Auf ihrem dritten Album demonstrieren The xx die bislang deutlichste Weiterentwicklung ihrer bisherigen Karriere - und triumphieren damit auf ganzer Linie.
Jetzt wo The xx endlich ihr drittes Album auf die Welt losgelassen haben, lohnt sich durchaus ein Blick zurück. Zum einen, weil man das Trio wohl ohne zu übertreiben als eine der besten und talentiertesten Bands der mindestens letzten 15 Jahre betiteln kann. Und zum anderen, weil "I See You" eine neue Phase im künstlerischen Schaffen der Band einläutet. So wurden doch ihre zwei vorangegangenen Platten - das 2009er Debüt "xx" und der 2012er Nachfolger "Coexist" - durch eben den minimalistischen, melancholischen und verträumten, zum Teil nahezu unterkühlten und von schwerelos im Raum hängenden Chris-Isaak-Gitarren begleiteten Sound geprägt, den man mittlerweile als typsich für die Band betrachtete. Diesen groben Stil änderten sie zwar auch auf ihrem Zweitwerk "Coexist" aus dem Jahr 2012 nicht grundlegend, sondern blieben ihm gar weitestgehend treu - aber unterwarfen ihm einen im Grunde sanften, aber doch spürbaren Update. Die bislang jedoch deutlichste Weiterentwicklung haben sie sich nun für ihr neues und drittes Studioalbum "I See You" aufgespart. Wenn man denn sein Dasein in Kenntnis der (hervorragenden) Soloarbeiten ihres Klang-Tüftlers Jamie Smith (alias Jamie xx) fristet, dann sollten einem Teile ihres neuen Sounds in ihrem groben musikalischen Umfeld zwar nicht gänzlich unbekannt sein - aber doch muss man beim Genuss der neuen Platte mitunter mächtig staunen. Die Band klingt auch auf "I See You" nach wie vor ganz nach sich selbst - ihr grundlegender Klangcharakter geht nie verloren, aber doch ist die Weiterentwicklung allgegenwärtig spürbar. Schon die famose erste Single "On Hold" machte ja bereits deutlich, dass sich der Sound der Band verändert hat - was man ihm vor allem an seiner dichteren und weniger minimalistischen Atmosphäre, dem fast schon tanzbaren Rhythmus und dem prägnanten Einsatz eines Hall & Oats-Samples anmerkt.
Welch neue Winde auf dem restlichen Album dann noch so wehen, macht allen voran wohl der Opener "Dangerous" klar, der mit Bläserfanfaren, dancigen Elementen und einen flotten Groove aufwartet. Oder in etwas geringerem Maße auch der wunderbare und verträumt tänzelnde Indie-Pop-Ohrwurm "I Dare You" oder das atmosphärische und genial produzierte Meisterstück "Brave For You", welches einem geradewegs unter die Haut fährt. Andere Momente scheinen dagegen dann fast schon wie die "alten" The xx zu klingen, wenngleich auch ihnen (sei es nur etwas softer ausgeprägt) der Charakter ihres weiterentwickelten Sounds anhaftet. So wie die grandiose zweite Single "Say Something Loving", welche die typische Handschrift des Trios mit einer unverschämt wunderbaren Pop-Melodie, aber zudem mit einem volleren und reichhaltigeren Sound vereint. Oder die melancholische, wunderschöne und atmosphärische Hymne "A Violent Noise", die zusammen mit dem nahezu traurigen "Performance" noch am nächsten an die ursprünglichen Wurzeln des Trios heran reicht.
Auch wenn The xx sich auf ihrer neuen Platte keineswegs als Band neu erfinden, einen solch dennoch deutlichen Wandel haben viele wohl nicht erwartet - und oftmals wohl auch nicht erhofft: einige wünschen sich ja am sehnlichsten, dass die eigene Lieblingsband immer so klingen möge, wie man sie einst kennen und lieben gelernt hat. Doch von der Sorte Musiker, die sich darauf spezialisiert haben, entweder mit jedem neuen Album kreativ weiter auf der Stelle zu treten, oder sich gar immer schamloser dem aktuellen Massengeschmack anzubiedern, gibt es eh schon viel zu viele. Drum sollte man es eher feiern, wenn junge und talentierte Bands es favorisieren, die künstlerische Weiterentwicklung dem ewigen Gleichklang vorzuziehen. Vor allem dann, wenn sie dabei auch noch zu solch künstlerischer Höchstform auflaufen, wie The xx dies auf "I See You" vermochten.
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