Gerade war man noch versucht, Rihanna's lange geplantes achtes Studioalbum als ein einziges großes Gerücht zu den Akten zu legen, da erblickte "Anti" kürzlich doch noch das Licht der Welt. Und auch wenn einige das sicherlich kaum noch für möglich hielten, sollte dabei eine wirklich schicke Platte herum kommen.
Beinahe hätte man ja schon glauben können, dass Rihanna's achtes Studioalbum so etwas wie ihr persönliches "Chinese Democracy" werden könnte. Ihr wisst schon - das bislang letzte Album der Guns N' Roses, das über zig Jahre hinweg immer wieder neu angekündigt und dann doch jedes mal erneut verschoben wurde, bis man es letztendlich schon beinahe als einen einzigen großen Running Gag verdächtigte, mit der die Band (bzw. Axl Rose) die Musikwelt erfolgreich zum Narren hielt. Denn zumindest für Rihanna's Verhältnisse, die zuvor fast stets im pünktlichen Jahrestakt ein neues Alben lieferte, sollte es ziemlich lange dauern, bis ihr achtes Studioalbum endlich das Licht der Welt erblickte: immerhin beinahe 4 Jahre. Prinzipiell keine schlechte Idee, suchte Rihanna doch laut eigener Aussage nach einem neuen Sound, der zeitloser und individueller klingen sollte. So schien sie danach zu streben, sich künstlerisch von dem zwar oft sehr hitlastigen, aber dennoch hauptsächlich auf kommerzielle Bedürfnisse zugeschnittenen R&B- und Dance-Pop-Sound der Vergangenheit zu emanzipieren. Und da kann man sich ja auch mal eine längere kreative Auszeit gönnen - aber doch spannte sie einen in der Endphase der langen Wartezeit nochmal so richtig auf die Folter, nahm das neue Werk doch schon seit gut einem Jahr langsam Form an. So häuften sich seit Anfang 2015 die Vorzeichen auf eine neue Platte, als sie anfing regelmäßig Vorab-Singles zu veröffentlichen. So kam zuerst im Januar vergangenen Jahres der wunderbare und minimalistische Gitarrenpop-Ohrwurm "FourFiveSeconds" mit Paul McCartney & Kanye West, einige Wochen später dann die schicke R&B-Nummer "Bitch Better Have My Money", gefolgt von der getragenen Midtempo-Ballade "American Oxygen", die im Frühjahr 2015 nachgelegt wurde. Doch dann passierte einige Monate lang erst einmal gar nichts. So konnte man zuletzt ernsthafte Befürchtungen hegen, dass sich Rihanna künstlerisch mittlerweile ziemlich verrannt haben könnte. Nicht nur das zu viel Zeit, Geld und Ambitionen schon so manch einem Album das Genick gebrochen haben - überdies kann auch die Entscheidung irritieren, das die bisher veröffentlichten Singles entgegen ursprünglicher Pläne schlussendlich komplett aus dem Albumkontext heraus gelöst, und kurz vor dem Albumrelease durch die nun einzige Vorab-Single "Work" ersetzt wurden. Und in Unkenntnis des ganzen Albums, konnte man sich beim ersten Genuss des neuen Stückes durchaus fragen, ob das wirklich eine so gute Idee war. So haben wir hier zwar einen minimalistisch produzierten und melodisch warmen Raggae-R&B-Ohrwurm im Duett mit Drake, der vor allem mit mehrmaligem Hören wachsen kann - aber irgendwie kann man sich auch sehr leicht die Frage stellen: soll das der neue Sound sein, nach dem sie all die Jahre gesucht hat?
Rihanna - Work feat. Drake von maxiocio
Doch im Albumkontext macht auch die Single eine noch bessere Figur. Denn das schlägt sich entgegen aller Befürchtungen in der Tat ziemlich gut, merkt man ihm doch recht deutlich den neuen Kurs an, den Rihanna einzuschlagen gedachte. So zeigt sie sich vielfältig und auch mitunter durchaus experimentierfreudig, die Produktion der Stücke gelingt facettenreich und nicht selten minimalistisch, während sich Rihanna durch einen im Grunde wilden Stil- und Genre-Mix arbeitet, der aber einen dennoch erstaunlich geschlossenen Gesamtsound ergibt. So geht's schon ziemlich fantastisch mit dem hübsch beatigen und von Dub-Einflüssen geprägten Opener "Consideration" (♪♫♪) im Duett mit der Singer/Songwriterin SZA los, gefolgt von der kurzen, aber wunderbaren und warmen Neo-Soul-Perle "James Joint" - ehe wir dann bei einem waschechten Hit landen, der allerdings passend zum Albumsound "bodenständiger" und zeitloser in Szene gesetzt ist, als man es bisher gemeinhin von Rihanna gewöhnt war: die famose, 80s-infizierte und von leidenschaftlichen E-Gitarren begleitete Power-Ballade "Kiss It Better" (♪♫♪). Und auch danach passiert hier noch eine Menge feines. So beachte man etwa das düster angehauchte und groovig atmosphärische "Desperado" (♪♫♪), die wunderschöne, warme und von sanften Akustikgitarren getragene Ballade "Never Ending" (♪♫♪), die hervorragend mit einem Sample aus Dido's 2000er Hit "Thank You" spielt, die melodische und in Richtung Amy Winehouse schielende Retro-Soul-Nummer "Love On The Brain" , die leidenschaftliche Ballade "Higher" (♪♫♪), in welcher Rihanna hörbar bis an die Grenzen ihrer stimmlichen Fähigkeiten geht, oder auch das sehr gelungene "Same Ol' Mistakes" (♪♫♪), welches ein Cover von Tame Impala's letztjährigem "New Person, Same Old Mistakes" darstellt. Rihanna's Version ist zwar im Grunde eine Art 1:1-Kopie, die selbst die nahezu komplette Produktion des Originals übernimmt. Und doch steht dieser Song, der sich somit auch bei ihr irgendwo zwischen Synthpop, Psychedelia und HipHop-Einflüssen einpendelt, Rihanna so verdammt gut zu Gesicht, dass sich selbst Tame Impala's Mastermind Kevin Parker begeistert zeigte.
In gewisser Weise ist "Anti" ein typischer Grower, der mit Sicherheit vor allem bei Liebhabern ihrer bisherigen Musik auf Skepsis stoßen könnte. Die für sie typischen, schmissig tanzbaren Nummern, die einen direkt von der Couch reißen, lässt Rihanna diesmal in der Kiste - und an ihre Stelle rückt ein in sich eher getragener Klangcharakter, der selten über Midtempo hinaus geht. Und auch die bei ihr sonst oft üblichen, gnadenlos in die Synapsen knallenden Ohrwürmer, welche einem auf Anhieb ins Gesicht springen, findet man hier deutlich seltener. So zeigt die mittlerweile 27jährige Sängerin auf "Anti", dass sie allmählich auch musikalisch endgültig erwachsen werden will. Dabei machen sich durchaus auch ein paar Parallelen zu etwa Beyoncé's letztem Album "Beyoncé" deutlich, auch wenn "Anti" natürlich nicht ganz an dessen schwindelerregend hohes Niveau anknüpfen kann. Aber dennoch befindet sich Rihanna auf genau dem richtigen Weg. Denn die potentiellen Hits mögen diesmal geringer ausgefallen sein, als sonst - aber als Gesamtwerk ist ihr mit "Anti" wohl dennoch ihr bislang bestes und zeitlosestes Album gelungen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen