Wie alle Jahre wieder, hab ich hier auch in 2019 meine persönlichen Lieblingsplatten des Jahres zusammengestellt. Die Länge dieser Liste variiert von Jahr zu Jahr....je nachdem eben, wie viele Platten für mich im jeweiligen Jahr wirklich essentiell waren, und auch wie viel Zeit ich gefunden habe - da eine längere Liste nun mal auch mehr Zeit und Arbeit benötigt. In diesem Jahr fällt sie mit 20 Platten recht kurz aus...aber so bleibt sie immerhin relativ übersichtlich. Es mag mit Sicherheit auch noch die eine oder andere Platte geben, die ich vielleicht leider noch nicht kennengelernt habe, und deshalb hier nicht mit dabei ist. Egal wie aktiv und bewusst ich auch Jahr für Jahr nach neuer Musik suche, immer wieder entgeht mir dann doch etwas, was ich dann erst später kennenlernte. Aber man kann eben nicht immer alles kennen. Ich bin jedenfalls zufrieden mit meiner Liste, die auch mit nur 20 Platzierungen ziemlich gut darstellt, welche Platten mich in dem vergangenen Jahr besonders begeistert und bewegt haben.
20. TXT - "THE DREAM CHAPTER: STAR" / "THE DREAM CHAPTER: MAGIC"
Ich bin zwar großer Fan der südkoreanischen Band BTS, aber in der Tat dennoch kein großer Fan vom K-Pop im allgemeinen. Vieles im K-Pop erscheint mir schlicht und ergreifend zu banal, zu einfach gestrickt, zu formelhaft und zu fremdgesteuert. Aber es gibt definitiv Ausnahmen. Die größte davon wäre meiner Ansicht nach eben BTS - die derzeit zurecht erfolgreichste Band des Planeten. Doch im Laufe diesen Jahres ist für mich noch eine junge Band aus Südkorea hinzu gekommen, die einem ähnlichen Niveau nacheifert: die wie BTS ebenfalls vom südkoreanischen Label Big Hit Entertainment stammenden TXT, welche die ersten überhaupt sind, die seit dem Debüt von BTS in 2013 von dem Label ins Rennen geschickt wurden - und deshalb auch gerne als die "kleinen Brüder von BTS" bezeichnet werden. Die 5-köpfige Band um die talentierten jungen Männer Soobin, Yeonjun, Beomgyu, Taehyun und Huening Kai, legten bereits im Frühjahr mit dem Mini-Album "The Dream Chapter: Star" ein überzeugendes Debüt vor. Angeführt wurde dies durch die fabelhafte Leadsingle "Crown" (♪♫♪): ein unfassbar catchy Dance-Pop-Song, der von einem Jungen handelt, dem eines Tages Hörner wachsen, worauf er sich ängstlich aus der Welt zurückzieht - bis er einem Jungen mit Flügeln begegnet, der ihm hilft seine Hörner wie ein Krone zu lieben. Für mich zudem eines der Ohrwürmer des Jahres. Doch dieses Mini-Album hatte noch mehr zu bieten. So wie etwa die charmant freche R&B-Rap-Nummer "Cat & Dog", in der sie zum Ausdruck bringen, dass sie am liebsten jemandes Haustier wären, aber auch der leicht soulig veranlagte Ohrfänger "Blue Orangeade" oder die sanfte Ballade "Nap of a Star". Das sollte aber nicht alles bleiben, legten TXT zum Ende des Jahres doch auch gleich ihr Zweitwerk nach: das Album "The Dream Chapter: Magic", welches den zweiten Teil der "The Dream Chapter"-Albumserie darstellt - und weshalb ich sie hier auch zusammenfasse. Qualitativ vermochte ihre zweite Platte das Debüt allerdings dennoch zu überstrahlen. Denn hier war eine hörbare Weiterentwicklung auszumachen, wenngleich noch nicht mal ein Jahr seit ihrem Debüt vergangen war. Nach ihrem doch eher betont "süßen" Image des Debüts, dass sich auch deutlich in der Musik widerspiegelte (was allerdings dennoch nicht negativ zu verstehen ist), wurde der Sound auf "The Dream Chapter: Magic" eine Ecker reifer und ausgefeilter - dabei aber dennoch nicht weniger catchy. Das machte schon die Leadsingle "9 and 3 Quarters (Run Away)" (♪♫♪) klar, welche einen unheimlich catchy, aber teils unkonventionell in Szene gesetzten Pop-Ohrwurm darstellt, der mit Rock-Einflüssen, sowie Tempo- und Rhythmuswechseln spielt - und vorzüglich das Konzept des Albums widerspiegelt, indem es inhaltlich Bezug auf Themen wie Harry Potter und Cinderella nimmt, und durch den Einsatz von Harfen und Glockenspiel auch akustisch eine "magische" Atmosphäre ausstrahlt. Daneben passiert hier aber noch eine ganze Menge feines. So zeigen sie sich im groovigen und funky tanzbaren Opener "New Rules" inhaltlich etwas rebellischer, und mit der warmen und melodischen R&B/Synthpop-Perle "Roller Coaster" umschreiben sie die euphorisierenden Gefühle einer Achterbahnfahrt - was aber mit Sicherheit als Metapher zu verstehen ist. Im sommerlich ohrwurmigen "Can't We Just Leave The Monster Alive?" folgen wir dann der Band in eine fantastische Computerspiel-Welt, ehe sie uns gleich darauf mit einer warmen Midtempo-Ballade auf ihre "Magic Island" einladen. Man darf in jedem Fall sehr gespannt auf die Zukunft von TXT sein, die noch überaus interessant werden könnte. Denn mit "The Dream Chapter: Star" und "The Dream Chapter: Magic" haben sie in diesem Jahr definitiv eine starke Grundlage für eine vielversprechende Karriere gelegt.
Den amerikanischen Musiker Justin Vernon, Kopf der Band Bon Iver, kann oder gar muss man als einen Ausnahmekünstler bezeichnen. Nachdem er einst mit spärlichem, in einer einsamen Waldhütte aufgenommenem Folk ("Songs for Emma") begann, ließ er dem bald schon etwas opulentere Töne folgen ("Bon Iver, Bon Iver"), arbeitete mit Musikern wie Kanye West oder James Blake zusammen, und fand schlussendlich gar zu solch abstrakten Klängen, dass manch ein Kritiker schon Vergleiche zum Radiohead-Klassiker "Kid A" zogen ("22, A Million") - und sein jüngstes Werk "I, I" lässt dann auch gewisse Vergleiche zu Radiohead's "Amnesiac" zu, welches zwar dem experimentellen und verschachtelt elektronischen Grundkonzept seines Vorgängers "Kid A" folgte, es dabei aber zu greifbareren Songs formte. Ähnlich auch beim Nachfolger zu Bon Iver's "22, A Million": mit "I, I" ist ihm ein streckenweise fragmentartiges Werk gelungen, dass sich zwar immer wieder durch experimentelle und elektronische Einlagen auszeichnet, dabei aber wieder stärker die Songs in den Fokus rückt. Und hier hat er wieder einige ganz wunderbare Exemplare vereint. So wie in der zauberhaften, mit Störeffekten und verzerrten Vocals angereicherten Folktronica-Perle "iMi", bei dem auch James Blake mit von der Partie ist, oder im atmosphärisch-elektronischen Meisterstück "Holyfields" (♪♫♪). Ferner aber ebenso in der wunderschönen und eigentlich schon zeitlosen Ballade "Hey Ma" (♪♫♪), im gleichzeitig melancholischen und von stimmungsvollen Bläsern und Pianos begleiteten "Naeem", der wunderbaren Indie-Folk-Hymne "Faith", oder in dem verträumten und um ein wunderbares Saxofon-Solo bereicherten "Sh'Diah". Zwar kann er auch damit nicht mein bis dato persönliches Lieblingsalbum seiner Band toppen ("Bon Iver, Bon Iver"), aber das ist weder leicht noch notwendig. Denn mit "I, I" ist seinen Händen ein trotzdem sehr schönes Album entsprungen, das mein Musikjahr 2019 durchaus versüßt hat.
19. BON IVER - "I, I"
Den amerikanischen Musiker Justin Vernon, Kopf der Band Bon Iver, kann oder gar muss man als einen Ausnahmekünstler bezeichnen. Nachdem er einst mit spärlichem, in einer einsamen Waldhütte aufgenommenem Folk ("Songs for Emma") begann, ließ er dem bald schon etwas opulentere Töne folgen ("Bon Iver, Bon Iver"), arbeitete mit Musikern wie Kanye West oder James Blake zusammen, und fand schlussendlich gar zu solch abstrakten Klängen, dass manch ein Kritiker schon Vergleiche zum Radiohead-Klassiker "Kid A" zogen ("22, A Million") - und sein jüngstes Werk "I, I" lässt dann auch gewisse Vergleiche zu Radiohead's "Amnesiac" zu, welches zwar dem experimentellen und verschachtelt elektronischen Grundkonzept seines Vorgängers "Kid A" folgte, es dabei aber zu greifbareren Songs formte. Ähnlich auch beim Nachfolger zu Bon Iver's "22, A Million": mit "I, I" ist ihm ein streckenweise fragmentartiges Werk gelungen, dass sich zwar immer wieder durch experimentelle und elektronische Einlagen auszeichnet, dabei aber wieder stärker die Songs in den Fokus rückt. Und hier hat er wieder einige ganz wunderbare Exemplare vereint. So wie in der zauberhaften, mit Störeffekten und verzerrten Vocals angereicherten Folktronica-Perle "iMi", bei dem auch James Blake mit von der Partie ist, oder im atmosphärisch-elektronischen Meisterstück "Holyfields" (♪♫♪). Ferner aber ebenso in der wunderschönen und eigentlich schon zeitlosen Ballade "Hey Ma" (♪♫♪), im gleichzeitig melancholischen und von stimmungsvollen Bläsern und Pianos begleiteten "Naeem", der wunderbaren Indie-Folk-Hymne "Faith", oder in dem verträumten und um ein wunderbares Saxofon-Solo bereicherten "Sh'Diah". Zwar kann er auch damit nicht mein bis dato persönliches Lieblingsalbum seiner Band toppen ("Bon Iver, Bon Iver"), aber das ist weder leicht noch notwendig. Denn mit "I, I" ist seinen Händen ein trotzdem sehr schönes Album entsprungen, das mein Musikjahr 2019 durchaus versüßt hat.
