Versen, und blumig synthiepopigen Refrains pendelnder Vollblut-Ohrwurm. "Swine" (♪♫♪) ist dann vielleicht so etwas wie das neue "Scheiße", auf welchem sie glitzernde Synthesizer und melodischen Gesang mit acid-artiger Elektronik sabotiert, und auch selbst gesanglich mal kräftig aus der Haut fährt. Mit "Gypsy" (♪♫♪) lässt sie eine mitreißende Dance-Hymne vom Stapel, die sich als potentieller Hit und Floorfiller empfiehlt, und "Mary Jane Holland" (♪♫♪) schreitet als stolzer Dance-Pop mit 90s-Anleihen des Weges, während sie mit dem funky und soft housigen Titelsong "Artpop" (♪♫♪) fast schon bedächtig, aber mit Beat im Blut durch die Disco schwebt.



Lady Gaga schlägt zwischendurch aber auch andere Töne an, was diese bunte Songsammlung zu einer wahren Pop-Wundertüte anwachsen lässt. So ist "Jewels & Drugs" (♪♫♪) unter Mithilfe von T.I., Too Short und Twista stark dem HipHop-Gefilde zugeneigt. Doch die Herren legen hier eine respektable Leistung vor, werden von radikalen Elektro-Sounds begleitet - und immer wieder von Gaga's Einsätzen in Dance-Pop-Gefilde zurück gezerrt. Die zweite und aktuelle Single "Do What U Want" (♪♫♪) ist ja bereits als ganz fabelhafte, von R.Kelly im Duett begleitete RnB-Synthpop-Perle bekannt, in der Gaga stellenweise fast wie Christina Aguilera klingt. Und ein besonders heraus stechendes Highlight bietet die von Rick Rubin produzierte Ballade "Dope" (♪♫♪), welche nicht mehr als ein Piano, Gaga's Stimme und ein klein wenig softer Elektronik benötigt, um vollends zu überzeugen. 
  
Auch Gaga's jüngste künstlerische Kopfgeburt ist Pop as Pop can be, und steht seinen älteren Geschwistern in dieser Hinsicht in nichts nach. Und doch hat es sich seinen Titel verdient: denn trotz allem Zeitgeist, trotz aller Melodik und Eingängigkeit, lotet Gaga hier ein weiteres Mal ihre Grenzen im Pop aus, und zeigt stellenweise noch etwas mehr Mut zu Experiment und Eklektizismus. Das dies alles dabei stets den Massengeschmack anspricht, liegt bei einer Musikerin wie Lady Gaga jedoch auf der Hand - und erst recht bei einem angestrebten Konzept, wie bei "ARTPOP": es soll gar den Gegenentwurf zu Andy Warhol's "Popart" darstellen, und die Kunst ganz dem Pop ausliefern. Aber ist ihr das denn nun tatsächlich gelungen? Für die einen wird es moderne Pop-Kunst sein, für die anderen hingegen wird es immer Trash bleiben. Aber das ist doch gut so, denn auch das Pop-Phänomen Lady Gaga selbst, könnte weder ohne das eine, noch ohne das andere existieren. Und so ist ihr neues Album auch zu 100% Gaga: es ist künstlich und kunstvoll zugleich; es ist bunt, schrill, laut und gefühlvoll; es ist innovativ, zeitgemäß und radiotauglich - und recycelt sich dabei immer wieder quer durch die Musik- und auch Kunstgeschichte. Kurz: "ARTPOP"!



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