18. JAMES BLAKE - "ASSUME FORM"
Man kann sagen was man will, aber James Blake war fraglos einer der wichtigen Figuren im Pop der 2010er. Schon als er zu Beginn der Dekade im Jahr 2011 sein selbstbetiteltes Debütalbum "James Blake" vorlegte, wusste man instinktiv, dass dem damals gerade einmal 22 Jahre jungen Sänger, Songwriter, Produzenten und Multiinstrumentalisten eine große Zukunft bevorstehen würde. Und das sollte sich zweifellos bewahrheiten. Selten erlebt man Musiker wie ihn, die so ein hohes Maß an Kreativität, Experimentierfreude, Geschmackssicherheit und künstlerischer Relevanz in sich vereinen, und dabei auch noch so eine Bandbreite und Wandlungsfähigkeit besitzen. Von vollelektronischen und avantgardistischen Klangwelten, bis hin zu spärlich zerbrechlichen Pianoballadenm ist bei James Blake alles möglich - wobei seine Kunst in jeglicher Ausprägung stets authentisch und relevant ist. So beglückte uns der heute 31jährige Brite über des vergangene Jahrzehnt noch mit den weiteren famosen Alben "Overgrown" (2013) und "The Colour in Anything" (2016), einer guten handvoll EPs und zahlreichen Kollaborationen, die seinen Weg u.a. auch bereits in die 1. Liga des zeitgenössischen Indie (Bon Iver), Pop (Beyoncé), R&B (Frank Ocean) und HipHop (Kendrick Lamar, Jay-Z, Travis Scott) führte. In diesem Jahr ließ er dann mit "Assume Form" sein mittlerweile viertes Album folgen, das wieder einmal anders klingt, als alle anderen davor. Wohl noch nie klang seine Musik auf Albumlänge so klar strukturiert und auf die Songs orientiert, und auch noch nie hat er seine Kunst so sehr mit Licht und Wärme durchflutet. Der doch sonst sehr häufig in düsteren und melancholischen Sounds beheimatete Musiker, klingt hier so optimistisch wie nie zuvor. Das äußert sich über das gesamte Album hinweg: ob nun im von harmonisch perlenden Pianos und schwelgerisch sanften Streichern untermalten Titelsong "Assume Form", in dem von Moses Sumney und Metro Boomin begleiteten Ohrfänger "Tell Them", dem stark in Rap und R&B fußenden "Mile High" (♪♫♪) mit Travis Scott, dem wunderbar von Trap- und Flamenco-Einflüssen geprägten Duett "Barefoot in the Park" (♪♫♪) mit Rosalia, oder dem von herrlich oldschooligen Synthies ausgeschmückten Liebeslied "Are You In Love?". Aber hier gibt es dennoch auch ein paar Momente, wo es mir persönlich mit all der Harmonie und all dem Wohlklang ein klein wenig zuviel der Guten wird. Und allgemein ist Blake mit "Assume Form" auch nicht sein bislang bestes Album gelungen. Aber allemal ein dennoch sehr gutes, dass mein Musikjahr 2019 zurecht bereichert hat.
17. ARIANA GRANDE - "THANK U, NEXT"
Was war das doch letztes Jahr für ein Hype um Ariana Grandes letztes Studioalbum "Sweetener", das von Kritikern über den Klee gelobt, und sogar mit einem Grammy als "Best Pop Vocal Album" ausgezeichnet wurde. Dabei hatte das Album all diesen überschwänglichen Lob im Grunde nicht verdient. So hatte es super Singles, war darüber hinaus aber leider eine sterbenslangweilige Platte, die mit typischen Reißbrett-Produktionen des eh vollkommen überbewerteten Pharrell Williams vollgekleistert war. Viel größeres Lob hat hingegen ihr diesjähriges Album "Thank U, Next" verdient. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger waren die Singles allerdings nicht ganz so stark - denn der große Titel-Hit "Thank U, Next" mag ein netter Song sein, aber für mich immer schon eine Spur zu unspektakulär. Der massive kommerzielle Erfolg des Songs wunderte mich ähnlich, wie bei Rihanna's nervtötendem "Work", aus ihrem Album "Anti" - mit dem Arianas jüngstes Album eh so manches gemein hat. Nicht nur, dass das Album seine Leadsinlge weit überstrahlt, es ähnelt ihm auch in der etwas "dunkleren" und ernsteren Atmosphäre, und hat die bis dato besten und ausgereiftesten Songs der Sängerin zu bieten. So etwa die vom Trap geküsste R&B-Pop-Perle "Imagine", in der sie stellenweise in einem Pfeifregister singt, das man so im Pop bisher nur von Mariah Carey gehört hatte. Oder aber auch die sexy und sinnliche R&B-Nummer "Needy", der relaxte und dennoch catchy Raggae-Pop-Ohrwurm "Bloodline" (♪♫♪), das fabelhafte und Dank entsprechenden Samples an den R&B der 60er Jahre gemahnende "Fake Smile", das geniale, leicht düster veranlagte, und mit Einflüssen aus Rock, Trap und Pop jonglierende "Bad Idea" (♪♫♪), oder das stimmlich nahezu sämtliche Register ziehende "In My Head". Letztendlich war ihr mit "Thank U, Next" ein hervorragendes Album gelungen, dass den über den Klee gelobten (und in meinen Augen grob überbewerteten) Vorgänger weit hinter sich lässt.
16. ANGEL OLSEN - "ALL MIRRORS"
Zugegeben: so richtig in den Fokus meiner Wahrnehmung hatte es die heute 32jährige amerikanische Singer/Songwriterin Angel Olsen in den vergangenen Jahren ihrer aktiven Musikerkarriere nicht geschafft. Ihre Musik war zwar weitestgehend bis zu mir durchgedrungen, die sich stilistisch in Indierock, Folk und Alternative-Country bewegte. Und trotz des nicht selten sehr vielversprechenden und äußerst interessanten Materials ihrer bisherigen drei Studioalben, war bei mir dennoch nie genügend Funke übergesprungen, ganz in die Kunst der allerdings augenscheinlich talentierten Musikerin einzutauchen. Doch in diesem Jahr sollte sich dies mit ihrem vierten Studioalbum "All Mirrors" ändern - hatte sich trotz ihrer stetig erkennbaren Weiterentwicklung doch auch musikalisch manches bei ihr geändert. Stilistisch pendelte sie sich auf ihrem jüngsten Werk irgendwo zwischen hervorragendem, und mit Liebe zum Detail arrangiertem, sowie meist episch orchestriertem Art- und Baroque-Pop ein. Oder man könnte auch sagen: hier warf sie quasi ein Bündel wunderbarer Melodien mit einer Extraportion Kreativität und Experimentierfreude in einen Topf, und destillierte daraus ein wunderschönes und zugleich exzentrisches Album. Das kann man schon dem Opener "Lark" (♪♫♪) hervorragend entnehmen, einer epischen, und leidenschaftlichen Hymne, die von einer gewissen Vintage-Ästhetik zeugt, die der Musik Olsens allgemein nicht fremd ist. Und unter den vielen weiteren Höhepunkten des Albums hätten wir da etwa noch den großartigen und epischen Titelsong "All Mirrors", dessen düster-dramatische Streicher an Madonna's Klassiker "Frozen" erinnern, das geradezu lieblich über deutlich 80s-infizierte Syntheziser säuselnde "Too Easy", den mit oldschooligen Synthies garnierten Baroque-Pop-Song "Spring", oder das zeitlos gute, von Akustikgitarren, Synthezisern und einem fast sanft galoppierenden Rhythmus getragene "Summer" (♪♫♪). Das "All Mirrors" von Kritikern umjubelt, und von nicht wenigen von ihnen auch als ihr bislang stärkstes Album bezeichnet wurde, kann kaum überraschen. Denn auch mein Herz hat sie damit in 2019 erobert.
15. BANKS - "III"
Es war in den letzten Jahren ja durchaus zu empfehlen, die amerikanische Sängerin und Songwriterin Jilian Banks a.k.a. Banks auf dem Schirm zu haben, die seit 2013 ja bereits im Umfeld von The Weeknd unterwegs war, und sich in musikalischen Gefilden irgendwo zwischen Alterntive-R&B, Electro- und Avant-Pop ausgetobt hat. Das hatte ich auch fraglos, konnten mich doch vor allem die Singles "Fuck With Myself" und "Gemini Feed" ihres 2016er Zweitwerks "The Altar" begeistern - aber mit den Alben der Dame hatte ich mich dennoch nie tiefer befasst. Das sollte sich dann allerdings mit dem Jahr 2019 und ihrem schlicht "III" betitelten dritten Studioalbum ändern. Schuld daran trug vor allem dessen erste Single: die fantastische Elektropop-Hymne "Gimme" (♪♫♪), die sich u.a. durch asymmetrische Beats, verzerrte Vocals, schillernde Synthesizer und eine allgemein experimentelle, aber dennoch eingängige Atmosphäre auszeichnet. Das machte mich dann auch wirklich hungrig auf das dazugehörige Album - und das sollte sich als Glücksfall erweisen. Denn wie mich "III" einerseits schon auf Anhieb begeisterte, mir aber mit jeden Hördurchlauf schneller und schneller die Schuhe auszog, ist schon durchaus beachtlich. Hier hat sie nämlich ein so großartiges und vielseitiges, dabei auf wundersame Weise aber dennoch in sich schlüssiges Werk vorgelegt, dessen Melodien sich so schnell und zwanglos ins Gedächtnis einbrennen, dass man nach ein paar Durchläufen schwören könnte, sie schon sein halbes Leben zu kennen. So schaue man etwa auf die wunderbare und atmosphärische, mit kleinen künstlerischen Ecken und Kanten ausgestattete Synthpop-Ballade "Contaminated", auf das rhythmische, teils gar fast funky wave-popige und mit Störeffekten aufgeraute "Stroke", oder auf den ausgelassen mitreißenden Indie-Synthpop-Ohrwurm "Look What You're Doing To Me" im Duett mit Francis & The Lights. Doch u.a. sind auch das minimalistisch melodische "Hawaiian Mazes", die herausragende, und bei mir zwischen 80s- und 90s-Erinnerungen pendelnde Synthpop-Perle "Propaganda" (♪♫♪), oder das famos zwischen sanft und hymnisch pendelnde "The Fall" überaus beachtenswert. Ein fabelhaftes und vielseitiges Album, das sich auf der Schnittlinie zwischen Experimentierfreude und Eingängigkeit bewegt.
14. SOLANGE - "WHEN I GET HOME"
Sicherlich mag die Bekanntheit der amerikanischen Sängerin Solange Knowles in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sein. Aber: noch immer gibt es viel zu viele Menschen, die noch nie von der Dame gehört haben. Und das ist nicht nur deshalb erstaunlich, weil es sich bei ihr um die kleine Schwester des Weltstars Beyoncé Knowles handelt - sondern vor allem weil Solange sie künstlerisch schon lange in den Schatten stellt. Denn genau genommen hat ihre große Schwester erst mit ihrem 2013er "Beyoncé" und dessen Nachfolger "Lemonade" (2016) damit angefangen, wirklich relevante Musik zu fabrizieren. Da zeigte sich Solange schon längst als wandlungsfähige, inspirierte und kreative Künstlerin. Mit dem 2008er "Sol-Angel & the Hadley St. Dreams" vermischte sie zeitgenössischen R&B mit Psychedelic-Soul und dem Motown-Sound der 60er und 70er, auf dem fantastischen "True" (2012) machte sie einen unwiderstehlichen Abstecher in die schönsten Seiten der 80er Jahre, und schuf 2016 mit "A Seat at the Table" ein Neo-Soul-Meisterwerk, das bis heute nachhallt. Und dem setzte sie in diesem Jahr mit "When I Get Home" ein Album entgegen, dass es aber wahrscheinlich nicht jedem auf Anhieb leicht macht. Doch verstehen wir uns nicht falsch: auch hier hat sie wieder ein famoses Werk aus R&B, Funk, HipHop und (Neo-/Psychedelic-) Soul geschaffen, das einem derartigen künstlerischen Ansatz folgt, wie es sich Beyoncé bis heute nicht gewagt hat. Doch das Album folgt nicht gerade allzu konventionellen Strukturen: mit seinen vielen, dabei aber meist sehr kurzen Songs (nur 5 der insgesamt 19 Stücke gehen über 3 Minuten hinaus, während mehr als die Hälfte der Songs gar unter 2 Minuten bleibt), die insgesamt dabei sehr skizzenhaft anmuten, und mehr auf die Gesamtwirkung des Albums setzen, statt auf eingängige Hooks oder Refrains, wurde das Album in der Musikpresse bereits als "Snapchat"-Album umschrieben. Das muss und sollte man aber nicht als Nachteil betrachten. "When I Get Home" ist ein sehr warmes und samtiges, überwiegend im relaxten Midtempo angesiedeltes Album, das wie aus einem Guss klingt, und mit spannenden kleinen Experimenten und allerlei durchdachten Details spielt. Doch auch wenn es hier ohne Zweifel auch einzelne Highlights zu entdecken gibt - wie das wunderbar funky "Way To The Show" (♪♫♪), das sinnliche und von Dev Hynes co-produzierte "Dreams", das 90s-inifizierte "Almeda", oder das sanft rhythmische und nahezu hypnotische "Sound of Rain" (♪♫♪) - sollte "When I Get Home" aber tatsächlich am besten in einer ruhigen Stunde in seiner Gesamtwirkung genossen werden. Denn nur so vermag das Album wirklich sein wahres und vollständiges Potential zu entfalten. Belohnt wird man dafür mit einem ganz wunderbaren und künstlerisch höchst relevanten Album.
Seit nunmehr gut 25 Jahren ist die britische Band Radiohead eine wahrhafte musikalische Institution, die bisher in aller Regelmäßigkeit neue Meisterwerke in die Musikhistorie pflanzte. Und auch ihr Frontmann Thom Yorke hat sich auf Solopfaden schon um so einiges verdient gemacht. Gegenüber dem zwar stets experimentellen und wandlungsfreudigen, aber mehrheitlich doch immer wieder vom Rock beeinflussten Sound seiner Band, ging er auf seinen Solowerken (angefangen bei seinem Solodebüt "The Eraser" im Jahr 2006) sehr konsequent elektronische Wege. Da machte auch sein diesjähriges Werk "Anima" keine Ausnahme. Allerdings auch nicht darin, dass hier wieder einmal ein ganz herausragendes Stück zeitgenössischer Musik entstanden ist - doch was kann man auch von dem guten Mann anderes erwarten? Inspiriert durch die Arbeiten des fabelhaften Elektro-Musikers Flying Lotus, und gemeinsam mit Radiohead-Stammproduzent Nigel Godrich, formte er aus "Anima" ein eindringliches, atmosphärisches und abstraktes Electronica-Meisterwerk - und eine Reise in eine kunstvoll gestaltete Dystopie. Doch das ist alles andere als verwunderlich. Nicht nur, weil Thom Yorke mit seiner Kunst (ob nun mit oder ohne Radiohead) stets die Ängste und Paranoia unserer Zeit beleuchtet hat. Sondern auch - wie es in einem Artikel so ähnlich sehr treffend ausgedrückt wurde - weil sich die Welt heute in einem noch schlimmeren Zustand befindet, als zu der Zeit, als Thom Yorke zuletzt mit Radiohead (und ihrem 2016er Album "A Moon Shaped Pool") ihre Temperatur gemessen hat - und so machte er sich auch mit "Anima" auf zu neuen Albträumen. Das beginnt im Opener "Traffic" mit technoiden Klängen, die ein wenig an Radiohead's "Idioteque" (aus dem 2000er "Kid A") erinnern, führt über das atmosphärische, auf gespenstisch getragenen Synthesizern schwebende "Last I Heard (...He Was Circling The Drain)" (♪♫♪), den pulsierend rhythmischen und hypnotisch elektronischen 7-Minuten-Epos "Twist", oder über das das schwermütige, spartanische und dennoch komplexe "Dawn Chorus", und bis hin zum fabelhaften, mit minimalistisch aufblitzenden Synthies eine beinahe mysteriöse Atmosphäre erschaffenden "Not The News" (♪♫♪). Zwar ist das letzte Album seiner Band Radiohead gefühlt schon wieder viel zu lange her, und auch "Anima" mag kein vollwertiger Ersatz für ein neues Album seiner Band sein. Aber doch schafft es Thom Yorke hiermit so gut, wie mit noch keinem seine Solowerke zuvor, die Wartezeit bis dahin deutlich zu verkürzen.
12. CHARLI XCX - "CHARLI"
Eigentlich ist es doch recht erstaunlich: die britische Musikerin Charlotte Emma Aitchison alias Charli XCX hat immer noch nicht den Sprung in die vordersten Ränge der 1. Pop-Liga geschafft, was mittlerweile nun wahrlich nicht mehr mit rechten Dingen zugehen kann. So feierte sie durchaus bereits Erfolge im Mainstream, als sie 2014 mit "Boom Clap", "Break The Rules" oder "Doing It" ein paar große Hits ablieferte, die wohl jedem bekannt sein dürften und sollten, der ab und an mal das Radio einschaltet. Als Feature-Gast war sie zudem bereits mit Größen wie BTS, Diplo, Clean Bandit oder David Guetta unterwegs, und hat auch schon Hits für andere co-komponiert. Und auch an der Qualität ihrer Musik hapert es nicht, wie sie zuletzt in diesem Jahr mit ihrem dritten Studioalbum "Charli" erneut unter Beweis stellte, bei dem sich manche Kritiker gar zu wahrhaften Lobeshymnen hinreißen ließen. Und das auch aus gutem Grund, hatte die 27jährige hier doch ihr bislang mit Abstand stärkstes Album ausgeheckt, das mit seinen teils einfallsreichen und kreativen Arrangements eine Art verzerrte Version des Mainstream entwirft. Denn "Charli" ist quasi zu gleichen Teilen eingängig wie eigenwillig. Wobei selbst die eingängigsten ihrer Songs nie wie am Reißbrett oder nach typischer Hitformel aufgebaut klingen. So nehme man etwa den herrlichen Elektropop-Song "Gone" (♪♫♪) feat. Christine & The Queens, der zwar sehr ohrwurmig, aber dennoch auch leicht progressiv veranlagt ist. Oder etwa auch das unverschämt catchy Duett "1999" mit Troye Sivan, auf dem die beiden zu hübschen Eurodance-Klängen in nostalgischen Erinnerungen an die 90er Jahre schwelgen. Dann gäbe es da auch noch die wunderbare, von Industrial-Elementen geschmückte Synthpop-Perle "Cross You Out" mit Sky Ferrera, das warme und harmonisch dance-popige "Warm" mit der tollen US-Band Haim, oder die zauberhafte Pop-Hymne "White Mercedes". Genauso aber auch das höchst hitverdächtige, aber zugleich innovativ elektronische "Silver Cross", sowie auch die wunderschöne, auf beste nur denkbare Weise 80s-orientierte Synthpop-Ballade "I Don't Wanna Know". Aber sie geht auf "Charli" mitunter noch deutlich mutigere und experimentellere Wege, die selbst eine Lady Gaga zu ihren einstigen Glanzzeiten im Rückblick wie eine Céline Dion wirken lassen: so beachte man etwa den zugleich eingängigen und verstörenden, von nahezu björk'scher Futuristik geprägten Elektropop-Hirnfick "Click" feat. Kim Petras und Tommy Cash, das minimalistische und elektronisch-futuristische Rap-Ungetüm "Shake It", oder das kreativ in Szene gesetzte, von Electronica- und Industrial-Einflüssen durchwirkte "2099" (♪♫♪), das sie erneut mit Troye Sivan interpretierte. Doch trotz dieser teils sehr gegensätzlichen Stile und Sounds, ergibt "Charli" schlussendlich ein so runde Pop-Platte, dass sie sich mit Leichtigkeit als eine der besten seines Jahrgangs betiteln darf.
11. KIM PETRAS - "CLARITY"
Wer bereits in Kontakt mit der sehr amerikanisch klingenden Musik von Kim Petras gekommen sein sollte, der hätte wohl ohne nähere Informationen nicht damit gerechnet, dass die 27jährige tatsächlich aus Deutschland kommt. Und ebenso hätte man wohl nicht gedacht, dass die in Köln aufgewachsene Sängerin und Songwriterin mit dem Namen Tim geboren wurde. Sie entdeckte ihre Transsexualität schon sehr früh, und begann bereits im Alter von 12 Jahren eine Hormontherapie, was ihr einst große mediale Bekanntheit einbrachte. Doch ihre vollständige Entwicklung zur Frau ist schon lange vollzogen, und mittlerweile lebt die junge Dame in Kalifornien, von wo aus sie schon einige fabelhafte Singles in die Welt hinaus geschickt hatte, die mich schnell hungrig nach mehr machten. Und in diesem Frühjahr legte sie dann auch endlich ihr Debütalbum "Clarity" vor, bei dem ihr Lukasz Gottwald alias Dr. Luke (Katy Perry, Britney Spears, Rihanna. u.v.m.) unter die Arme griff, der aber hier in seiner Funktion als Produzent unter dem Pseudonym "Made in China" auf den Plan tritt - und mit desse Unterstützung ist ihr hier eine unwiderstehliche Pop-Platte voll mit Ohrwürmern und potentiellen Hits gelungen. Es ist nämlich keineswegs als Größenwahn zu betrachten, wenn die Sängerin schon im einführenden Titelsong "Clarity" singt: "I wanna feel like Madonna, I wanna feel like I'm way up." Denn Petras ist hier ein so frisches, überzeugendes und fesselndes Debüt gelungen, dass sie selbst gestandene Größen der 1. Pop-Liga damit in den Schatten stellt. Dabei zitiert sie sich zwar munter quer durch die Vergangenheit und Gegenwart des Pop, verleiht dabei aber allem eine eigene Note. So wie etwa in dem leicht 80s-informierten und bittersüßen R&B-Synthpop-Ohrwurm "Icy" (♪♫♪), in der catchy an Daft Punk zu Zeiten von "One More Time" gemahnenden Disco-Perle "Sweet Spot", oder im wunderbar melodischen und in die grobe Richtung von Katy Perry schielenden Pop-Stampfer "Personal Hell" (♪♫♪). Oder aber auch auf der wunderbaren und melancholisch gefärbten Trap-Pop-Nummer "All I Do Is Cry", dem fabelhaft und kreativ produzierten Elektro-Pop-Ohrfänger "Do Me" (♪♫♪), dem mit sanften Gitarren gewürzten "Blow It All", oder der optimistischen kleinen Pop-Hymne "Shinin". Kurz gesagt: "Clarity" ist ein rundum stimmiges, schillerndes und catchy eingängiges, dabei aber nicht wie am Reißbrett entworfenes Album, das Hochglanz-Pop auf höchstem Niveau bietet. Und ganz ehrlich: das plötzlich eine Deutsche mit einem Pop-Album daher kommen würde, mit dem sie die meisten ihrer internationalen Konkurrenten so locker in die Tasche steckt, dass es selbst amerikanische Medien wie Billboard dazu veranlasste, sie als "the new princess of pop" auszurufen, hätte man wohl kaum erwartet. Doch das sollte erst der Anfang sein, legte sie doch später in diesem Jahr bereits ihr Zweitwerk nach. Aber das ist eine Geschichte, der ich mich an anderer Stelle widmen werde...
Als die amerikanische Band Vampire Weekend vor gut 10 Jahren mit dem vielbeachteten Debüt "Vampire Weekend" und dessen Nachfolger "Contra" startete, wurde ihnen von vielen Seiten (durchaus nicht zu unrecht) das einst beliebte Label des Afrobeat aufgepappt. Doch spätestens mit ihrem dritten Album "Modern Vampires of the City" sollten sie sich von diesen stilistischen Einflüssen befreien, und sich mit einer bis dahin ungewohnten Stilvielfalt und Experimentierfreude einen ganz neuen künstlerischen Ruf erspielen. Diese Reise setzten sie auch in diesem Jahr mit ihrem vierten Album "Father of the Bride" fort, das sich erneut durch eine enorme Vielfalt, und vor allem wieder einmal durch schwindelerregend hohe Qualität auszeichnete - was in der Kombinstion gar zur Folge hatte, dass dieses Doppel-Album bereits mit dem "Weißen Album" der Beatles verglichen wurde. Gar nicht so unpassend, beachtet man doch gleich dem Einstieg mit der malerischen Country/Folk-Perle "Hold You Now" im Duett mit Danielle Haim (Frontfrau der Band Haim), das mich mit seinen Chor-Samples aus Hans Zimmers Filmmusik zu "The Red Thin Line" entfernt an "The Continuing Story of Bungalow Bill" von eben besagten Beatles-Klassiker erinnert. Ein mehr als gelungener Einstieg, dem noch zahlreiche Highlights folgen: etwa das stimmungsvoll ausgelassene und von gut gelauntem Piano eingerahmte "Harmony Hall" (♪♫♪), der sonnenscheinig ohrwurmige Indie-Pop-Hit "This Life" (♪♫♪), die minimalistisch melodische Art-Pop-Nummer "How Long?", oder das erneut mit Danielle Haim interpretierte und im Country beheimatete "Married in a Gold Rush". Doch damit nicht genug....nicht mal annähernd. Denn da gäbe es unter anderem noch das bittersüße und fabelhaft produzierte "My Mistake", die von Falmenco- und dezenten Techno-Einflüssen geprägte Freak-Folk-Perle "Sympathy", das psychedelische und soulige "Sunflower", oder das ein wenig nach modernen Vocoder-Beach-Boys schmeckende "Flower Moon" (beide mit Gast-Gitarrist Steve Lacy). Und das sind nur ein paar wenige Eckpunkte dieses Doppelalbums, das aufgrund seiner Länge und Stilvielfalt nur schwer ein geschlossenes Albumgefühl vermittelt - womit es wieder etwas mit dem "Weißen Album" gemein hat. Aber das müssen Alben wie diese auch gar nicht. Denn auf ihre Weise sind sie beide Doppelalben kreative Schmelztiegel, die vor lauter Ideenreichtum nahezu überschäumen. Und damit ist ihnen mit Leichtigkeit eines der besten Alben des Jahres 2019 gelungen, das hoffentlich auch noch weit drüber hinaus für Aufsehen sorgen wird.
10. VAMPIRE WEEKEND - "FATHER OF THE BRIDE"
Als die amerikanische Band Vampire Weekend vor gut 10 Jahren mit dem vielbeachteten Debüt "Vampire Weekend" und dessen Nachfolger "Contra" startete, wurde ihnen von vielen Seiten (durchaus nicht zu unrecht) das einst beliebte Label des Afrobeat aufgepappt. Doch spätestens mit ihrem dritten Album "Modern Vampires of the City" sollten sie sich von diesen stilistischen Einflüssen befreien, und sich mit einer bis dahin ungewohnten Stilvielfalt und Experimentierfreude einen ganz neuen künstlerischen Ruf erspielen. Diese Reise setzten sie auch in diesem Jahr mit ihrem vierten Album "Father of the Bride" fort, das sich erneut durch eine enorme Vielfalt, und vor allem wieder einmal durch schwindelerregend hohe Qualität auszeichnete - was in der Kombinstion gar zur Folge hatte, dass dieses Doppel-Album bereits mit dem "Weißen Album" der Beatles verglichen wurde. Gar nicht so unpassend, beachtet man doch gleich dem Einstieg mit der malerischen Country/Folk-Perle "Hold You Now" im Duett mit Danielle Haim (Frontfrau der Band Haim), das mich mit seinen Chor-Samples aus Hans Zimmers Filmmusik zu "The Red Thin Line" entfernt an "The Continuing Story of Bungalow Bill" von eben besagten Beatles-Klassiker erinnert. Ein mehr als gelungener Einstieg, dem noch zahlreiche Highlights folgen: etwa das stimmungsvoll ausgelassene und von gut gelauntem Piano eingerahmte "Harmony Hall" (♪♫♪), der sonnenscheinig ohrwurmige Indie-Pop-Hit "This Life" (♪♫♪), die minimalistisch melodische Art-Pop-Nummer "How Long?", oder das erneut mit Danielle Haim interpretierte und im Country beheimatete "Married in a Gold Rush". Doch damit nicht genug....nicht mal annähernd. Denn da gäbe es unter anderem noch das bittersüße und fabelhaft produzierte "My Mistake", die von Falmenco- und dezenten Techno-Einflüssen geprägte Freak-Folk-Perle "Sympathy", das psychedelische und soulige "Sunflower", oder das ein wenig nach modernen Vocoder-Beach-Boys schmeckende "Flower Moon" (beide mit Gast-Gitarrist Steve Lacy). Und das sind nur ein paar wenige Eckpunkte dieses Doppelalbums, das aufgrund seiner Länge und Stilvielfalt nur schwer ein geschlossenes Albumgefühl vermittelt - womit es wieder etwas mit dem "Weißen Album" gemein hat. Aber das müssen Alben wie diese auch gar nicht. Denn auf ihre Weise sind sie beide Doppelalben kreative Schmelztiegel, die vor lauter Ideenreichtum nahezu überschäumen. Und damit ist ihnen mit Leichtigkeit eines der besten Alben des Jahres 2019 gelungen, das hoffentlich auch noch weit drüber hinaus für Aufsehen sorgen wird.
9. HARRY STYLES - "FINE LINE"
Mit der britischen Boyband One Direction konnte ich ja in der Tat noch nie wirklich etwas anfangen....viel zu harmlos und gleichförmig war ihre Musik, um mich wirklich überzeugen zu können. Doch erstaunlicherweise klingen die meisten von ihnen auf Solopfaden wesentlich interessanter, als sie es als Band vermochten - was so auch nicht gerade häufig vorkommt. Vor allem Harry Styles hat sich als überaus fähiger Solo-Musiker erwiesen. Schon sein 2017er Solo-Debüt "Harry Styles" zeigte sich als äußerst vielversprechend, wenngleich der Hit "Sign of the Times" locker den Rest des Albums überstrahlte. Anders allerdings auf seinem Zweitwerk "Fine Line", das er gerade noch so zum Ende diesen Jahres - im Dezember 2019 - nachlegte, und das es dann aber trotzdem noch in meine Jahresbestenliste geschafft hat. Und das sogar relativ hoch. Denn hier hat er ein wirklich fabelhaftes Pop-Album ausgeheckt, das man irgendwie immer wieder von vorn hören will. War der Vorgänger noch eher ein nettes Pop-Rock-Album, das es sich in seiner warmen Eintönigkeit bequem machte, hat er mit "Fine Line" ein so viel kreativeres, spannenderes und vielseitigeres Album geschaffen, bei dem man seine wahre Freude daran, ihm dabei zuzuhören, wie er leichtfüßig durch die verschiedensten Genres, Stile und Stimmungen tänzelt. Das fängt hier schon mit dem schmachtenden Pop-Rock-Opener "Golden" an, dem aber sogleich weitere hochkarätige Stücke auf dem Fuße folgen: der unwiderstehlich melodische und erfrischende Midtempo-Indiepop-Song "Watermelon Sugar", der leicht funky schillernde Pop-Ohrwurm "Adore You" (♪♫♪), das zeitlos gute und für mich locker zu den besten Songs des Jahres zu zählende "Lights Up" (♪♫♪), oder die warme und verträumte Folk-Pop-Perle "Cherry". Und selbst wenn zur Mitte des Albums bei der leicht triefenden Ballade "Falling" vielleicht der Gedanke aufkommen könnte, das er wohl spätestens jetzt in den wohligen Gleichklang abdriftet, hat man sich allerdings gewaltig geschnitten. Denn auch danach passiert eine ganze, ganze Menge ungemein spannendes. Wie etwa in "To Be So Lonely", welches mit flamenco-artigen Gitarren und einem ganz und gar wunderbaren Refrain besticht. Oder aber auch in dem hervorragenden "She", das sich in seiner über 6-minütigen Spieldauer in ausladende Gitarrensolos hinein steigert. Oder etwa in dem herrlich sonnenscheinigen und souligen Pop-Ohrfänger "Sunflower, Vol. 6" (♪♫♪), in dem zumindest bei mir gewisse Beatles-Erinnerungen aufblitzen. Und ebenso gibt es auch noch reichlich famoses mit dem stellenweise fast barocken und mit Frauenchören angereicherten "Treat People With Kindness" zu entdecken, sowie auch mit dem Titelsong "Fine Line", einer mit prachtvollen Bläsern arrangierten Pop-Hymne, die den krönenden Abschluss des Albums darstellt. Nach seinem zwar recht vielversprechenden, aber unterm Strich eher mittelmäßigen Debüt, ist Harry Styles mit seinem Zweitwerk ein beinahe perfektes Pop-Album gelungen, mit dem er sich nun endgültig als ernstzunehmende Größe im Pop unserer Tage beweist.
8. BILLIE EILISH - "WHEN WE ALL FALL ASLEEP, WHERE DO WE GO?"
Eine der spannendsten und kreativsten Newcomer des Jahres 2019 war fraglos die junge amerikanische Singer/Songwriterin Billie Eilish. Denn ihr Debütalbum "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?", das sie im vergangenen Frühjahr im Alter von gerade einmal 17 Jahren auf die Welt losließ, war ganz und gar bemerkenswert. Vielleicht könnte man sagen, dass sie sich hier in der Tradition von jungen weiblichen Weggefährten wie Lorde dazu aufmachte, den Pop der Zukunft zu gestalten. So ist zwar auch bei Billie Eilish der Pop allgegenwärtig, aber ihre ganz eigene künstlerische Vision und Identität ebenso. Dabei werden weite Teile des Albums von einer ruhigen, getragenen, sanften und minimalistischen Atmosphäre geprägt. So nehme man etwa die schwermütige und wunderschöne Ballade "When The Party's Over" (♪♫♪), den melodisch relaxten Gitarrenpop-Singalong "Wish You Were Gay", das leichtfüßig tänzelnde "All The Good Girls Go To Hell", die sacht rhythmische und atmosphärische Perle "Ilomilo", oder so schwerelose und emotionale Balladen wie "Listen Before I Go" oder "I Love You". Dabei lässt sie aber immer Raum für schicke kleine Experimente und Eigenwilligkeiten, die vor allem dann zur Geltung kommen, wenn sie auch mal etwas flotter oder energischer zu Werke geht - was sie hier nicht nur mit Hilfe des von spärlichen Beats, Synths und Kickdrums begleiteten, und von einem eindringlichen Groove angetriebenen "Bad Guy" (♪♫♪) unter Beweis stellt. Sondern auch mit dem eher düster veranlagten Elektro-Trap-Pop von "You Should See Me In a Crown", dem spärlichen, aber unwiderstehlichen Elektropop-Ohrwurm "My Strange Addiction", oder dem mit Elementen aus Electronica und Industrial spielenden "Bury a Friend" (♪♫♪). Mit "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?" hat Billie Eilish etwas in mehrerlei Hinsicht erstaunliches geleistet: ein höchst kreatives und kunstvoll gestaltetes Debüt, das mit den üblichen Konventionen im Pop bricht, und dabei sowohl von Kritikern in höchsten Tönen gelobt wurde, als auch einen großen kommerziellen Erfolg darstellte (neben den USA, UK und Kanada erreichte es in mindestens 20 Ländern Platz 1 der Charts und zählt zu den weltweit am meisten verkauften Platten des Jahres). Das es nun auch mit Leichtigkeit einen Platz unter meinen Platten des Jahres ergattern konnte, erscheint da schon wie eine logische Konsequenz. Denn dies könnte der Grundstein sein, dem noch eine große und einflussreiche Karriere folgt.
7. BTS - "MAP OF THE SOUL: PERSONA"
Das BTS in dieser Liste auftauchen würden, sollte nicht allzu überraschend sein. Nicht nur weil ich großer Fan der 7-köpfigen Band aus Südkorea bin. Sondern vor allem deshalb, weil sie einfach immer wieder für verdammt großartige Popmusik gut sind - was ja auch eben der Hauptgrund ist, warum ich so ein großer Fan von ihnen bin. Nur gerade hierzulande hat die Band es noch nicht zu breiter Bekanntheit geschafft. Erstaunlicherweise, sind sie doch in Asien schon seit Jahren Superstars, werden in den USA immer wieder als moderne Beatles bezeichnet, und sind derzeit (und das schon seit vergangenem Jahr) die kommerziell erfolgreichste Band der Welt. Und ihr stetig steigender Erfolgskurs wurde auch in diesem Jahr fortgesetzt. Nicht zuletzt wegen ihrem im April veröffentlichten Mini-Album "Map of the Soul: Persona". Nachdem BTS sich 2017/18 mit der "Love Yourself"-Serie ganz der Suche nach wahrer Selbstliebe verschrieben hatten, begann hier eine neue Konzept-Reihe - die diesmal von der Psychologie inspiriert wurde. Denn hier dienen die psychologischen Konzepte der "Landkarte der Seele" des schweizerischen Psychologen Carl Gustav Jung als thematische Grundlage, in denen er im frühen bis mittleren 20. Jahrhundert die Seele bzw. Psyche des Menschen zu "kartografieren" versuchte - und sie in viele verschiedene Ebenen unterteilte, sowie ihre dynamische Wechselwirkung untereinander aufzeigte. Eine dieser Ebenen der Seele ist nach Jung die "Persona", um die es folglich auf diesem Mini-Album geht. Sie stellt laut Jung unser aller "öffentliches Ich" dar....eine Art gesellschaftliche Maske, die wir alle unbewusst tragen, wenn wir uns in der Öffentlichkeit bewegen. Quasi ein unvollständiger Teil unseres Ichs, in dem sich eben die Eigenschaften vereinen, die wir als sozial akzeptabel betrachten - womit die Persona eine Art psychische Anpassungsleistung darstellt, um uns den Regeln, Sitten und Gepflogenheiten der Gesellschaft oder Gruppe anzupassen, in der wir leben. Vor allem spürbar wird das hier im Titelsong und Opener "Persona": eine energiegeladene Rap-Nummer, die von einem furztrockenen Gitarrenriff angetrieben wird, und auf der Bandleader RM über das Dilemma seines öffentlichen und privaten Ichs erzählt, und die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit beleuchtet. Und auch in den restlichen Stücken kommt das Konzept immer wieder mehr oder minder deutlich zur Geltung, während sie sich aber auch anderer Themen widmen, und sich stilistisch wieder einmal einer wunderbaren Vielseitigkeit bedienen. So beachte man allen voran natürlich erstmal den Hit des Albums: das unwiderstehlich catchy und funky "Boy With Luv" (♪♫♪) im Duett mit US-Sängerin Halsey ("Without Me"), welches quasi die Liebe als eine der stärksten Kräfte auf der Welt umschreibt, und als eine Art Ode an ihre Fans interpretiert werden kann. Und DER Ohrwurm des Jahres ist der Song für mich sowieso. Darüber hinaus findet man auf dem Mini-Album aber noch so manches Highlight, wie das hymnisch schöne und warme "Mikrokosmos" (♪♫♪), in dem sie mit Verweisen an die griechische Philosophie über die Einzigartigkeit jeder einzelnen Existenz singen. Oder natürlich die wunderbare und zeitlos schöne Midtempo-Pop-Perle "Make It Right" (♪♫♪), welche sie mit Ed Sheeran co-komponierten, die leidenschaftliche, von den Mitgliedern Jin, J-Hope und Jungkook interpretierte Ballade "Jamais Vu" (die nach dem genauen Gegenteil eines Deja-vu benannt ist), sowie auch das rockig veranlagte und geradezu episch mitreißende "Dyonisus", das sich u.a. an der griechischen Mythologie bedient und sich dabei auch medienkritisch zeigt. Hier ist BTS erneut eine fabelhafte Pop-Platte gelungen, die fraglos zu meinen liebsten Platten des Jahres zählt, und auch ihren kommerziellen Erfolg nicht verfehlt hat: "Map of the Soul: Persona" wurde in den USA ihr drittes No.1-Album in weniger als einem Jahr (was vor ihnen nur den Beatles gelang), hat zahlreiche Awards abgeräumt, wurde bereits vor seinem Release weltweit mehr als 3 Mio. mal in physischer Form vorbestellt, und ist eines der weltweit meistverkauften Alben des Jahres.
6. KIM PETRAS - "TURN OFF THE LIGHT"
Wir sind Kim Petras in dieser Liste schon einmal begegnet. Früher in diesem Jahr hatte die Sängerin und Songwriterin bereits ihr von Kritikern gefeiertes Debütalbum "Clarity" vorgelegt, das sich etwas weiter hinten in dieser Liste befindet. Aber als wenn es ihr noch nicht gereicht hätte, damit eines der besten Pop-Alben des Jahres vorgelegt zu haben, schob sie zum Jahresende auch gleich ihr zweites Studioalbum "Turn Off The Light" hinterher. Die Reise des Albums begann bereits Ende 2018 mit der EP "Turn Off The Light, Vol.1", welcher dann in diesem Jahr eigentlich ein zweiter Teil folgen sollte. Doch stattdessen nahm sie die 8 Songs der ersten EP, und vereinte sie hier mit 9 neuen Stücken zu einem kompletten Album. Und man kann von Glück reden, dass es so gekommen ist. Denn unter erneuter Beihilfe von Produzent Lukasz Gottwald alias Dr. Luke (Katy Perry Britney Spears), hat sie hier etwas ausgeheckt, was sogar ihr wunderbares Debüt überstrahlt: ein innovatives und catchy Konzeptalbum zwischen Elektro-, Dance- und Synth-Pop, das sich rundum einer Halloween-/Horror-Thematik verschreibt. So erzeugt "Turn Off The Light" eine durchgehend ernste bis düster-schaurige, teils von 80s- und 90s-Vibes geprägte Grundstimmung, in der sie sich quer durch die Grusel- und Horror-Geschichte zitiert - und das dann auch fast immer in waschechte Hits verpackt. So etwa im mitreißenden "There Will Be Blood" (♪♫♪), auf dem sie zu zu einer catchy Melodie und diabolisch stampfender Elektronik so Zeilen singt, wie: "There will be blood, run for your life / Go on and say your last goodbye / There will be blood, you're gonna die / You'll never make it through the night." Oder man nehme die düstere Synthpop-Perle "Wrong Turn" (♪♫♪), die nicht nur nach einer populären Slasher-Reihe benannt ist, sondern auf der sie zu dunklen Synthesizern quasi das vor ihrem Mörder fliehende Opfer besingt: "Never shoulda came alone / Never gonna make it home / Nothing matters anymore / Go ahead and lock the door / You're my bloody valentine, you can't help but hide the blinds / Hurry, quick, you're out of time." Ebenso beachtenswert auch das getragen schaurige "Massacre", welches die Melodie des traditionellen Weihnachtsliedes "Carol of the Bells" in einen düsteren Kontext verschiebt, oder das fröstelig-elektronische und ungemein melodische "Close Your Eyes", in dem sie in die Rolle der Schwarzen Witwe schlüpft, die ihren Liebhaber nicht lebend davon kommen lässt: "I feel it coming on / You've got nowhere to run / There's no way you'll make it out alive / But when it's after dark / I'm gonna eat your heart / Don't try to fight it, just close your eyes." Und ebenso herausragend ist auch das musikalisch laut Sängerin von Freddie Mercury inspirierte "In The Next Life" (♪♫♪), in dessen Lyrics sie dagegen scheinbar aus der Perspektive einer dämonisch bösen Person spricht, die ohne Angst dem eigenen Tod entgegen geht - in dem Wissen, dass man sich an sie erinnern wird. Und zwischendurch fällt sie in dem Song sogar überraschend in ihre deutsche Muttersprache zurück, wenn es etwa heißt: "Deine Zeit ist abgelaufen / Ich bin dein Alptraum, ich bin dein Omen / Wenn du mich siehst, fängst du besser an zu laufen / Kannst du glauben! /Sag jetzt deine letzten Worte / Ich krieg immer was ich wollte / Ich bin das Ende deiner Tage / Ich bin die Krankheit, ich bin die Plage." Zudem werden die Songs durch einige überwiegend instrumentale Stücke ergänzt, die aber nicht grob vernachlässigbar sind, sondern die restlichen Stücke des Album zusammenhalten und verbinden - und somit entscheidend zur spukigen Atmosphäre des Albums beitragen. Das äußert sich mal in Sounds, die ein wenig an düstere Versionen von Daft Punk oder Justice denken lassen ("Bloody Valentine" "Demons"), und in anderen Momenten entsteht eine schaurige Horror-Soundtrack-Atmosphäre, die unvermeidliche Erinnerungen an Horrorklassiker der 70er und 80er wachruft ("Omen", "Purgetory"). Und auch wenn Kim Petras selbst mit diesem famosen Album noch nicht in den Fokus der bereiten Masse gerückt ist, so hat sie hier dennoch eine kreative Leistung vollbracht, die selbst gestandene Pop-Größen alt aussehen lässt.
5. MADONNA - "MADAME X"
Manchmal muss man sich ja schon mächtig wundern, worauf sich oft der Fokus von Medien und Öffentlichkeit besonders konzentriert. So auch bei Madonna. Entweder zerriss man sich in diesem Jahr über ihren zugegeben leicht vergeigten Auftritt beim diesjährigen ESC das Maul, und lehnte sich dabei so unfassbar weit aus dem Fenster, das manche gar die beispiellose 40jährige Karriere der bis dato erfolgreichsten Sängerin aller Zeiten für beendet erklärten - als wenn jene sich solch eine Expertise auch nur annähernd zutrauen könnten. Oder man rümpfte in der Boulevardpresse ausgiebig über ihr neues, junges Boytoy die Nase - weil deutlich jüngere Geliebte dürfen ja nur Männer haben...bei Frauen wird dann gerne schon mal am Scheiterhaufen gezündelt. Aber das die Queen of Pop in diesem Jahr auch eines der besten, kreativsten und abenteuerlichsten Alben ihrer bisherigen Karriere veröffentlichte, scheint vielen da draußen hingegen vollkommen entgangen zu sein. Ein wahre Schande ist das, denn auf "Madame X" lieferte sie wieder eine Qualität, die sie so zuletzt nur auf "Ray of Light" (1998) und "Music" (2000) erreichen konnte. Benannt nach ihrem neuesten Alter-Ego - einer Geheimagentin, die für Frieden kämpft und Licht an dunkle Orte bringt - ist es inhaltlich ihr politischstes Album seit "American Life" (2003), während es musikalisch eine famose Mischung aus Art-Pop, Latino-Vibes und World Music darstellt. Vordergründig sind hier vor allem die musikalischen Einflüsse ihrer portugiesischen Wahlheimat spürbar. So wie in Latin-Pop-Ohrwürmern wie dem sinnlich rhythmischen "Medellin" (♪♫♪) im Duett mit Maluma, dem catchy und mitreißenden "Faz Gostoso" mit dem brasilianischen Superstar Anitta, oder auch in der atmosphärisch elektronischen, vom portugiesischen Batukadeiras-Chor begleiteten, und nahezu afrikanisch anmutenden Hymne "Batuka" (♪♫♪) - in dessen Lyrics es wieder sehr politisch zugeht, würde ich doch meinen Arsch darauf verwetten, dass sie Donald Trump meint, wenn sie singt: "Get that old man / Put him in a jail / Where he can't hurt us / Where he can't stop us." Und die Latino-Einflüsse kommen auch in der wunderbaren und getragenen Ballade "Killers Who Are Partying" auf hervorragende Weise zur Geltung, in dessen Lyrics sie sich mit den Unterdrückten dieser Welt solidarisiert, als auch in dem eingängigen und stimmungsvollen "Bitch I'm Loca", auf dem wieder Maluma als Duettpartner mit von der Partie ist. Aber auch andere und mindestens ebenso spannende Töne schlägt sie auf diesem Album an. Allen voran sollte man der düster-dynamischen Art-Pop-Perle "Dark Ballet" seine Aufmerksamkeit schenken: beginnt selbige noch als düstere und zunehmend von schweren Beats begleitete Ballade, rast plötzlich ein atemloses Pianosolo durch den Song, nur um dann in einem elektronischen "Nussknacker" mit verzerrten Vocals zu münden. Und ähnlich kreativ geht es auch auf dem fantastischen "God Control" (♪♫♪) zu: legt der Song noch als schwermütige Ballade mit nuschelndem Gesang (der die zugenähten Lippen des ikonischen, an Frida Kahlo erinnernden Cover-Artworks symbolisiert) und sakral-dramatischem Kinderchor los, mutiert er schon kurz darauf zu einer glamourösen und funky in die Beine fahrenden Disco-Hymne, als ein Weckruf an die Demokratie. Ferner erklingen dann noch auf "Crave" im Duett mit Swae Lee ganz wunderbare Trap-Pop-Sounds, mit "I Rise" schuf sie eine sehr schöne und soft elektronische Pop-Perle, in der auch kurz die Aktivistin Emma Gonzales (Überlebende des Parkland-Schulmassakers im Jahr 2018) zu hören ist, und mit dem famosen "I Don't Search I Find" beschwört sie deutliche Erinnerungen an ihre "Vogue"- und "Erotica"-Ära der frühen 90er Jahre herauf. Mit all dem zeigte sich Madonna in 2019 wieder so abenteuerlich, innovativ und relevant, dass man "Madame X" gar zu den besten Alben der bisherigen Karriere der Queen of Pop zählen muss. Und hier machte sie zudem wieder einmal allzu deutlich, wie glücklich man sich doch schätzen kann, in einer Zeit zu leben, in der es noch solche Legenden wie Madonna gibt.
4. FKA TWIGS - "MAGDALENE"
Das Tahliah Barnett alias FKA Twigs eine großartige Künstlerin ist, muss man den Wissenden dort draußen wohl nicht mehr näher erläutern. Denn wer die 31jährige Singer/Songwriterin aus Großbritannien als Künstlerin erst einmal kennenlernt, der wird mit schwindelerregend hoher Wahrscheinlichkeit auch schnell in ihren Bann gezogen. Allerdings ist die Zahl derer, die sie und ihre Musik kennen, leider immer noch viel zu klein - zumindest in Anbetracht ihres musikalischen Genies, das weit mehr Aufmerksamkeit größerer Massen verdient hätte, als ihm bislang tatsächlich zuteil wurde. Doch der Knackpunkt dabei: darauf scheint die Künstlerin selbst vordergründig auch überhaupt nicht aus zu sein. Trotz all der Eingängigkeit, die sich in ihrer Musik oft wiederfinden kann, begreift FKA Twigs selbige zum Glück mehr als eine kreative Form des künstlerischen Ausdrucks, und nicht vor allem als Unterhaltung. Das wurde schon auf ihren ersten EPs "EP1" (2012) und "EP2" (2013) deutlich, und manifestierte sich dann auch ebenso deutlich in ihrem famosen Debütalbum "LP1" (2014), wie auch in ihrer bislang letzten Veröffentlichung, der EP "M3LL155X" (2015). Denn trotz so mancher wunderbarer Harmonien und Melodien, geizte sie auch noch nie mit einer ordentlichen Portion Eigenwilligkeit. Anfänglich wurde sie dabei vor allem noch im Genre des Alternative-R&B verortet - sie machte im Verlaufe ihrer bisherigen Karriere aber schnell deutlich, dass sie Stilrichtungen wie Electronica, TripHop, Art-Pop und Avantgarde mindestens ebenso nahe steht...wenn nicht sogar noch näher. Und das stellte sie in 2019 nach 4 Jahren Plattenpause mit ihrem zweiten Album erneut und mit Leichtigkeit unter Beweis - denn "Magdalene" ist wohl das beste Stück Musik, das man bisher von ihr zu hören bekam. Unter Beihilfe von Musikern der unterschiedlichsten Backgrounds, wie u.a. dem Ambient-Tüftler Nicolas Jaar, dem Hit-Produzenten Jack Antonoff (Taylor Swift, Lana Del Rey), oder dem eher als Dubstep-Haudegen bekannten Skrillex, hat Barnett hier nicht weniger als ein abstraktes, eindringliches, fesselndes und wunderschönes Meisterwerk geschaffen - auf dem sie auf vorzügliche Weise ihre stimmlichen Fähigkeiten etwas stärker in den Fokus rückt, als bisher. Schon der Einstieg in das Album macht dem Hörer deutlich, in welche Richtung die Reise geht. So im minimalistisch getragenen Opener "Thousand Eyes", in dem sie zu atmosphärischen Klängen und mit beinahe beschwörenden Gesängen das Ende einer Beziehung thematisiert. Oder gleich darauf in der großartigen Art-Pop-Perle "Home With You" (♪♫♪), welche als Piano-Ballade beginnt, zwischendurch kunst- und wirkungsvoll eingesetzte Störeffekte und Beats einstreut, und letztendlich in einem atemberaubenden Cello-Solo mündet. Und auch danach passiert noch so viel großartiges. So wie etwa das mit einer wunderschön melancholischen Melodie gesegnete "Sad Day" (♪♫♪), welches mit allerlei elektronischen Sperenzchen aufwartet. Das auf beste nur denkbare Weise gar schon fast radiotaugliche "Holy Terrain" mit dem Rapper Future. Der atmosphärische und gleichzeitig geradezu majestätische Quasi-Titelsong "Mary Magdalene". Das streckenweise fast wie eine grandiose Kombination aus Björk und Kate Bush anmutende "Fallen Alien" (♪♫♪). Das wunderbar melodische "Mirrored Heart", dessen emotionale Atmosphäre in großartigem Kontrast zu harten Beats und Störeffekten steht, die den Song immer wieder aus dem Hinterhalt überraschen. Oder natürlich die wunderbare und emotionale Avant-Pop-Ballade "Cellophane", die als erster Vorbote bereits im Frühjahr hungrig auf dieses Album machte. Und auch wenn sie "Magdalene" erst gegen Jahresende (im November) nachreichte, hatte dieses wunderbare, faszinierende, kunstvolle und fesselnde Album keinerlei Mühe, bei mir das Feld von hinten aufzurollen, und sich nun auf einem der vorderen Ränge meiner Jahresbestenliste zu positionieren. Denn trotz all ihrer großen bisherigen Leistungen, hat man FKA Twigs auf Albumlänge noch nie so relevant und brillant erlebt, wie auf "Magdalene".
3. MICHAEL KIWANUKA - "KIWANUKA"
"Früher war alles besser" - das ist so ein Spruch, den jeder von uns wohl schon zur Genüge gehört, und so mancher da draußen mit Sicherheit auch schon selbst benutzt hat - vor allem natürlich auch sehr oft in Bezug auf Musik. Doch das diese Aussage nicht nur höchst unwahr, sondern eigentlich sogar völlig sinnbefreit und ignorant ist, muss allerdings auch jedem seiner Nutzer klar sein. Das liegt nicht nur zum einen daran, dass es natürlich in der Vergangenheit schon immer gute wie schlechte Musik gegeben hat, und das es beides auch in Zukunft immer geben wird. Zum anderen ist es mitunter auch darin begründet, dass es eben auch immer wieder diese zeitlosen und und zugleich wie aus der Zeit gefallenen Meisterwerke gibt, die fast so klingen, als wären sie zu Zeiten der großen Klassiker der Pop-Historie entstanden. Und die sogar manch einem dieser Klassiker geradezu das Fürchten lehren könnten. So wie etwa auch das diesjährige Album von Michael Kiwanuka, welcher sich ja bereits mit seinen ersten beiden Alben "Home Again" (2012) und "Love & Hate" (2016) um einiges verdient gemacht hatte, und dafür zurecht von weltweiten Kritikern laut umjubelt wurde. Denn von Anbeginn seiner Karriere an merkte man eine ganz besondere künstlerische Ausstrahlung bei dem Briten, der 1987 in London als Sohn zweier ugandischer Flüchtlinge zur Welt kam, die der Gewaltherrschaft des Diktators Idi Amin entkommen waren. Schon immer atmete seine Musik den Geist und die Tiefe der großen Soul-Klassiker der 70er Jahre, die gepaart mit seinem herausragenden Talent als Songwriter und seiner scheinbar unermüdlichen Inspiration, stets eine enorme Zeitlosigkeit ausstrahlte. Doch wohl noch nie gelang ihm dies auf eine solch geradezu majestätisch schöne und atemberaubende Weise, wie auf seinem jüngsten und dritten Album, das er ganz schlicht nach sich selbst "Kiwanuka" taufte - und damit auch den Stolz auf seine ugandischen Wurzeln zum Ausdruck bringen wollte. Und trotz des sehr schlüssigen Gesamtsounds, zeigte sich das Album, welches er wie schon sein letztes Werk "Love & Hate" mit dem fantastischen Produzenten Danger Mouse (Gnarls Barkley, Gorillaz, Broken Bells) schuf, als dennoch recht vielseitig. So geht es im stimmungsvollen Opener "You Ain't The Problem" (♪♫♪) mit einer Mischung aus Soul, Folkrock und Jazz los, direkt danach strahlt "Rolling" mit seinem nahezu tänzelnden Groove, sowie dem Einsatz von Piano und E-Gitarren einen leicht psychedelischen Charakter aus, und das herrlich atmosphärische "I've Been Dazed" hätte mit seinem entrückten Gesang, sowie seinen verträumten Gitarren und Streichern auch Blur hervorragend zu Gesicht gestanden. "Piano Joint (This Kind of Love)" (♪♫♪) erweist sich daraufhin als zeitlos melancholisch schöne, von Piano und Streichern dominierte Perle, und das herrliche "Living In Denial" (♪♫♪) glänzt mit einem Wechsel aus nachdenklichen Versen und von beherzten Bläsern durchzogenen Refrains.
Die grandiose Psychedelic-Rock-Hymne "Hero", die am besten mit dem ihm voran gestellten "Hero (Intro)" genossen werden sollte, orientiert sich hingegen hörbar an Jimi Hendrix, während dagegen das leicht 80s-infizierte "Final Days" auf einem gemächlichen TripHop-Beat des Weges schwebt. Auf "Hard To Say Goodbye" versprüht er mit leidenschaftlichen Gitarrenriffs, Streichern und Frauenchören über 7 epische Minuten hinweg eine äußerst cineastische Atmosphäre, und auf "Solid Ground" beschreitet er dann wiederum sehr melancholische und emotionale Wege.
Das Michael Kiwanuka ein überaus fähiger und talentierter Singer/Songwriter ist, war natürlich schon nach seinen ersten zwei Alben nicht mehr von der Hand zu weisen. Doch mit seinem dritten Werk "Kiwanuka" hat er sich selbst derart übertroffen, dass sein wunderbares Cover-Artwork, welches von einem Gemälde des in königliche Roben gehüllten Künstlers geziert wird, fast schon prophetisch wirkt. Denn hier ist seinem kreativen Geist ein wunderbares, erhabenes und zeitloses Album entsprungen, das wie ein verschollenes Meisterwerk der frühen 70er Jahre anmutet, und einem vermutlich noch lange im Fell hängen bleiben wird.
2. LANA DEL REY - "NORMAN FUCKING ROCKWELL!"
Es ist keineswegs eine Übertreibung, wenn man die Amerikanerin Lana Del Rey als eine der besten Singer/Songwriter des vergangenen Jahrzehnts betitelt. Denn was sie währenddessen geleistet hat, ist wahrlich beachtlich. Und das nicht nur, weil sie eine bis dahin vollkommen unbesetzte Nische im zeitgenössischen Pop ausfüllte, indem sie von Anfang an mit dem Image eines wie aus der Zeit gefallenen Lolita-Wesens, sowie mit Bezügen und Erinnerungen an ein längst vergangenes Amerika der James Deans und Jim Morissons kokettierte. Als sie 2012 mit ihrem Major-Debüt "Born To Die" und Hits wie "Video Games", "Blue Jeans" oder "Summertime Sadness" durchstartete, konnte man allerdings noch berechtigte Zweifel hegen, wie authentisch all das wirklich ist - oder ob hier doch eher gewiefte Leute im Hintergrund die Strippen ziehen. Doch die Dame hat im Eiltempo bewiesen, dass sie eine echte Künstlerin ist, die nicht vordergründig dem nächsten Hit hinterher jagt. Dabei ist sie zwar stets sich selbst treu geblieben, hat aber in den Jahren ihren ganz eigenen Stil in den unterschiedlichsten Farben und Schattierungen erstrahlen lassen. Mit "Ultravioloence" (2014) schuf sie ein düsteres, atmosphärisches und indie-lastiges Meisterwerk, auf dessen Nachfolger "Honeymoon" (2015) ging sie hingegen deutlich cineastischer und romantischer zu Werke, und strahlte dann auf "Lust for Life" (2017) wieder etwas weiter in den Pop hinein. Und auch auf ihrem diesjährigen Album "Norman Fucking Rockwell!" ging Lana wieder einmal einerseits gewohnte, aber doch auch irgendwie wieder ganz eigenständige Wege. So erstrahlte auch ihr jüngstes Werk in der für sie nur allzu typischen Vintage-Ästhetik, klang aber dabei mit einer Mischung aus Softrock, Surf-Rock, psychedelischen Auswüchsen und Pianoballaden als Gesamtwerk noch runder und zeitloser, als sie es zuletzt vermochte. So beachte man etwa den wunderbaren, von Piano, sanften Streichern und Bläsern untermalten Titelsong "Norman Fucking Rockwell" (♪♫♪), der das Album einleitet und schon jetzt nach einen Klassiker schmeckt. Letzteres können übrigens auch die meisten anderen Songs dieser wunderbaren Platte von sich behaupten, die dabei aber - trotz der sehr stimmigen Ästhetik des gesamten Albums - auch in verschiedenste stilistische Richtungen ausbrechen. So nehme man etwa solche grandiosen psychedelischen Ausflüge wie im wunderschönen, von Folk und Country beeinflussten "Mariners Apartment Complex", oder im eindringlichen und mehr als 9-minütigen Psychedelic-Folk-Epos "Venice Bitch".
Aber das Album birgt noch so viele weitere musikalische Perlen, die es besonders zu beachten gilt. So wie etwas das famose, vom TripHop geküsste "Doin' Time" (♪♫♪), das verträumt schwebende und mit Bezügen zum Klassiker "Dream a Little Dream" (bekannt vor allem in der Interpretation von The Mamas & The Papas) spielende "Fuck It, I Love You", das wunderbar melodische und von sanft elektronischen Einflüssen geprägte "Cinnamon Girl", oder die wunderbare und atmosphärische Softrock-Ballade "California" (♪♫♪). Oder aber auch das zugleich sanfte und hymnische "The Next Best American Record", die mit Referenzen an David Bowie und die Beach Boys gespickte Surf-Rock-Perle "The Greatest", oder auch die zeitlos nostalgische und bittersüße Pianoballade "Bartender". Man müsste auf diesem Album eigentlich jeden Song für sich erwähnen. Denn mit "Norman Fucking Rockwell!" ist ihr ein wahrhaftes Pop-Juwel gelungen, das selbst ihre beachtlichen bisherigen Leistungen zu überstrahlen vermag. Wer Lana Del Rey bisher noch nicht erst nehmen wollte (was in Anbetracht ihres enorm hochwertigen Outputs allerdings nur sehr schwer zu verstehen wäre), dem wird spätestens nach dem Genuss von "Norman Fucking Rockwell!" gar nichts anderes mehr übrig bleiben.
1. WEYES BLOOD - "TITANIC RISING"
Zum Glück gibt es sie immer mal wieder, diese Platten, die praktisch wie aus dem Nichts zu kommen scheinen, einem direkt in die Seele tauchen, und einen mit ihrer Schönheit auch langfristig in ihren Bann zu ziehen vermögen. So erging es mir etwa jüngst mit dem diesjährigen Werk der amerikanischen Musikerin Natalie Mering alias Weyes Blood. Doch vermutlich werden wohl nicht allzu viele dort draußen von dem Namen der 31jährigen Singer/Songwriterin gehört haben, die ihre Karriere in der Underground-Noise-Music-Szene mit Bands wie Jackie-O-Motherfucker und Nautical Almanac begann, und bereits drei von der Kritik überwiegend gelobte Soloalben veröffentlicht hat. Doch es bleibt nur zu hoffen, dass sie sich mit ihrem jüngsten Album vielleicht doch noch eine deutlich größere Bekanntheit erspielen kann. Denn bisher scheint "Titanic Rising" der großen Masse eher verborgen geblieben zu sein - was wahrlich einem nahezu tragischen Versäumnis gleichkommt. Denn mit ihrem vierten Album hat die Dame musikalisch ein höchst ambitioniertes, nostalgisches und zeitlos schönes, aber zugleich auch komplexes Meisterwerk zwischen Softrock, Baroque-, Psychedelic- und Dream-Pop geschaffen, welches spürbar den Geist der 70er Jahre atmet. Und inhaltlich stellt es - wie einmal so schön und zutreffend über die Platte geschrieben wurde - eine prachtvolle Ode an das Leben und das Lieben im Schatten des Unheils dar, in der sie selbst im Angesicht der Katastrophe stets Gelassenheit findet.
Das wird schon im wunderbaren, fast feierlich schönen Opener "A Lot's Gonna Change" (♪♫♪) deutlich, in dem es ganz darum geht, auch den schweren Zeiten und Krisen zu trotzen, und sich ihnen erhobenen Hauptes entgegen zu stellen: "Born in a century lost to memories / Falling trees, get off your knees / If your friends and your family sadly don't stick around / It's high time you learned to get by / Cause you got what it takes / In your lifetime / Try to leave it all behind / In your lifetime." Aber ebenso auch in der sehnsüchtigen Americana-Perle "Andromeda", die davon handelt, den inneren Mut zu finden, eine emotionale Verbindung einzugehen - betrachtet durch die Linse eines Teleskops: "Andromeda's a big wide, open galaxy / Nothing in it for me except a heart that's lazy / Running from my own life now / I'm really turning some time / Looking up to the sky for something I may never find / Stop calling / It's time to let me be / If you think you can save me / I'd dare you to try."
Oder auch im dem fabelhaften, von barocken Elementen und schwungvollen Pianos und Streichern begleiteten Psychedelic-Pop-Ohrwurm "Everyday", welcher davon erzählt, wie das moderne Online-Dating die Liebe versaut: "Wake up, baby / It's getting late now / Fell so hard like I always do / I'm so scared of being lonely / It's true, it's true / I see you everyday / But that's not enough / I got this seeker running along a lonely line / Always trying to make my keeper mine." Und doch bleibt sie dabei optimistisch, wenn sie dennoch ein Comeback für die Liebe sieht....zumindest bedingt: "True love is making a comeback / For the half of us, the rest just feel bad /Doomed to wander in the world's first rodeo /You never let it show." Ebenso beachte man auch die mit einer wunderbaren Melodie gesegnete Softrock-Hymne "Something To Believe" (♪♫♪), in der Mering darüber sinniert, das wenn man nichts hat, woran man glauben kann (wie an sich selbst oder andere), sich das Leben nur wie eine monotone Reise zum Tod anfühle: "I just laid down and cry / The waters don't really go by me / Give me something I can see / Something bigger than the voices in me / Something to believe / Didn't always do it right / Might have left the heat on high / Didn't know I had any left / Thought I finally met my death." Sowie aber auch das fantastische "Movies" (♪♫♪), auf welchem ihre nahezu schwebenden Vocals von sanften und hypnotischen Synthesizern untermalt werden, ehe dann auf halbem Wege Cellos ihren Platz einnehmen, und der Song allmählich zu einem vielfachen seiner ursprünglichen Größe anwächst. Und hier beschäftigt sie sich inhaltlich mit dem Wunsch, ihr Leben möge so schillernd, und unkompliziert wie ein Film sein: "The meaning of life doesn't seem to shine like that screen / Put me in a movie and everyone will know me / You'll be the star you know you are / The movies I watched when I was a kid / The hopes and dreams / Don't give credit to the real things / I love the movies / I know the meaning / I know the story / I know the glory / I love the movies."
Und das sind nur ein paar Beispiele dafür, was für wunderbare Songs man auf diesem großartigen, wie aus der Zeit gefallenen und gleichzeitig zeitlosen Album finden kann, das ihr mit "Titanic Rising" gelungen ist. In meinen Augen gar ein wahrhaftes Meisterwerk, welches es fraglos verdient hätte, noch lange in der Pop-Geschichte nachzuhallen. Denn auch wenn breitere Massen das Album offenbar noch nicht entdeckt haben, so wurde es in diesem Jahr von Kritikern geradezu umfeiert, was bei Metacritic eine Durschnittsbewertung von 91 von 100 zur Folge hatte. Für mich absolut nachvollziehbar, denn im Musikjahr 2019 hat mich kein anderes Album so sehr berührt und fasziniert, wie es Weyes Blood mit "Titanic Rising" vermochte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen